# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Und erlöse uns von dem Gottschalk | |
> Neu erfinden kann sich das alte Schlachtross Gottschalk nicht. Und bereit | |
> zu schrumpfen ist er auch nicht. So bleibt der Vorabend eine | |
> TV-Todeszone. | |
Na immerhin: Für Thomas Gottschalk ist seine ARD-Vorabendshow "Gottschalk | |
Live" noch nicht verloren. "So wie es Helmut Kohl nicht gelungen ist, aus | |
dem Osten ruck, zuck blühende Landschaften zu machen", sagte er der Bunten, | |
"so wenig werde ich es schaffen, die Todeszone des Vorabends in ein paar | |
Wochen zu begrünen." | |
Merken Sie was? Der merkt nichts mehr! Vergleicht sein Kasperletheater doch | |
allen Ernstes mit dem Aufbau Ost, mit einer politisch-wirtschaftlichen | |
Jahrhundertaufgabe. Und wer kann ihm angesichts dieser gewaltigen | |
Kategorien schon verübeln, dass er nicht schneller ist als Helmut Kohl? | |
Ganz einfach: ich. Meine Hoffnungen in die Neuerfindung des Thomas | |
Gottschalk haben schwer gelitten. | |
Er passt nicht in unsere Wohnzimmer, weil er nicht bereit ist, zu | |
schrumpfen. Seine Worte sind zu groß, seine Gesten - einfach alles. Und in | |
einem grotesken Missverhältnis dazu geht es in "Gottschalk Live" um - | |
nichts. Rein gar nix. Promischeidungen, mutierte Minischweine, vereiste | |
Autos, solche Sachen. | |
Damit er sich mit diesen geballten Nichtigkeiten nicht alleine langweilen | |
muss, lädt Gottschalk sich in jede Sendung Gäste ein, alles Freunde | |
irgendwie, die gute Gründe hätten, sich nach ihrem Auftritt missbraucht zu | |
fühlen, denn weil Gottschalk sich nicht für sie interessiert, lässt er sie | |
nicht ausreden. Das ist einerseits konsequent und auch schon aus "Wetten, | |
dass ..?" bekannt, andererseits suggeriert der kuschelige Rahmen des | |
Wohnzimmerstudios von "Gottschalk Live" das Gegenteil: dass man hier | |
endlich mal Zeit hat für einen gepflegten Plausch. | |
## Nina von Hagen | |
Noch nicht mal ihr neuestes Produkt vermarkten dürfen die Gäste bei | |
"Gottschalk Live" – zumindest nicht offiziell. Das ist Teil der | |
Hausordnung, die Gottschalk zu Beginn aufgestellt hat, deren Einhaltung ihm | |
aber genauso egal ist wie der ganze Rest (insbesondere die Interaktion mit | |
Zuschauern via Social Media). So durfte die geschäftstüchtige Nina Hagen am | |
Mittwoch gleich einen ganzen Rollkoffer voller Bücher und Tonträger über | |
Gottschalks Aluschreibtisch auskippen. Dass Hagen jetzt Christin ist, war | |
für ihn eine große Überraschung - steht ja auch nur bei Wikipedia. | |
Angekündigte hatte Gottschalk sie übrigens als "Nina von Hagen", was | |
einerseits passt, weil die Sängerin wie der Tod geschminkt erschien, | |
andererseits recht uncharmant ist. Durch die Bemerkung, das mit | |
"Körperwelten"-Chefplastinator Gunther von Hagens durcheinandergebracht zu | |
haben, "dem anderen Spinner da", machte Gottschalk es nicht besser. | |
Der frühere Messdiener Gottschalk, der sich in dieser Zeit wohl den | |
salbungsvollen Tonfall abgehört hat, mit dem er seit nun drei Wochen seine | |
schwindenden Zuschauer penetriert (jämmerliche 1,35 Millionen sahen am | |
Mittwoch noch zu), gibt sich wie die katholische Kirche: unbeirrbar im | |
Beharren auf der eigenen Unfehlbarkeit. Wenn die Leute sich abwenden - an | |
ihm kann es nicht liegen. Schuld sind immer die anderen, in Gottschalks | |
Fall ist es eben die "Todeszone des Vorabends". Wenn sich nicht bald was | |
ändert, wäre ein schneller Tod von "Gottschalk Live" für uns alle eine | |
Erlösung. | |
9 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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