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# taz.de -- "Anonyma" im ZDF: Ganz Berlin ein Bordell
> Ein düsteres Kapitel des Zweiten Weltkriegs: "Anonyma - Eine Frau in
> Berlin" erzählt von den Vergewaltigungen deutscher Frauen durch russische
> Soldaten (Montag 20.15 Uhr, ZDF).
Bild: Anonyma (Nina Hoss) wird bei dem russischen Major Andrej (Evgeny Sidikhin…
"Ich bin kein Land. Bei mir gibt es nichts zu erobern, nichts zu vermessen.
Ich bin eine Frau." Die Worte von Anonyma, gespielt von Nina Hoss,
gerichtet an den um ihre Zuneigung bittenden Major Rybkin, fassen das
Wesentliche des Films "Anonyma - Eine Frau in Berlin" zusammen, den das ZDF
am Montag und am Mittwoch als Zweiteiler zeigt.
Das Thema des Dramas ist heikel: Es geht um die Massenvergewaltigungen
durch die Soldaten der Roten Armee im eroberten Berlin in den letzten
Kriegstagen und -wochen. Die namenlose von Hoss verkörperte Hauptfigur, als
Russisch sprechende Journalistin geeignet zum Vermitteln, umsorgt und
organisiert den Alltag der Bewohnerinnen ihres Hauses in der zerbombten
Hauptstadt - erzählt nach einer wahren Geschichte.
Es kommt zu ersten Übergriffen, die schließlich zur Regel werden. "Ganz
Berlin ist ein Bordell" ist ein Satz, der öfter fällt. Die Frauen fragen
einander nach einigen Tagen im Luftschutzkeller nur noch lakonisch: "Wie
oft?" Regisseur Max Färberböck verzichtet auf eine allzu harte Darstellung.
Es reicht eine auf dem Nachttisch platzierte Dose Vaseline oder eine hastig
zugeschlagene Tür, um das Offensichtliche anzudeuten.
Im Mittelpunkt der Handlung steht eine Dreierbeziehung zwischen der
weiblichen Protagonistin und zwei russischen Offizieren, dem die Einheit
kommandierenden, eher kühl agierenden Major Rybkin und dem
forsch-fröhlichen Anatol, den "Anonyma" ihren "Zigeuner" nennt. Beide sind
von der mutig auftretenden Frau fasziniert. Man kann schließlich eine sich
ankündigende Liebesgeschichte zwischen dem Batallionskommandeur und der
Journalistin erahnen.
Die schauspielerische Leistung der Darsteller, allen voran Nina Hoss und
Evgeny Sidikhin, der den musisch begabten Kommandeur gibt und bis dahin nur
im russischen Kino präsent war, ist durchaus ansprechend. Die inneren
Konflikte der Hauptdarsteller zwischen Pflichterfüllung und körperlicher
Anziehung werden deutlich. Neben der Haupthandlung verbinden sich kleinere
Geschichten zu einem für die zynische Komik innerhalb des Films wichtigen
Kriterium. Beispielsweise beschwert sich die auch im halbzerstörten Haus
lebende, leicht schrullige Apothekerwitwe öfter, dass ihr "Mahagonitisch"
bei allerlei nächtlichen Saufgelagen der Soldaten zu arg in Mitleidenschaft
gezogen wird. Generell gilt: Nicht kraftvolle Bilder, sondern
ästhetisch-erzählerische Tendenzen stehen im Vordergrund.
Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass als Stoff die autobiografischen
Aufzeichnungen von Marta Hillers zugrunde liegen. Hillers selbst hatte von
April bis Juni 1945 das ihr persönlich Widerfahrene aufgeschrieben.
Veröffentlicht wurden ihre Erlebnisse allerdings erst in den Fünfzigern.
2003 kam es zur Neuveröffentlichung, die prompt zum Bestseller avancierte.
9 May 2010
## AUTOREN
Jan Scheper
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