# taz.de -- 45 Tote bei Anschlagsserie in Indien: Glaubenskrieger bekennen sich | |
> Bei einer Serie von Bombenanschlägen im Bundesstaat Gujarat sind 45 | |
> Menschen gestorben. Die Attentate richten sich gegen die Hochburgen der | |
> Hindunationalisten in Indien. | |
Bild: Anschläge mit politischer Note: zerstörter Bus in Ahmedabad | |
Nach den tödlichen Anschlägen vom Samstag ist die Lage in der | |
nordwestindischen Stadt Ahmedabad angespannt. Armeeeinheiten rückten in das | |
Wirtschaftszentrum des Bundesstaates Gujarat ein und patrouillieren in den | |
Straßen, um Zusammenstöße zwischen Hindus und Muslimen zu verhindern. Alle | |
Bundesstaaten, in denen die hindunationalistische "Indische Volkspartei" | |
(BJP) regiert, wurden unter erhöhte Alarmbereitschaft gestellt. | |
Denn die Anschläge von Ahmedabad tragen eine klare politische Note: Sie | |
trafen das Zentrum des Hindunationalismus in seinen Hochburgen. Gleich die | |
erste Bombe detonierte in Ahmedabads Stadtteil Maninagar, dem Wahlkreis von | |
Ministerpräsident Narendra Modi. Auch im Wahlkreis des | |
BJP-Parlamentspräsidenten der Landesversammlung von Gujarat explodierte ein | |
Sprengsatz. | |
Auch eine Bombenserie in der südindischen Hightech-Metropole Bangalore vom | |
Freitag, bei der zwei Menschen starben, traf einen Bundesstaat, in dem die | |
Hindunationalisten das Sagen haben: Karnataka, in dem Bangalore liegt, ist | |
der einzige südindische Bundesstaat mit einer BJP-Regierung. | |
Die bislang nahezu unbekannten "Indischen Mudschahedin" bekannte sich | |
wenigen Minuten vor den tötlichen Explosionen in E-Mails zu den Anschlägen | |
von Ahmedabad. In dem Schreiben erklärte sich die Gruppe auch | |
verantwortlich für die Anschläge in der Touristenmetropole Jaipur im | |
zurückliegenden Mai. | |
Die Zahl der Todesopfer stieg am Sonntag auf 45, mindestens 160 Menschen | |
wurden durch die 17 Sprengsätze verletzt. Die meisten Menschen starben, als | |
nach den ersten Explosionen eine Autobombe vor einem nahe gelegenen | |
Krankenhaus explodierte. Dort hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, | |
deren Freunde und Angehörige von den ersten Bomben verletzt worden waren. | |
15 bis 20 Menschen kamen dabei ums Leben. Fernsehaufnahmen zeigten Bilder | |
von Verletzten und Toten, die Wunden am ganzen Körper hatten: Denn alle | |
Sprengsätze waren mit Muttern um Schrauben gespickt, um besonders schwere | |
Verletzungen zu verursachen. | |
Die Polizei hatte bis zum Sonntagabend keine Spur - wie meist nach den | |
zahlreichen Anschlägen in Indien. Doch wie immer deuteten etliche Finger | |
auf Indiens Nachbarn Pakistan: Medien spekulierten, der pakistanische | |
Geheimdienst ISI und die Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) steckten hinter | |
der Tat. Die LeT, die vermutlich vom pakistanischen Teil Kaschmirs aus | |
operiert, hatte die beiden Atommächte Indien und Pakistan Ende 2001 mit | |
einem Angriff auf das indische Parlament an den Rand eines Kriegs gebracht. | |
Daher beeilte sich Pakistan zu einer Stellungnahme. Premier Yusuf Raza | |
Gillani verurteilte die "terroristische Gewalt (..) auf das Schärfste." | |
Gujarats Ministerpräsident Narendra Modi bezeichnete die Attentäter als | |
"Feinde der Menschheit." Seine Regierung sprach angesichts der hohen Zahl | |
von Sprengsätzen davon, dass "Einheimische" die Täter unterstützt haben | |
müssen. Damit nährte sie die Furcht vor erneuten Pogromen gegen die | |
muslimische Minderheit des Bundesstaates durch Modis Anhänger. | |
Bei den Anschlägen handelt es sich um späte Racheakte wegen | |
antimuslimischer Ausschreitungen aus dem Jahr 2002. Damals hatten Anführer | |
des militanten "Welthindurates" (VHP) und der bereits damals regierenden | |
BJP regelrechte Mobs organisiert, die tagelang in muslimischen Vierteln in | |
Ahmedabad wüteten, ohne dass die Polizei sie daran hinderte. Erst ein | |
Eingreifen von Einheiten der Armee konnte das Morden beenden. | |
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Fanatiker geschätzt mehr als 3000 Menschen | |
getötet, ländliche Gegenden des Bundesstaats ethnisch gesäubert, etliche | |
Frauen vergewaltigt und Geschäfte von Muslimen geplündert und in Brand | |
gesteckt. Der Welthindurat erklärte daraufhin weite Landstriche Gujarats zu | |
"von Muslimen befreiten Zonen." | |
Die meisten der Täter von damals sind weiterhin auf freiem Fuß. Eine | |
juristische Aufarbeitung der Morde gestaltet sich in Gujarat selbst äußerst | |
schwierig. Nur vor Sondergerichten außerhalb des Bundesstaates konnten | |
bislang einige wenige Täter verurteilt werden. | |
Ministerpräsident Narendra Modi hingegen wurde Ende des vergangenen Jahres | |
von der Hindu-Mehrheitsgesellschaft seines Bundesstaates erneut zum Premier | |
gewählt. | |
Dabei soll er Augenzeugen zufolge 2002 selbst zu den Pogromen aufgerufen | |
haben. | |
28 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Sascha Zastiral | |
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