# taz.de -- Architektur: Der Lehm, der Bambus und die Leute vor Ort | |
> Der Berliner Architekt Eike Roswag plant Projekte mit natürlichen | |
> Baustoffen. Für eine Schule in Bangladesch erhielt er den bedeutendsten | |
> Architekturpreis der islamischen Welt. | |
Bild: Ausgezeichnet: Roswag-Schulgebäude in Bangladesch | |
Direkt neben dem Eingang steht ein Regal, das zum Tresen umfunktioniert | |
wurde. Dahinter stapeln sich Mappen und Zettel auf Eike Roswags | |
Schreibtisch. An der Wand lehnen plakatgroße Tafeln, die vergangene | |
Projekte dokumentieren. Und dann stapelt noch ein Mitarbeiter ein paar | |
frische Lehmplatten auf den Tresen. Zur Begutachtung für das nächste | |
Projekt. | |
Roswag mag es, wenn es drunter und drüber geht. "Auf der Baustelle | |
herrschte ein ganz schönes Tohuwabohu", erzählt der Architekt von seinem | |
bisher erfolgreichsten Bau. Das war zwar kein himmelstürmender Glasturm, | |
sondern nur eine Grundschule in Bangladesch. Doch Roswag wurde dafür mit | |
dem Aga Khan Award ausgezeichnet, dem höchsten internationalen | |
Architekturpreis der islamischen Welt (siehe Kasten). | |
Das Projekt "School handmade" entstand in einer ländlichen Region des | |
südasiatischen Landes. Für das Schulgebäude hat Roswag ausschließlich die | |
dort üblichen Materialien Lehm und Bambus verwendet, um sich der lokalen | |
Tradition anzupassen. Besonders wichtig sei dabei gewesen, das Wissen, das | |
er sich in seinem Beruf angeeignet hätte, an die Einheimischen | |
weiterzugeben, um "Hilfe zur Selbsthilfe" zu leisten. An dem Bau hätten | |
sich daher auch lokale Arbeiter, SchülerInnen, Lehrkräfte und Eltern | |
beteiligt. | |
Dem 38-Jährigen ist der natürliche Werkstoff nicht fremd. Seine Liebe zum | |
Lehm, erzählt er, habe er bereits zu Beginn seines Studiums der Architektur | |
an der Technischen Universität Berlin entdeckt. Ökologisches Bauen war der | |
Bereich, der ihn von Anfang an interessierte habe. Und Lehm sei ein reines | |
Naturprodukt, ein "gesunder, ressourcenschonender Baustoff", dessen | |
Potenzial er bald erkannt habe. Besser als jedes andere Material könne er | |
Feuchtigkeit puffern und so Kälte abhalten. In den 90er-Jahren baute er | |
eine Mauer aus Stampflehm in einem besetzten Haus. "Die steht immer noch", | |
sagt Roswag. | |
Den entscheidenden Anstoß bekam Roswag aber erst 1998 bei dem zweimonatigen | |
Praxisprojekt "Studenten bauen in Mexiko". Dort baute und restaurierte er | |
Dorfgemeinschaftshäuser. Vor Ort lernte er Christoph Ziegert und Uwe Seiler | |
kennen. Mit den beiden gründete er später das Berliner Büro ZRS. | |
Der Aga Khan Award ist bereits die sechste Auszeichnung, die Roswag für | |
eines seiner Lehmprojekte bekommen hat. Eins davon hat er ganz in der Nähe | |
in Brandenburg realisiert. Aber seine Kunden findet er auf der ganzen Welt. | |
Vor drei Tagen ist er aus Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, | |
zurückgekehrt und muss in wenigen Stunden in den nächsten Flieger nach Abu | |
Dhabi steigen. Dort wartet in der Wüste das aktuelle Bauprojekt auf ihn. | |
Natürlich wird auch dort wieder Lehm zum Einsatz kommen. | |
"Ich sitze eben gern im Dreck", erklärt Roswag seine Vorliebe für den | |
erdigen Stoff. Bei all seinen Projekten legt er selbst Hand an, anstatt in | |
Anzug und Krawatte neben der Baustelle zu stehen. Seine Tischlerlehre, die | |
er vor 15 Jahren absolvierte, hat nicht unwesentlich zu dieser Einstellung | |
beigetragen. "Man kann solche Projekte nicht machen, wenn man kein | |
Handwerker ist", sagt er. Und den sieht man ihm an, so drahtig und braun | |
gebrannt, wie er einem gegenübersitzt. | |
Die Schule in Bangladesch war für Roswag mehr als ein Einsatzort für seine | |
handwerklichen Fähigkeiten. "Da hing mein Herz dran", betont der Architekt. | |
Es sei ein unheimliches Glück gewesen, diese Erfahrung gemacht zu haben. | |
Denn dort habe er Menschen kennen gelernt, die viel selbstverständlicher | |
mit auftretenden Problemen umgingen. "Tatsächlich ist in der gesamten | |
Bauzeit nicht einmal das Wort 'Problem' gefallen", sagt er. Das Team | |
errichtete das zweigeschossige Gebäude 2005 innerhalb von vier Monaten. | |
Beim Bau orientierte sich Roswag auch am Bildungskonzept der Schule, das | |
ähnlich der Montessori-Pädagogik die Kinder in ihrer eigenen Entwicklung | |
unterstützen soll. "Meti-School" wird die Schule daher genannt - Modern | |
Educational Training Institute. Mit "Rückzugshöhlen" und einem luftigen | |
Obergeschoss aus Bambus "ist die Schule eigentlich das gebaute Konzept von | |
Meti", erklärt Eike Roswag. Das Lehmgebäude stelle somit obendrein ein | |
Stück Friedensarbeit dar. | |
Die prominente Auszeichnung kam für Roswag völlig unverhofft. Schon weil es | |
sich ja um alles andere als ein "Business-Projekt" gehandelt habe. Die | |
Baukosten betrugen gerade mal 20.000 Euro. "Verdient haben wir dabei | |
nichts, außer dem Preisgeld, das wir untereinander aufgeteilt haben. Das | |
können wir natürlich trotzdem gut gebrauchen", lacht er, und kleine | |
Grübchen bilden sich um seine Mundwinkel. | |
Neben Lehmbau hat er sich auf Forschung und Energieberatung spezialisiert. | |
Mit diesen Fachkenntnissen will er künftig noch einiges in der Bauwelt | |
umkrempeln. Ganz nach dem Motto seines 83-jährigen Vaters: "Das können wir | |
noch machen, wir sind doch noch jung!" | |
12 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Jenny Bohse | |
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