# taz.de -- Die Bayern Kolumbiens | |
> Elf Titel hat América de Cali in den vergangenen 22 Jahren in der | |
> kolumbianischen Liga eingespielt. Doch der große Wurf, der Gewinn der | |
> Copa Libertadores, blieb dem Abomeister bislang verwehrt | |
aus Cali KNUT HENKEL | |
José „Pepe“ Moreno ist das Sturmjuwel von América de Cali. „Pepe hat ei… | |
harten Schuss, ist kopfballstark und könnte den Sprung nach Europa | |
schaffen“, schwärmt Carlos Puente González. Für den Präsidenten von Amér… | |
de Cali ist der 19-jährige Moreno eine Wertanlage, der seinem Club früher | |
oder später aus der finanziellen Bredouille helfen könnte. „Wir müssen | |
mindestens einen Spieler pro Saison abgeben, um finanziell über die Runden | |
zu kommen“, sagt der 61-jährige Präsident. | |
Dabei steht América finanziell für kolumbianische Verhältnisse noch gut da. | |
Über 85 Prozent der Clubs der nationalen Liga, der Copa Mustang, schwebt | |
der Pleitegeier. Die nationale Liga hat an Attraktivität eingebüßt. | |
Teilweise wird vor nur 5.000 Zuschauern gekickt, und selbst zu den | |
Klassikern wie América gegen Atlético Nacionál aus Medellín kommen selten | |
mehr als 25.000 Fans. Früher waren es doppelt so viele, erinnert sich | |
Puente. Doch das Niveau der Liga ist in den letzten 15 Jahren | |
kontinuierlich gefallen. Ausländische Profis verirren sich kaum noch in das | |
Andenland, und die besten Nachwuchsspieler werden früh nach Argentinien, | |
Brasilien oder Europa abgegeben. Bei Auslandstransfers hat América oft die | |
Nase vorn. „85 Prozent der kolumbianischen Spieler, die ins Ausland | |
transferiert wurden, haben zumindest einmal bei América gespielt“, sagt | |
Puente, über seine goldene Brille blickend. | |
América ist die Talentschmiede Kolumbiens. Die mit Pokalen randvoll | |
gefüllten Vitrinen im Büro des klein gewachsenen Präsidenten zeugen davon – | |
darunter auch zwei Trophäen des renommierten Nachwuchsturniers von Toulon. | |
Von der professionellen Nachwuchsarbeit lebt der Verein heute – früher | |
waren es die schmutzigen Dollars der Drogenbarone, von denen auch América | |
profitierte. 35 Trainer sind derzeit für América tätig, die von der | |
F-Jugend bis in die erste Mannschaft mehr oder minder das gleiche System | |
spielen lassen. Die besten der 13- und 14-Jährigen erhalten ein Stipendium | |
für das Fußballinternat des kolumbianischen Abomeisters, der trotz des 3:0 | |
gegen Pasto am Sonntag momentan aber nur an dritter Position der Tabelle | |
liegt. „Unsere Talentscouts sind landesweit unterwegs, und für talentierte | |
Jugendliche im Alter von 15 oder 16 Jahren geben wir auch schon mal Geld | |
aus“, sagt Puente. Zwischen 2.000 und 5.000 US-Dollar kostet so ein Talent. | |
Der Einstieg bei América ist für die Jugendlichen ausgesprochen attraktiv, | |
denn die U-17-Mannschaft des Vereins fährt regelmäßig zu Turnieren ins | |
Ausland. So kriegen die Spieler früh etwas zu sehen, bekommen einen | |
Eindruck von unterschiedlichen Spielsystemen und finden sich später besser | |
im Ausland zurecht, so die Hoffnung der Verantwortlichen von América. | |
## Der Traum vom Cup | |
Derzeit belegt América den 20. Platz in der weltweiten Club-Hierarchie. | |
Drei Finaleinzüge in der Copa Libertadores, der lateinamerikanischen | |
Champions League, haben América nach oben gespült. Doch den Traum vom | |
Südamerika-Pokal konnten sich Jaime de la Pava und seine Profis nicht | |
erfüllen, zuletzt schieden sie schon im Achtelfinale gegen Nacionál | |
Montevideo aus. De la Pava, der seit 1998 die erste Mannschaft Américas | |
trainiert, kommt selbst aus dem Nachwuchs. Im Jugendbereich von América hat | |
er zuvor gearbeitet, und drei Meisterschaften in Serie haben wenige seiner | |
Trainerkollegen in Kolumbien vorzuweisen. Das macht den 35-Jährigen zu | |
einem gefragten Mann im Andenstaat – als neuer Nationaltrainer ist de la | |
Pava derzeit im Gespräch, der den Neuaufbau der kolumbianischen Equipe | |
vornehmen soll. Die musste nach drei WM-Teilnahmen in Serie das Turnier vor | |
dem Fernseher verfolgen. Für die Fans eine herbe Enttäuschung, für die | |
Fußballfachleute eine Folge der stümperhaften Verbandspolitik. | |
Drei Trainerwechsel in drei Jahren haben die Vereine des wichtigsten | |
Schaufensters für den Spielerverkauf beraubt, klagt Puente. Der | |
América-Präsident hatte gehofft, Jairo Castillo an den Mann zu bringen. Der | |
Nationalstürmer von América ist einer der wenigen Spieler, denen Puente den | |
Sprung auf den europäischen Kontinent zutraut. Einer, der es geschafft hat, | |
ist Jorge Horácio Serna von Deportivo Independiente Medellín. Für Serna, | |
Torschützenkönig der Saison 2001, gab Serie-A-Aufsteiger Como im Februar | |
des Jahres acht Millionen Euro aus. Ein stolzer Preis für einen Stürmer aus | |
einer international bestenfalls zweitklassigen Liga. | |
Transfers in dieser Größenordnung sind für Puente in nächster Zeit nicht | |
mehr sonderlich wahrscheinlich. „Es wird gespart im internationalen | |
Fußball, und auch wir von América sind gezwungen, den Etat zurückzufahren.“ | |
Ansetzen will Puente bei den Spielergehältern. 15 Millionen Pesos, rund | |
7.000 US-Dollar, verdienen die besten Akteure von América. Angesichts der | |
sich hartnäckig haltenden Wirtschaftskrise und sinkender Sponsoren- wie | |
Fernsehgelder müssen die Löhne runter, analysiert Puente. Acht Millionen | |
Pesos will er seinen Akteuren bezahlen. „Wer mehr will, muss gehen“, gibt | |
er sich hart. | |
Dabei geht es América aufgrund der regelmäßigen Teilnahme an der Copa | |
Libertadores vergleichsweise gut. Doch deren Gewinn ist in weite Ferne | |
gerückt: „Uns fehlen die Spieler, die ein Match allein entscheiden können. | |
Da können wir mit den mexikanischen, brasilianischen oder argentinischen | |
Clubs nicht mithalten“, analysiert Puente nüchtern. Gleichwohl träumt er im | |
Stillen davon, die gewünschte große Mannschaft aus dem eigenen Nachwuchs | |
aufzubauen. | |
16 Oct 2002 | |
## AUTOREN | |
KNUT HENKEL | |
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