| # taz.de -- 68er-Aktivist über "Bild"-Umzug: "Sollen Sie kommen!" | |
| > Peter Schneider war einer der Aktivisten gegen Springer 1967/68 in | |
| > Berlin. Morgen zieht "Bild" von Hamburg nach Berlin - und Schneider sagt: | |
| > "Willkommen - im Streit!" | |
| Bild: Sie kommen: Kletterer befestigen das Logo der Bildzeitung an der Fassade … | |
| taz: Herr Schneider, Bild zieht von Hamburg nach Berlin. Morgen ist die | |
| erste Redaktionskonferenz. Was sagt man dazu? | |
| Peter Schneider: Ich sage nur: willkommen. Willkommen im Streit! Sollen sie | |
| doch kommen. Hoffentlich bringen sie Geld mit, das kann Berlin gut | |
| gebrauchen. | |
| Vor 40 Jahren kämpften Sie in Berlin mit dem SDS gegen den | |
| Springer-Konzern. Haben Sie Ihren Frieden gemacht? | |
| Von der schieren Marktmacht und dem Stil von Bild geht nach wie vor eine | |
| Gefahr aus. Nach wie vor schürt Bild Neid, nach wie vor stellt Bild | |
| Menschen an den Pranger. Es ist nicht wahr, dass Bild die Leser dumm macht. | |
| Es macht sie ohnmächtig und mobilisiert sie für Dinge, die unter Umständen | |
| gar nicht in ihrem Interesse liegen - zum Beispiel für die Erhaltung des | |
| Flughafens Tempelhof. Ich erlaube mir, in dieser Sache keine Meinung zu | |
| haben. Ich frage nur, wie viele und welche Bild-Leser eigentlich den | |
| Flughafen Tempelhof benutzen. | |
| Was hat sich geändert? | |
| Wir - die Rebellen von damals und die Gesellschaft von damals. Auch Bild | |
| hat sich geändert. Bild ist mittlerweile zum Beispiel eher | |
| ausländerfreundlich. Aber Bild kann nicht einen Tag ohne Feinde leben. Die | |
| neuen Feinde sind Sozialschnorrer, die von ihren Hartz-IV-Bezügen Urlaub in | |
| Mallorca machen, oder Mütter, die ihre Kinder vernachlässigen. | |
| In Ihrem Buch "Rebellion und Wahn. Mein 68" zitieren Sie den ehemaligen | |
| Bild-Chef Peter Boenisch mit den Worten, die Auseinandersetzung damals sei | |
| "von beiden Seiten hasserfüllt" gewesen. Stimmen Sie zu? | |
| Ja. Der Unterschied ist nur, dass viele von den 68ern sich inzwischen mit | |
| ihren Entgleisungen von damals auseinandergesetzt haben. Von den | |
| Meinungstätern im Springer-Konzern ist - außer dem zwischen den Zähnen | |
| hervorgepressten Zugeständnis von Peter Boenisch - kein Wort gekommen. Bild | |
| hat uns Studenten als "Rote SA-Horden" bezeichnet und eine Hatz-und | |
| Lynchstimmung in Berlin erzeugt, die einen jungen Mann, der Dutschke | |
| ähnlich sah, fast das Leben gekostet hätte. Dass nach einer Veranstaltung | |
| zur Vorbereitung des Springer-Tribunals Steine gegen Morgenpost-Filialen | |
| flogen, war idiotisch und kontraproduktiv. Aber mindestens ebenso dumm und | |
| unverantwortlich war, dass die Springer-Presse diese Aktion mit der | |
| Kristallnacht von 1938 verglich und sich die Rolle der verfolgten Juden | |
| anmaßte. | |
| Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke erklärten Sie und Ihre Kollegen Bild | |
| für schuldig. Wie stehen Sie heute dazu? | |
| Sicher ist, dass Josef Bachmann (der Attentäter, d. Red.) in Bild über | |
| Dutschke gelesen hatte. Die Zuschreibung Axel Cäsar Springer = Mörder ist | |
| natürlich nicht zu halten. Man konnte und kann die Springer-Presse aber | |
| durchaus für die aufgeheizte Stimmung gegen Dutschke verantwortlich machen. | |
| Lesen Sie Bild? | |
| In einem Stehimbiss, in dem ich manchmal Suppe esse. Bei den Ärzten, zu | |
| denen ich gehe, wird Bild nicht geführt. Auch nicht bei meinem Friseur. | |
| Und? | |
| Wenn man seine politischen Leidenschaften beiseite lässt, kann Bild | |
| unterhaltsam sein. | |
| Das Bild-kritische Weblog Bildblog.de wurde unter anderem gegründet, weil | |
| über Bild heute zu viel gelacht werde. Darf man über Bild lachen? | |
| Natürlich darf man über Bild lachen. Die Schlagzeile "Wir sind Papst!" war | |
| doch genial. Und natürlich darf und soll man Bild bekämpfen und Bildblog.de | |
| unterstützen. Das ist das zivilisatorische Minimum. | |
| 19 Mar 2008 | |
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