# taz.de -- Heilung durch Hoffnung | |
> „Refugio“ kümmert sich seit zwölf Jahren um traumatisierte Flüchtlinge. | |
> Das psychosoziale Zentrum eröffnete jetzt neue Räume in Schwachhausen und | |
> veranstaltete dort einen Tag der offenen Tür | |
Die UNO erklärte den 10. Dezember zum weltweiten Tag der Menschenrechte, | |
weil die Vollversammlung der Vereinten Nationen auf den Tag genau vor 53 | |
Jahren die „Charta der Menschenrechte“ verabschiedet hat. Damit brachten | |
die Autoren einst ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Einhaltung der | |
Menschenrechte zum gemeinsamen Ideal aller Völker und Nationen werden | |
könnte. | |
Die Menschen, die heute bei dem Verein „Refugio“ Hilfe suchen, sind weit | |
davon entfernt, diesen hehren Anspruch geltend machen zu können: Weder | |
wurde ihnen bislang ein Recht auf freie Meinungsäußerung eingeräumt, noch | |
gewährte man ihnen soziale Sicherheit oder gar ein Recht auf Bildung. | |
„Refugio Bremen“, das gestern in Schwachhausen seine neuen Räumlichkeiten | |
vorgestellt hat, ist eines von rund 15 psychosozialen Zentren in | |
Deutschland, die sich um traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer mit | |
meist ungesichertem Aufenthaltsstatus kümmern. Seit zwölf Jahren sind hier | |
Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Sozialpädagogen und freiwillige | |
Helfer damit beschäftigt, rund 200 misshandelte Flüchtlige pro Jahr | |
aufzufangen und sie zu betreuen. | |
Die Frauen, Männer und Kinder kommen aus allen Teilen der Welt, vornehmlich | |
aus dem kurdischen Teil der Türkei, dem früheren Jugoslawien, Iran und | |
Westafrika. Gemeinsam sind ihnen die schrecklichen Bilder der | |
Vergangenheit, die Erinnerungen an Gewalt, Vertreibung und Leid. Viele von | |
ihnen stehen vor einer ungewissen Zukunft. | |
Genau hier liege das größte Problem – die traumatischen Erlebnisse auch | |
irgendwann verarbeiten zu können, berichtet Ingrid Koop, Psychologin und | |
„Refugio“-Mitarbeiterin: „Nicht das tatsächlich Erlebte ist entscheidend | |
für den Heilungsprozess eines Traumatisierten, sondern die Situation, in | |
der ein traumatisierter Mensch aufgefangen wird“. Die seelische | |
Unterstützung und Behandlung könne nur fruchtbar sein, wenn die | |
PatientInnen auch eine menschenwürdige Zukunftsperspektive hätten: Heilung | |
durch Hoffnung. Mit der Aussicht allerdings, wieder in ihr Herkunftsland | |
abgeschoben zu werden, verlören diese Menschen auch die Chance, zu genesen. | |
Wie kompliziert es ist, in Deutschland ein Bleiberecht zu erhalten, zeigt | |
Koop an dem Antrag einer jungen Kurdin auf, die aus politischen Gründen | |
inhaftiert und gefoltert wurde. Deren Antrag auf politisches Asyl wurde | |
abgelehnt, weil nicht sie selbst, sondern ihr Gatte politisch aktiv gewesen | |
ist. Nur vier Prozent der Bewerber erhalten im Anerkennungsverfahren Asyl, | |
erst durch Klagen steigt die Zahl auf zehn Prozent. | |
Bei den Mitgliedern von „Refugio“ ist die Freude über das neue Büro groß: | |
Die Adresse in der Parkstraße 2-4 bietet Platz für Physio- und | |
Psychotherapie, Sozialberatung, Koordination – und ein Spielzimmer für | |
Kinder. Auch Informationen über die Sponsoren – darunter die Deutsche | |
Stiftung für UNO-Flüchtlingshilfe, die Sozialsenatorin und die Evangelische | |
Kirche – werden für Besucher bereit gehalten. | |
Diese kamen am Tag der offenen Tür zahlreich – nicht zuletzt dank des dicht | |
geknüpften Netzwerks des Vereins: Kontakte bestehen zu allerlei | |
Institutionen und Vereinen, Behördenmitarbeitern, Ärzten und Lehrern. Ein | |
Arbeitsschwerpunkt von „Refugio“ besteht nämlich darin, alle vorhandenen | |
medizinischen und psychosozialen „Regeldienste“ für Flüchtlinge zu öffne… | |
Dass hier noch viel Arbeit auf den Verein wartet, macht Sabine Offe vom | |
Vorstand deutlich: „Wir träumen davon, eine Institution zu sein, die daran | |
arbeitet, sich selbst überflüssig zu machen.“ | |
Jörg Fischer | |
11 Dec 2002 | |
## AUTOREN | |
Jörg Fischer | |
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