# taz.de -- Anti-Atom-Demos im Norden: Zu Wasser und zu Lande | |
> Zu den Anti-Atom-Demonstrationen an den AKWs in Esenshamm, Grohnde und | |
> Brunsbüttel kommen am Ostermontag mehr Menschen als erwartet. Der Protest | |
> ist bunt, friedlich und generationsübergreifend. | |
Bild: Gewaltiges Kraftwerk, gewaltiger Protest: Demonstranten vor dem AKW Grohn… | |
ESENSHAMM/GROHNDE/BRUNSBÜTTEL taz | Am Fähranleger von Kleinensiel an der | |
Unterweser ist Aufbruch angesagt. Ostermontag, kurz vor halb drei: Ein | |
Schwarm von gut 60 Kajaks und Kanadiern löst sich vom schlickigen Ufer, die | |
Paddel stechen in die Weser. | |
Es geht flussaufwärts, ein paar hundert Meter, dorthin, wo schon die | |
Segelboote warten und die Kutter. Drei Schiffe aus Bremen bringen gut 600 | |
Demonstranten, und die Hansekogge, jener hölzerne Traditions-Nachbau, ist | |
auch gekommen. An ihren Rahen bläht sich ein Stopp-Atomkraft-Banner. | |
Jörg Wöhler steht unten am Wasser, die rote Schirmmütze von Buttons | |
übersät, er hat die Schiffe empfangen, die die Umzingelung des AKW | |
Esenshamm auf der Wasserseite schließen werden, und er bildet zugleich den | |
Endpunkt der Menschenkette, die das AKW auf der Landseite einkesseln wird. | |
Wöhler ist Mitglied der Aktion Z, der örtlichen Bürgerinitiative. "Es hat | |
noch nie mehr als 1.000 Leute auf einer Demo hier gegeben", sagt Wöhler. | |
Seit 33 Jahren nicht. | |
Hinrich Brader ist einer, der schon gegen den Bau des Meilers auf die | |
Straße gegangen ist. "Es gab damals nur einzelne, die das problematisch | |
gesehen haben", sagt er. Heute führt sein Trecker einen Demonstrationszug | |
an, der sich kilometerlang um das AKW Esenshamm schlingt, ein Meer von | |
Anti-Atom-Fahnen, Buttons und Transparenten. Selbst aus Minidörfern sind | |
ganze Busse voller Demonstranten angereist. | |
Unter der knisternden Hochspannungsleitung sorgt eine Blaskapelle für | |
Stimmung, im Strommast selbst haben Kletterer ein "Atomkraft | |
abschalten!"-Banner gehisst. Ein wenig weiter singt ein Straßenchor zum | |
x-ten mal sein "Keiner schiebt uns weg". Der Vorsänger ist schon etwas | |
heiser. 6.000 Menschen zählen die Veranstalter. Ihre Hoffnung ist, dass der | |
33 Jahre alte Reaktor, der seit Mitte März stillliegt, nie wieder ans Netz | |
geht. | |
Rund 250 Kilometer weiter südlich ist Annette Scheland unterwegs zum | |
Atomkraftwerk Grohnde. Den Ausschlag zu kommen, hätten für sie die | |
Fernsehbilder am Ostersamstag gegeben: Zu sehen waren Kühe und Schweine, | |
die ungefüttert und ungemolken in der Sperrzone von Fukushima umherirrten. | |
Da stand für die 30-Jährige fest, dass sie erstmals in ihrem Leben an einer | |
Demonstration teilnehmen würde. Zusammen mit der Verwaltungsangestellten | |
haben sich am Montag mehr als 10.000 Menschen zum Protest am AKW Grohnde | |
versammelt. | |
Rund 70 geschmückte Traktoren stehen dicht an dicht auf der schmalen | |
Zufahrtsstraße die vom Dorf Kirchohsen zum AKW-Gelände führt. Auf dem Fluss | |
schippern Kanus vorbei. Die Boote haben Anti-Atom-Fahnen gehisst. Auf einem | |
Kanadier ist ein großes Transparent aufgespannt: "Grohnde abschalten" steht | |
darauf. Aus den beiden mächtigen Türmen des AKWs steigt weißer Dampf. | |
Es ist die erste große Demonstration in Grohnde seit Jahrzehnten. Am 19. | |
März 1977 versuchten 20.000 Atomkraftgegner das Gelände des in Bau | |
befindlichen AKWs zu stürmen. "Es war damals wie ein Bürgerkrieg", erinnert | |
sich Andreas Schormann. | |
"AKW-Gegner und Beamte haben aufeinander eingeschlagen, Wasserwerfer waren | |
im Einsatz, die Luft war voller Tränengas." Der grauhaarige Mittfünfziger | |
war damals mitten im Getümmel dabei. Am Montag demonstrierte er mit seiner | |
Nichte an der Hand erneut für die Abschaltung des Atomkraftwerks. | |
Die Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Brunsbüttel begannen am Montag | |
in der Wilstermarsch und in Dithmarschen programmatisch um fünf Minuten vor | |
zwölf. Am Störsperrwerk unterstützten 25 Segler den Atom-Protest von der | |
Elbe aus. | |
Danach machten sich die Atomkraftgegner in Bus- und Fahrradkonvois sowie | |
einem Biker-Korso auf den Weg nach Brunsbüttel, wo sich mittags knapp 6.000 | |
Atomkraftgegner zu einer Kundgebung zu Wasser und zu Land in unmittelbar | |
Nähe des derzeit abgeschalten Vattenfall-Siedewasserreaktors versammelten. | |
Die Menschen nahmen das Motto "Atomkraft einpacken" wörtlich: Entlang des | |
mehrere hundert Meter langen Zauns des AKW wurden Transparente und | |
Protestkarten angebracht. Zeitgleich forderte Hamburgs amtierender Bischof | |
Jürgen Bollmann die "Ewiggestrigen" in der Politik auf, den "Tanz auf dem | |
Vulkan" zu beenden: "Es ist alles zu unterlassen, weitere Opfer des | |
Restrisikos in Kauf zu nehmen." | |
25 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
R. Paul | |
A. Simon | |
K. von Appen | |
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