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# taz.de -- Abschiebung auf normalem Postweg
> Behörden schicken 26-Jährige und ihren Sohn zurück nach Bosnien. Atteste
> und Asylantrag finden keine Beachtung
Schnellere Bearbeitung von Bleiberechtsanträgen bosnischer
Kriegsflüchtlinge versprachen Berliner Behörden vor wenigen Wochen. Beim
Abschieben von Moniba J. war das Landeseinwohneramt (LEA) besonders
schnell. Die 26-Jährige und ihr dreijähriger Sohn wurden am Abend des 11.
Juli in Abschiebehaft genommen und am Morgen darauf abgeschoben, trotz
laufenden Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG), trotz eines
Asylantrags und trotz ärztlich attestierter Traumatisierung.
1992 war Monibas Familie aus ihrem Heimatort Zvornik geflohen. Srebrenica
war eine Station der Odyssee, die sie Ende 1994 schließlich über Kroatien
nach Deutschland führte. Wie viele Kriegsflüchtlinge leidet auch Moniba
unter dem so genannten posttraumatischen Belastungssyndrom. „Eine
verzögerte Reaktion auf lebensgefährliche Situationen“, erklärt die
Psychologin Irena Petzoldowa, die beim DRK mit Trauma-Opfern arbeitet.
Die besondere Situation der Flüchtlinge hatte im Jahr 2000 auch ein
Beschluss der Innenministerkonferenz anerkannt. Demnach sollen
traumatisierte Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina schneller und einfacher
eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Noch jahrelang fühlen sich die
Betroffenen in der erlebten Extremsituation. „Befinden wir uns in
Lebensgefahr, blockiert das Gehirn verschiedene Bereiche, später erinnern
wir uns nur an Fragmente“, weiß Petzoldowa. Zeitabläufe des Erlebten seien
darum oft nicht eindeutig rekonstruierbar.
Genau das wurde für Moniba, die wegen des Syndroms mehrfach in
psychologischer Behandlung war, zum Problem. Eine Aufenthaltsgenehmigung
wurde im Januar vom LEA abgelehnt. Begründung: Widersprüche in Monibas
Fluchtgeschichte. „Reiner böser Wille der Ausländerbehörde, auf das
ärztliche Attest sind die gar nicht eingegangen“, sagt ihr Anwalt Wolfgang
Puder. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht bleib erfolglos. Anfang Juni
lief Monibas Duldung aus, am 4. Juli sollte sie das Land verlassen. Eine
Verlängerung der Duldung wurde abgelehnt. Diese Nachricht flatterte Puder
am 5. Juli ins Haus. Am Tag darauf erhielt das OVG seine Beschwerde.
Normalerweise hat das Gericht im Fall einer drohenden Abschiebung
schnellstmöglich das LEA zu benachrichtigen. Das Gericht spricht vom
Versäumnis des Anwalts, der habe die Dringlichkeit nicht vermerkt.
OVG-Sprecher Wolf-Dietrich Wahle: „Hätten wir gewusst, dass eine
Abschiebung unmittelbar bevorsteht, hätten wir nicht den normalen Postweg
gewählt.“ Für Moniba kam der am 12. Juli vom OVG verschickte Brief zu spät.
Am selben Tag wurde sie abgeschoben. Und das, obwohl Moniba in der
Abschiebehaft Asyl beantragt haben soll. Anwalt Puder bestätigt das. Er
selbst wollte am Morgen des 12. Juli Moniba im LKA treffen. Dort sagte man
ihm, sie sei gerade zum Flughafen Tegel gebracht worden. Dort hieß es,
seine Mandantin sei wieder auf dem Weg zum LKA. Schließlich liege ein
Asylantrag vor. Wieder beim LKA, erfuhr Puder, dass Moniba schon im
Flugzeug saß. Nach Sarajevo.
„Ich hab gesagt, ich hätte gerne einen Zettel und etwas zum Schreiben“,
berichtet Moniba später telefonisch dem SFB über das, was in der Zelle
geschah. „Ich hab geschrieben, ich hätte gerne einen Antrag auf Asyl, und
hab unterschrieben.“
Der Ausländerbehörde war das nicht genug. „Man muss schon klar machen, dass
man Angst vor politischer Verfolgung hat“, stellt man dort fest. „Asyl
sagen oder schreiben reicht nicht aus.“ Zum Einzelfall will sich die
Behörde nicht äußern. Zur abgelehnten Aufenthaltsgenehmigung heißt es nur,
das sei vom Gericht bestätigt. „Es muss bewiesen werden, dass die
Traumatisierung eine Folge des Krieges ist.“ Dass Moniba in Kriegszeiten
geflüchtet ist, reiche nicht als Beleg. „Dann würden ja alle
Bosnien-Flüchtlinge traumatisiert sein.“ ANETT KELLER
19 Jul 2002
## AUTOREN
ANETT KELLER
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