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# taz.de -- Rauchzeichen aus Hollywood
> Die Zukunft der Massenmedien als Vision der Vergangenheit: George Clooney
> zeichnet in „Good Night, and Good Luck“ ein Porträt des frühen Anchor M…
> Edward R. Murrow, das die politische Kultur der USA mit dessen liberaler
> Haltung infizieren will
VON ANDREAS BUSCHE
Das Bild stammt aus einer scheinbar besseren, längst vergangenen Ära des
Fernsehens. Ein Mann sitzt aufrecht auf seinem Stuhl und blickt ernst in
klobige, vorsintflutliche Kameras. Seine Haare sind straff nach hinten
gekämmt, seinen linken Arm hat er leger auf einen Tisch gestützt. Aber die
gespielte Lässigkeit kann nicht über die Steifheit hinwegtäuschen, die sie
zu überspielen versucht; genauso wenig wie die brennende Zigarette in der
linken Hand, die mit einer exaltierten Geste zwischen Zeige- und
Mittelfinger gehalten wird als wäre Rauchen kein Suchtproblem, sondern
lediglich eine Frage der Lebenseinstellung; natürlich ist es das eine wie
das andere. Seine innere Anspannung ist spürbar, aus seinem Mund kommen
starke Worte: „Wir werden nicht in Furcht untereinander wandeln; wir werden
uns nicht zurücktreiben lassen in ein Zeitalter der Unvernunft. Wir mögen
unser Erbe und unsere Herkunft verleugnen, aber wir können uns nicht der
Verantwortung für unser Handeln entziehen. Wir können die Freiheit nicht
außerhalb des Landes verteidigen und sie zu Hause aufgeben.“
Edward R. Murrow hat diese Sätze 1954 im amerikanischen Fernsehen
gesprochen, als Kommentar auf die antikommunistischen Machenschaften von
Senator Joseph McCarthy. Es war eine Sternstunde des Fernsehens, das damals
noch in den Kinderschuhen steckte. Dieser Tage begegnen uns Murrows Worte
nun im Kino wieder, in George Clooneys hochgelobtem „Good Night, and Good
Luck“, von Kritikern gleichfalls als Sternstunde apostrophiert – in diesem
Fall des jüngeren Hollywood-Kinos, das in den vergangenen Jahren kaum
politische Akzente zu setzen vermochte. Keine fixe Idee hat in letzter Zeit
die Fantasie amerikanischer Kritiker mehr beflügelt als die
Wunschvorstellung, dass Hollywood endlich wieder eine politisch motivierte
„Bewegung“ hervorbringen könnte, und kein Film hat diese Sehnsucht so
perfekt bedient wie „Good Night, and Good Luck“.
Im epd film beschrieb Georg Seeßlen kürzlich Hollywoods Metaphern von
Politik und Meta-Politik als Strategien für den Einzelnen im Umgang mit
einer sinnlos gewalttätigen Welt. Mit „Good Night, and Good Luck“ wird
diese Strategie gleich doppelt wirksam; als Würdigung eines Mannes, der die
Freiheit des Individuums rigoros über das staatliche Recht der
Selbstverteidigung stellte und als Kommentar zur Lage der Nation im denkbar
mittelbarsten Format fiktionalisierter Historie: dem Dokudrama. Form und
Funktion kommen in „Good Night, and Good Luck“ auf wundersame Weise
überein. Clooneys Film ist in vielerlei Hinsicht die vollkommenste
Manifestation politischen Unterhaltungskinos; ein lang gehegter Traum in
Hollywoods linksliberaler Kolonie, der es seit Warren Beatty und Robert
Redford auch entschieden an charismatischen Figuren mangelte. Vielerorts
wurde „Good Night, and Good Luck“ gar als eine Art Schlüsselereignis
angesehen: Hollywoods „Linke“ meldete sich nach Jahren selbst verordneter
Unmündigkeit mit einem fulminanten Befreiungsschlag zurück. Für Clooney
wiederum ist „Good Night, and Good Luck“ – außer einer persönlichen
Genugtuung – vor allem ein unerwarteter künstlerischer Triumph.
Clooney hat seine politische Erweckungsfantasie einer ungemein eleganten,
asketischen Ästhetik unterworfen. Die panoptische
Schwarzweiß-Kinematografie Robert Elswits, die rauchigen Jazz-Songs von
Diane Reeves, die immer wieder zwischen den formalen Polen period piece und
message movie vermitteln, wie Clooneys Entscheidung, das historische
Archivmaterial größtenteils für sich sprechen zu lassen, was sich gerade in
der prekären Darstellung McCarthys als Glücksgriff erweist: In all diesen
Feineinstellungen entwickelt „Good Night, and Good Luck“ eine
hochkonzentrierte Arbeitssituation, die einer allgegenwärtigen Hysterie mit
Ernsthaftigkeit und professioneller Integrität entgegenwirkt. Man muss
wahrscheinlich bis zu Sam Fullers „Park Row“ (1952) zurückgehen, um einen
Film zu finden, der mit solchem Nachdruck das journalistische Ethos
hochhält.
In Amerika steht der Name Ed Murrow (im Film gespielt von David Strathairn)
bis heute synonym für dieses Ethos. Während des Zweiten Weltkrieges prägte
Murrows Berichterstattung aus London maßgeblich das Kriegsbild an der
Heimatfront. In den Anfängen des Fernsehens war es dann das von ihm und
Fred Friendly für die CBS produzierte Nachrichtenmagazin „See it Now!“, das
nachhaltigen Einfluss auf die politische Kultur Amerikas ausübte. Für
Murrow, der die Medien als demokratische Lehranstalten mit einer zentralen
gesellschaftlichen Funktion betrachtete, gewann das Fernsehen seine
Legitimation zuallererst über seine Rolle als moralische Instanz. Hierin
ähnelte er John Reith, einem der Gründerväter der BBC, der bereits in den
Zwanziger Jahren die Verantwortlichkeit der aufkommenden Massenmedien vor
allem darin sah, „kontinuierlich zum geistigen und moralischen Wohle des
Gemeinwesens beizutragen.“
Murrow war in seiner politischen Weltanschauung – wie Reith – stark durch
sein religiöses Elternhaus (Murrows Eltern waren Quäker) geprägt, und
Clooney hat gut daran getan, diese protestantische Strenge zum dominanten
formalen Element seines Films zu machen. So entzieht sich „Good Night, and
Good Luck“ letztlich auch den Fallstricken und dramatischen Konventionen
des Biopics. Clooney scheint überzeugt, dass wir diesen Mann nur als
öffentliche Person, nicht als Privatmenschen verstehen können. Dass mit
dieser Position notwendigerweise eine neuerliche Mythologisierung der Figur
Murrows einhergeht, nimmt er dabei billigend in Kauf. Denn gleichzeitig
gelingt ihm auch ein unverstellter Blick auf die zeitlichen und politischen
Zusammenhänge, um die es in „Good Night, and Good Luck“ geht, sowie die
Produktionsbedingungen des frühen „Live“-Fernsehens – einer Ära immerhi…
in der zum Beispiel Konferenzräume noch mit Filmprojektoren ausgestattet
waren.
Indem Clooney das Privatleben insgesamt, also auch das von Murrows Kollegen
(unter anderem Robert Downey Jr., Jeff Daniels, Patricia Clarkson, Ray
Wise) ausblendet, kann „Good Night, and Good Luck“ sich ganz auf die Arbeit
in verqualmten Redaktionsräumen konzentrieren. Dank Elswits präziser
Kameraarbeit wirken diese Räume jedoch nie klaustrophobisch oder verstellt.
Besonders den statischen Redaktionskonferenzen, von Clooney in der Rolle
Fred Friendlys mit lakonischem Witz geleitet, verleiht Elswit mit seinem
dynamischen Spiel von Totalen und Schwenks eine faszinierende Intensität.
Das Set von „Good Night, and Good Luck“ ließ Clooney als eine Anordnung von
halb geöffneten, beziehungsweise teilweise einsehbaren Räumen entwerfen, so
dass der Blick immer auch in die Tiefe geht. Sehr schön nutzt Elswit diese
Raumtiefen im Zusammenhang mit Strathairn, wenn seine Kamera zum Beispiel
zwischen Nah- und Tiefeneinstellung wechselt und wahlweise Strathairns
seitlich von unten angeschnittener Kopf oder sein Monitorimage, das den
Zuschauer direkt adressiert, brennscharf erscheint.
Seine nüchterne Ästhetik, der sakrale Ernst, mit dem der Film sein
moralisches Grundverständnis proklamiert, und die absolute Konzentration
auf einzelne Arbeitsprozesse sind hinsichtlich des politischen Anspruchs,
mit dem „Good Night, and Good Luck“ im letzten Jahr antrat, durchaus
konsequent. Der protestantische Geist, der Murrow umtrieb, lebt in Clooneys
Film formal wie inhaltlich ungebrochen fort. So wie Murrow sein berufliches
Engagement zu Lebzeiten in den Dienst gesellschaftlicher Veränderungen
stellte, will auch „Good Night, and Good Luck“ über das Kino hinaus wirken.
Kulturelle Zeichen wie Nostalgie, aber auch die Sehnsucht nach klassischen
Autoritätsfiguren und liberaler Agitprop haben sich unauflöslich ineinander
verschränkt. Auf der Website [1][www.participate.net] bieten die Macher des
Films unter anderem ein Forum an, in dem User dazu aufgerufen werden,
Nachrichten zu veröffentlichen, die im Rauschen der weitgehend
syndikalisierten amerikanischen Medienlandschaft schlicht untergehen.
„Report it Now!“ heißt die Kampagne. So verwischen mit „Good Night, and
Good Luck“ auch die Grenzen von Mainstream-Unterhaltung, also Broadcast und
dem Grassroots-Aktivismus des Narrowcast.
Das eigentlich Interessante sind an Clooneys Film jedoch nicht so sehr die
offensichtlichen Anspielungen auf die aktuellen politischen Verhältnisse,
sondern wie genau Murrow schon in den fünfziger Jahren die Zukunft der
Massenmedien voraussah: die Zwänge für die Macher, sich einerseits mit den
Forderungen der Sponsoren, andererseits mit den Bedürfnissen der Nutzer zu
arrangieren. Murrows mahnende Worte vor der Radio and Television News
Directors Association (RTNDA) im Jahr 1958, die seine Karriere schwer
beschädigten, bilden eine unheilvolle Klammer um die Kernhandlung von „Good
Night, and Good Luck“. Ihr Wahrheitsgehalt ist frappierend, wenn er im
Epilog eine Gesellschaft heraufbeschwört, die von „einer eingebauten
Allergie gegen unangenehme und verstörende Bilder“ gezeichnet ist und
„sozial abgekapselt, selbstgefällig und apathisch“ vor ihren Fernsehern
dahinvegetiert. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, mit welcher
Eloquenz sich Murrow seinen eigenen Untergang ausmalte.
Doch trotz seiner autoritären Unnahbarkeit bleibt uns Strathairns Murrow
nicht ganz fremd. Auch dieser Murrow hatte eine Schwäche, und sie wird im
Film weidlich ausgekostet: Selten wurde in einem Hollywood-Film exzessiver
geraucht. Mitunter blickt Nichtraucher Strathairn mit einem
Gesichtsausdruck in die Kamera, als leide er unter Sodbrennen. So erzählt
„Good Night, and Good Luck“ tatsächlich von einer längst vergangenen Ära,
als Nachrichtensprecher noch vor der Kamera rauchten – und in der
Werbepause gleich noch Werbung für ihre bevorzugte Marke machen durften.
1965 starb Murrow, wenig überraschend, an Lungenkrebs. Es ist mehr als eine
ironische Schlussnote, dass der Legende nach auf die öffentliche Nachricht
seines Todes wieder Werbung folgte. Natürlich für Zigaretten.
„Good Night, and Good Luck“, Regie: George Clooney. Mit David Strathairn,
Robert Downey Jr., Patricia Clarkson u. a., USA 2005, 93 Min.
5 Apr 2006
## LINKS
[1] http://www.participate.net
## AUTOREN
ANDREAS BUSCHE
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