# taz.de -- 20 Jahre "Conne Island": Paradies mit Putzdienst | |
> Das Leipziger "Conne Island", das renommierteste selbst verwaltete | |
> Kulturzentrum im Osten, feiert sein 20-jähriges Bestehen. Die Macher sind | |
> mit ihren Aufgaben gewachsen. | |
Bild: Blick in den Hof von "Conne Island" 1994. Die Menge wartet auf den Einlas… | |
Thomas Ebermann erscheint viel zu früh. Lange vor seinem Auftritt sitzt der | |
Hamburger vor dem "Conne Island" in der Sonne, schaut sich die Besucher an | |
und denkt, das ist hier ein idealer Ort, um jungen Menschen zu ermöglichen, | |
"gegen die Realität" zu leben. So schreibt er in dem Reader "Conne Island | |
20 YRS - Noch lange nicht Geschichte", der rechtzeitig zum 20. Jubiläum des | |
Leipziger Kulturzentrums erscheint. Darin finden sich auch Texte über | |
Feminismus, Techno, die Krise der Musikindustrie, Subkulturen, all jene | |
Themen, die im Conne Island, dem renommiertesten alternativen Kulturzentrum | |
in Deutschlands Osten, eine Rolle spielen. | |
Das Conne Island heißt im Volksmund auch Eiskeller, benannt nach der | |
Funktion, die das Gebäude ausübte, bevor es Kühlschränke gab. Ende des 19. | |
Jahrhunderts wurde es Ausflugslokal, ab 1937 Treffpunkt der Hitlerjugend. | |
Zu DDR-Zeiten als "Klubhaus Erich Zeigner" ein Veranstaltungsort der FDJ. | |
Heute dient das "Conne Island" als Konzertbühne, Club, Biergarten, | |
Freiluftkino, Bibliothek und Infoladen, Übungsplatz für Skater und | |
Tischtennisspieler. | |
Und Ort für politische Gruppen. "Wir waren schon immer ein linker Laden", | |
sagt Katharina Hamann, die unter anderem für Projektbewilligung zuständig | |
ist. Alles andere ist Verhandlungssache. Wie hoch die Eintrittspreise sind, | |
welche Bands spielen dürfen, wer das Klo putzt - darüber entscheidet ein | |
wöchentliches Plenum, immer montags um 18 Uhr, seit 20 Jahren. "Wir fällen | |
Konsens-, keine Mehrheitsentscheidungen", fügt Kay Gräfrath an. "Da kann | |
eine Diskussion schon mal ein halbes Jahr dauern." | |
Gräfrath, den alle nur Grape nennen, wie die Frucht, ist Mann der ersten | |
Stunde im Conne Island. Er arbeitete erst als Koch, war später Gastro-Chef | |
und steht auch heute hinterm Tresen. Gräfrath kann sich gut daran erinnern, | |
als im Klubhaus die Kellner noch Getränke an gedeckte Tische brachten und | |
am nächsten Tag Punk-Konzerte stattfanden. Zu Wendezeiten, als die | |
Kulturhäuser der Stadt verkauft werden sollten, schlug eine Gruppe mit dem | |
Namen "Reaktion" so lange Krach im Rathaus, bis ihr das Klubhaus übergeben | |
wurde. "Die Herkulesaufgabe war, den ganzen Ostmief aus dem Haus zu | |
bekommen", erinnert sich Grape. | |
Rein kam stattdessen alles, was vor der Wende nicht sein durfte: Hardcore, | |
HipHop, die ersten Technopartys in Leipzig. Der DIY-Gedanke war nicht | |
entscheidend, man wollte endlich angesagte Bands aus den USA und aus | |
anderen Ländern sehen, jetzt, wo alles möglich war. | |
## Standing Ovation | |
"Leipzig brauchte dringend mehr internationale Kultur, die haben wir uns | |
geholt", erklärt Grape. So ist das bis heute geblieben. Längst genießt das | |
Conne Island auch außerhalb der Stadt einen ausgezeichneten Ruf als | |
Konzertbühne, auf die auch Bands gerne zurückkehren. Nicht nur des veganen | |
Essens wegen, das sogar die sonst strictly fleischfressende Roadcrew der | |
Funpunkband Die Ärzte zur Standing Ovation animierte. | |
Gewandelt seit den Anfängen haben sich vor allem die Preise. Früher gab es | |
die Regel: Kein Konzert teurer als acht Mark. Eine Höchstgrenze gibt es | |
nicht mehr, seitdem Künstler touren müssen, um ihr Album aufnehmen zu | |
können, statt andersrum. "Wir wollen ja auch, dass Menschen vom Musikmachen | |
leben können", meint Hamann. Der Eintritt gehe hauptsächlich für Gagen und | |
Technik drauf. Viele Leipziger arbeiten hier ehrenamtlich, machen etwa den | |
Einlass bei Konzerten ihrer Lieblingsbands. | |
"Wir verstehen uns als Mehrgenerationenprojekt." Einige der Begründer haben | |
selbst Kinder. Ein Blick auf die Halfpipe und es wird klar, Nachwuchssorgen | |
hat das Conne Island keine. Auch die Technonächte werden inzwischen | |
maßgeblich von Jüngeren gestaltet. Zu dem offenen Montagsplenum kommen | |
immer wieder neue Interessierte. | |
Gefeiert wird der 20. Geburtstag auch mit einer Ausstellung des Leipziger | |
Fotografen Thomas Steinert. Er zeigt teils unveröffentlichte Fotos aus den | |
Achtzigern, auf denen etwa Breakdancer in DDR-Trainingsanzügen vor dem | |
Klubhaus Tanzschritte vollführen. Die Betreiber wollen auch mit einigen | |
Mythen aufräumen. | |
Dass das Conne Island ein Treffpunkt der Autonomen sei, zum Beispiel. "Sind | |
wir nie gewesen", meint Hamann. "Wir denken nicht immer darüber nach: | |
Bringt dies oder das jetzt den Antifaschismus voran?" Hedonisten seien | |
schließlich immer willkommen. Aber was ist mit der antideutschen Haltung, | |
aus der heraus keine Fußballspiele der deutschen Nationalmannschaft gezeigt | |
werden? "Das gab einfach immer Ärger, wenn wir die gezeigt haben", erklärt | |
Grape. Und man wolle den Neonationalismus nicht befürworten: Die Berliner | |
Deutschpop-Band Mia. wurde zum Beispiel nach ihrem Song "Was es ist" wieder | |
ausgeladen. Das Pali-Tuch-Verbot? Gilt. "Man kriegt es aber später mit | |
einem Erklärungszettel wieder", so Hamann. "Wir wollen Unwissende, die das | |
aus Modegründen bei H & M kaufen, zum Nachdenken bringen." | |
Die Mitarbeiter kümmern sich auch bei rassistischen oder sexistischen | |
Sprüchen. "Wer blöd angemacht wird, kriegt Hilfe", sagt Grape. | |
Hilfestellung erhalten auch die sogenannten Redskins. "Das ist eine | |
Besonderheit für einen linken Laden, dass hier Skinheads feiern", so Grape. | |
"Man muss kein Nazi sein, um solche Musik zu hören. Und wenn doch welche | |
darunter sind, müssen sie hier unter der Antifa-Fahne zur Musik tanzen." | |
Thomas Ebermann kommt am 22. September übrigens wieder nach Leipzig mit | |
einer szenischen Lesung eines Stücks über einen entführten Papst. Bestimmt | |
wird er viel zu früh anreisen, Indiz dafür, dass er für den Auftrittsort | |
etwas übrig hat. | |
15 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Juliane Streich | |
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