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# taz.de -- Ringer-Europameister Frank Stäbler: Das Kampf-Eichhörnchen
> Erstmals seit 18 Jahren gibt es einen deutschen Ringer-Europa-meister,
> der im griechisch-römischen Stil kämpft: Frank Stäbler. Die schwäbische
> Provinz steht deswegen Kopf.
Bild: Einer, der zupacken kann: Ringer Frank Stäbler (rotes Trikot)
MUSBERG taz | Sonntagabend in Belgrad: Der Kampf ist so gut wie verloren.
Fünf Sekunden noch, dann ist die zweite Runde des EM-Halbfinales vorbei.
Der Serbe Aleksandar Maksimovic führt 4:1, 5.000 einheimische Fans in der
Halle toben. Dann kommt er doch noch, der ganz große Moment des Frank
Stäbler. Es ist eine Art Sprung auf den Gegner, blitzschnell, fliegendes
Eichhörnchen genannt.
Ein Griff, ein Wurf – und drei Punkte in allerletzter Sekunde. Schlagartig
ist Ruhe in der Halle, die deutschen Fans jubeln. Stäbler (22) gewinnt
gegen den geschockten Serben dann auch noch die Entscheidungsrunde, zieht
ins Finale ein, in dem er souverän gegen den Rumänen Georgian Carpen siegt.
Fünf Kämpfe, fünf Siege. Der Schwabe ist Europameister.
Montagabend in Musberg: Der Bürgersaal im Stadtteil von
Leinfelden-Echterdingen ist gut gefüllt. Es ist heiß, es gibt Trollinger,
Flaschenbier und Butterbrezeln. Die Fans tragen T-Shirts mit „Franky for
Germany“, manche putzen in der feuchten Luft gerührt ihre Brillen, alle
warten auf ihren Star.
Der kommt, aber auf Umwegen. Flug von Belgrad nach Zürich, dann mit dem
Taxi nach Singen, weil Stäblers Trainer keinen Führerschein dabeihat und
kein Auto mieten kann. In Singen unweit des Bodensees werden sie von einem
Musberger Fan abgeholt. Weitere 160 Kilometer Taxi wären zu teuer gewesen.
Ringen ist Amateursport, auch für einen Europameister.
## Sekt und Blumen für den Azubi
Im Bürgersaal gibt es eine Standing Ovation, Sekt, Blumen und Reden. Und
immer wieder muss der Fachinformatiker-Azubi erklären, wie er das gemacht
hat im Halbfinale. „Im Training probiere ich das 100 Mal, und es klappt
vielleicht einmal“, sagt er. In Belgrad hat er jedenfalls sein Glück
gezwungen, seine erstaunliche Karriere getoppt und das kleine Musberg
entzückt.
Wieder mal. Sein Trainer hat ihm vor dem Halbfinale noch gesagt: „Franky,
es ist Zeit für den Kampf deines Lebens.“ Jetzt wartet Olympia in London.
Der 66-Kilo-Klassikspezialist, der im griechisch-römischen Stil kämpft, hat
bisher als einziger Deutscher einen Startplatz sicher, sein EM-Titel ist
zudem der erste für einen nationalen Ringer seit 18 Jahren. Damals gelang
dies Thomas Zander aus Aalen.
Stäbler bekommt Lob von allen Seiten, man nennt ihn Musberger Löwenherz, er
selbst nimmt den Hype „ein bisschen verschwommen wahr“. Und in Musberg geht
das Staunen weiter, dass es einer aus dem eigenen Ringerkindergarten an die
Spitze der Szene geschafft hat. Vor vier Jahren begann das kleine
Ringerwunder vor den Toren Stuttgarts.
Der TSV rockte mit eigenen Leuten eine Liga nach der anderen, stieg auf bis
in die Bundesliga. Dort verweigerte man sich aus Prinzip (und auch aus
Geldmangel) dem Gesetz der Branche, mit bis zu sechs eingekauften Profis
aus Osteuropa anzutreten. Frank Stäbler widerstand zudem den Lockungen der
Spitzenklubs und holte die Punkte. Musberg stieg nicht ab und Stäbler
weiter auf. WM-Fünfter vor einem Jahr in Istanbul.
## 50 Musberger nach London
Jetzt sieht es freilich anders aus: Der TSV hat seine Mannschaft aus der
Bundesliga abgemeldet. Die anderen Dorfringer neben „Franky“ waren meist
überfordert, obwohl sie sportlich knapp die Klasse gehalten haben. Trainer
Markus Scheibner musste akzeptieren, dass sich die anderen Ringer, die
Böpples oder Brauns, nicht jeden Samstag von Profiringern über die Matte
zerren lassen wollten.
Ein Frank Stäbler allein war zu wenig. Der TSV ringt künftig mit seiner
heimischen Boygroup wieder Oberliga, Frank Stäbler in der Bundesliga für
den ASV Nendingen. Der TSV bleibt aber sein Heimverein, die
Olympiavorbereitung läuft in Musberg. „Hier ist mein Umfeld, hier sind
meine Trainer und meine Trainingspartner“, sagt er. Und auch Jannis
Zamanduridis ist zuversichtlich. „Wenn Frank die Unterstützung aus seinem
Umfeld hat, ist er in der Lage, Großes zu erreichen“, lobt der
Bundestrainer.“
Das Große, das soll am 7. August passieren, in London bei Olympia. 50
Musberger haben schon Flüge und Hotels gebucht. Was sie außer Franks Eltern
nicht haben, sind Tickets. Angeblich alles ausverkauft. Und niemand macht
ihnen Hoffnung, nicht der Verband und auch kein offizielles Reisebüro.
Aber die Fans reisen trotzdem zum größten Sportfest der Welt, das ja mal
für Leute wie sie gedacht war. „Ehrensache“, sagt ein Fan, „irgendwie
kommen wir rein.“ So ist das eben im Ringerdorf. Kämpfen bis zur letzten
Sekunde.
15 Mar 2012
## AUTOREN
Jürgen Löhle
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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