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# taz.de -- Als der Fußball fast Rugby geworden wäre
> Historischer Countdown zur Fußball-EM (Teil 4): Die Wiege des modernen
> Soccer waren die englischen Eliteschulen
Spätestens seit der letzten Europameisterschaft 1996 ist bekannt, dass
England das Mutterland des Fußballs ist. Diese Behauptung ist richtig und
falsch zugleich. Falsch ist sie, weil während des Mittelalters Fußball in
ganz Europa gespielt wurde; richtig ist sie, weil in England Regeln
entwickelt wurden, die noch bei der EM 2000 in Holland und Belgien das
Spiel bestimmen werden.
Die Wiege modernen Fußballs sind die englischen Eliteschulen. Um die Söhne
aus gutem Haus zu disziplinieren, ließen die Lehrer in Rugby oder Eton
Fußball spielen. Der Mannschaftsgeist sollte gestärkt, die Rauflust
verringert werden. Das Spiel wurde dadurch in der „upper class“ so populär,
dass 1846 Studenten in Cambridge erste Fußballregeln aufstellten, die zwei
Tore vorschrieben, die Mannschaftsgröße auf 15 bis 20 Spieler festlegten
und eine Stunde als Spielzeit bestimmten. Die Gründung des ersten Vereins
der Welt folgte elf Jahre später in Sheffield. Der Siegeslauf des Fußballs
begann am 26. Oktober 1863, als sich Vertreter von Schulen und Vereinen in
der Freemason’s Tavern in London trafen, die „Football Association“ (FA)
als weltweit ersten Nationalverband gründeten und die Regeln von 1846 als
verbindlich anerkannten.
Zwei Fragen, über die dabei keine Einigung erzielt werden konnte,
beeinflussten die spätere Entwicklung maßgeblich: Durfte der Ball nur mit
dem Fuß oder auch mit der Hand gespielt werden? Sollte er rund oder oval
sein? Der Streit eskalierte 1871, nachdem sich die FA für das runde Leder
und gegen das Handspiel entschieden hatte. Die Gegner dieser Wahl gründeten
den Rugby-Verband. Die „Association“ wurde nun namensgebend für das Spiel,
den „soccer“.
Bis zur Gründung des ersten deutschen Fußballklubs in Hannover 1878 hatte
der Sport in England moderne Konturen gewonnen. Seit 1866 spielte man mit
Eckball und Freistoß, 1870 wurde die Spielerzahl auf elf begrenzt, 1875
ersetzte man das Stoffband zwischen den Torpfosten durch eine Querlatte,
1877 führte man den Platzverweis ein, und ein Jahr später wurde das
Abendspiel durch Flutlicht möglich, die Pfeife zum Symbol für den
Schiedsrichter. Die verfeinerte britische Spielart wurde zum
Exportschlager. Klubnamen wie „Young Boys Bern“, „Internazionale Milano“
oder „Stuttgarter Kickers“ gehen auf Gründungen nach englischem Vorbild
zurück.
Verhängnisvoll für den Soccer als Breitensport wurde seine frühe
Kommerzialisierung. Nachdem der Fußball längst Massensport und durch
Fanartikel und zahlende Zuschauer zum lukrativen Geschäft geworden war,
entstand in England in den 1880er Jahren der bezahlte Profisport. Anders
als in Deutschland, wo der DFB als zentraler Dachverband alle registrierten
Ligen organisiert, spaltete sich dort 1888/89 die „Football League“ von den
Amateuren der FA ab. Breite Nachwuchsförderung wurde damit zur Ehrensache.
Durch die zeitliche Verzögerung konnte der deutsche Fußball zwar von den
englischen Errungenschaften profitieren, durchlief aber eine ähnliche
Entwicklung. Der DFB wurde ebenfalls im Wirtshaus gegründet, und zwar auch
von Sportlehrern, die sich gleichfalls auf ein älteres Regelwerk beriefen,
das Konrad Koch 1874 aufgestellt hatte. Auf der Liste der Vergleiche fehlt
noch die Trennung der Profis von den Amateuren. Aber die hat Uli Hoeneß in
Form von Eigenvermarktung und Europaliga in fester Planung. STEFAN JORDAN
Morgen: Kicken 2000 – Ballorientierte Gegnerdeckung und Golden Goal
9 Jun 2000
## AUTOREN
STEFAN JORDAN
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