# taz.de -- Ermordete Gewerkschafter in Kolumbien: Die Nestlé-Fabrik und die M… | |
> Dass Gewerkschafter getötet werden, gehört in Kolumbien fast zum Alltag. | |
> Aber nicht, dass Richter Verbindungen zu einem großen Konzern ziehen. Wie | |
> im Fall Romero. | |
Bild: Die Nestlé-Fabrik in Valledupar. Heute heißt sie DPA, vor den Kündigun… | |
In der Nacht des 10. September 2005 wird der kolumbianische Gewerkschafter | |
Luciano Romero entführt und mit 50 Messerstichen langsam zu Tode gefoltert. | |
Romero hatte in einer Fabrik gearbeitet, die Milchpulver für Nestlé | |
herstellt. | |
Dass Gewerkschafter getötet werden, gehört in Kolumbien fast zum Alltag. | |
Sechzig Prozent der in den vergangenen zehn Jahren weltweit begangenen | |
Morde an organisierten Arbeitern wurden in dem südamerikanischen Land | |
verübt. Seit 1986 hat die 3.600-Mitglieder-Gewerkschaft Sinaltrainal, die | |
Nationale Gewerkschaft der Arbeiter in der Lebensmittelindustrie, mehr als | |
zwanzig ihrer Mitglieder so verloren. Dreizehn von ihnen arbeiteten vorher | |
in einer Nestlé-Fabrik. | |
Der Fall Romero ist ein besonderer: Vier Paramilitärs, die ihn entführten | |
und töteten, wurden in den Jahren 2007 bis 2009 zu Haftstrafen von bis zu | |
vierzig Jahren verurteilt. In einem der Urteile wird der Verdacht geäußert, | |
dass diese vier Schergen den Mord an Luciano Romero unmöglich alleine | |
begangen haben können. Geplant und finanziert hätten sie andere. | |
Der Richter wies deshalb die Staatsanwaltschaft an, „gegen führende Manager | |
von Nestlé-Cicolac zu ermitteln, um ihre wahrscheinliche Beteiligung | |
und/oder Planung und Finanzierung des Mordes am Gewerkschaftsführer Luciano | |
Enrique Romero Molina aufzuklären“. | |
## Verantwortung der fernen Zentralen | |
Die Ermittlungen wurden bis heute zwar nicht ernsthaft aufgenommen. Das | |
European Center for Constitutional and Human Rights hat aber im Frühjahr im | |
Schweizer Kanton Zug, wo Nestlé einen Sitz hat, Strafanzeige gegen den | |
damaligen Konzernchef Peter Brabeck-Letmathe und vier Spitzenmanager | |
eingereicht. | |
Ihnen wird darin vorgeworfen, durch Unterlassen von Schutzmaßnahmen den Tod | |
des Gewerkschafters Luciano Romero mitverursacht zu haben. Das Verfahren | |
soll zu einem Pilotprozess führen, der zeigt, dass auch Konzernchefs in den | |
Zentralen für Menschenrechtsverletzungen ihrer Tochterunternehmen im fernen | |
Ausland zur Rechenschaft gezogen werden können. | |
Anfang 2002. Luciano Romero ist einer von 192 Arbeitern in dem | |
Milchpulverwerk Cicolac in der Stadt Vallepudar im Norden Kolumbiens. Den | |
Arbeitern geht es gut, sie erhalten ordentliche Sozialleistungen. Doch | |
Nestlé will das ändern und den Tarifvertrag kündigen, um Kosten zu sparen. | |
Die Gewerkschaft beschließt zu streiken. | |
Eine gefährliche Entscheidung. Die großen Milchlieferanten der Region sind | |
eng mit den Paramilitärs verbunden. „Alle großen Milchlieferanten von | |
Cicolac finanzierten die Paramilitärs“, sagt der damalige Ortsvorsitzende | |
der Nationalen Gewerkschaft der Arbeiter in der Lebensmittelindustrie | |
Osvaldo Silva. Es gibt Todesdrohungen. Die Gewerkschaft zieht den | |
Streikaufruf zurück. Als Beschäftigte der Milchpulverfabrik eine Kundgebung | |
veranstalten, werden sie von Paramilitärs beobachtet. | |
Nestlé-Cicolac entlässt einige Gewerkschafter, weil sie angeblich die | |
Produktion behindert haben. Später wird der gesamten Belegschaft des Werks | |
gekündigt, fast alle gehen darauf ein und akzeptieren die Abfindungen. | |
## Nestlé weist alle Vorwürfe zurück | |
Doch für Luciano Romero ist die Sache damit noch nicht zu Ende. Er erhält | |
weiter Todesdrohungen und muss nach Spanien in ein Schutzprogramm. Seiner | |
Frau Ledys Mendoza erzählt er erst kurz bevor er dorthin fliegt, wie | |
gefährdet er die ganze Zeit war. Romero soll vor einem internationalen | |
Tribunal, dem Permanenten Tribunal der Völker, gegen Nestlé aussagen. | |
Bevor es dazu kommt, finden Kollegen seine Leiche auf einer Wiese vor der | |
Stadt. | |
„Nestlé weist kategorisch alle Behauptungen zurück, die versuchen, den | |
Konzern mit dem Mord an Luciano Romero in Verbindung zu bringen“, schreibt | |
eine Sprecherin des Konzerns. | |
Warum genau ein kolumbianischer Richter die Verbindungen zwischen dem | |
Konzern und den Morden im Umfeld der Milchpulverfabrik zieht, wie | |
Paramilitärs den Handel mit der Milch prägen und weshalb der | |
Gewerkschaftsführer Luciano Romero vom Geheimdienst überwacht wurde, lesen | |
Sie in der Ganzen Geschichte „Blut und Milch“ in der [1][sonntaz vom 2./3. | |
Juni 2012]. | |
2 Jun 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://bit.ly/gcsTy1 | |
## AUTOREN | |
Toni Keppeler | |
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