# taz.de -- Nachruf auf Klaus-Peter Klingelschmitt: Mit der "taz" in der Hand | |
> Klaus-Peter Klingelschmitt: "taz"-Korrespondent, Polemiker, Aufklärer. | |
> Aber eigentlich war kpk vor allem eines: Ein zärtlicher Mensch. Ein | |
> Nachruf. | |
Bild: kpk. Klaus-Peter Klingelschmitt. Wir vermissen dich! | |
"Du fehlst!" Das also ist der letzte Satz, den Klaus-Peter Klingelschmitt | |
in seiner taz geschrieben hat. Mit diesen zwei Worten hat er zum letzten | |
Mal seine Kolumne enden lassen, hat sich der alte Rocker aus Frankfurt von | |
seinem Musik-Idol Franz-Josef Degenhardt verabschiedet. Und vorweg | |
genommen, was heute unsere Herzen erfüllt. | |
Kpk - das war sein Kürzel - war ein Langstrecken-Kämpfer. Einer, wie er | |
aufrichtiger nicht sein kann. Er kämpfte nicht für sich, nicht für | |
persönliche Interessen, Ruhm und Ehre. In der tiefsten Durchdringung ein | |
politischer Mensch, geprägt von seinen frühen Erfahrungen als | |
Politit-Aktivist in der Grünen Frankfurter Sponti-Szene, ging es ihm | |
letztlich immer um das große Ganze, um die großen linken Grundfragen: Macht | |
und Verteilung, um unten und oben und wer die großen Profiteure sind. | |
Bevor er begann über Politik zu schreiben, war er selbst in den 80er Jahren | |
in Bischofsheim Stadtverordneter für die GALB (Grün-Alternative-Liste | |
Bischofsheim.) Dieser Umstieg, sagt der Grünen Europa-Politiker Dany | |
Cohn-Bendit, sei sicherlich nicht einfach für ihn gewesen: "Mit der | |
Grünen-Szene in Frankfurt verband ihn eine Hassliebe, eine Faszination, | |
aber er fand uns auch arrogant, er sagte, es fehle uns, Joschka Fischer und | |
mir, an Demut." | |
Journalistisch gesehen ist kpk ein Autodidakt, wie manche seiner | |
Lieblingsfeinde hat er einen Taxi-Schein, hat auch mal auf Lehramt | |
studiert, sich selbst bezeichnete er gerne als Historiker. 1982, im Jahr | |
als er in schwarzer Lederjacke mit Wallemähne zum ersten Mal bei der taz | |
auftauchte, erschien sein Buch "Friedrich Hecker - ein deutscher Mythos". | |
Den Wunsch, aus seiner Kolumne "Älter werden", mit der er sich in den | |
vergangenen drei Jahren einen riesigen Fanclub erschrieben hat, ein | |
weiteres Buch zu machen, müssen nun andere für ihn erfüllen. Müssen. | |
Was taz-LeserInnen über die Startbahn West wissen, den Einzug der Grünen in | |
die erste rot-grüne Regierungskoalition mit Turnschuhvereidigung, über den | |
Streit um das Atomkraftwerk Biblis, das wissen sie in erster Linie von kpk. | |
In heiß verteidigten Bandwurmsätzen, die Generationen von RedakteurInnen an | |
den Berliner Produktionstischen in den Wahnsinn trieben, schrieb er über | |
Roland Koch und die CDU-Spendenaffäre, immer so, dass man als LeserIn das | |
Gefühlt hatte, da wo kpk ist, da geht was ab. | |
## Einer der die Demut kannte | |
Eine kleine Kostprobe aus einem seiner frühen Artikel vom 7.7.1982 über die | |
68er in der brüchigen Koalition der Lang- und Grauhaarigen: | |
"Aufgesaugt von der ,Aufbruchs-SPD' der frühen 70er Jahre, hängengeblieben | |
beim Marsch durch die Institutionen, vermarktet vom "Revolte-business"- von | |
"streetfighting-man" bis zur Massenproduktion revolutionärer Plakate, | |
genarrt von den (Wieder-)Verkäufern "ewiger Wahrheiten" (von | |
KBW/KPD-ML/DKP/KPD/ etc.bis Bhagwan), diskreditiert und in die Isolation | |
getrieben vom Medienbrei und von denen, die (voreilig) zur Waffe gegriffen | |
und so der Reaktion den wichtigsten Dienst geleistet haben, blieb von den | |
vielzitierten "68ern" nicht mehr viel übrig, als die wehmütigen | |
Erinnerungen an den ersten Knackpunkt deutscher Nachkriegsgeschichte, an | |
Rudi Dutschke und Jim Morrison." | |
Bestens informiert hatte er ein Gespür für Entwicklungen, die sich | |
tatsächlich bewahrheiten sollten. Auch das brachte ihm in den | |
Redaktionsräumen nicht selten zunächst ein müdes Lächeln ein: "Ach, mal | |
wieder eine steile kpk-These." Aber nicht nur im qualvollen Scheitern von | |
Andrea Ypsilanti sollte er schließlich recht behalten. Dabei forderte kpk | |
nicht nur seine politischen Widersacher heraus. Auch im Haus ließ er nicht | |
locker, für sein Verständnis von Journalismus und sein Selbstverständnis | |
der taz zu kämpfen. | |
Mit gutem Grund endete jede seiner Mails - und davon gibt es im internen | |
Mailverkehr der taz Tausende - mit einem Hesse Zitat: "Ein anständiger | |
Mensch macht keinen Schritt, ohne Feinde zu kriegen." Nichts brachte ihn, | |
den großen Liebhaber anständiger Rock-Musik mehr auf die Palme als | |
Dogmatismus. | |
Natürlich waren auch Linke und solche, die sich dafür halten, davon nicht | |
ausgenommen. Ob es um Wandschmuck oder Raumverteilung, politische | |
Schwerpunktsetzungen oder Gehaltsverhandlungen ging: Auf den Mann war | |
verlass, er würde die Debatte nicht nur anheizen, sondern auch ordentlich | |
weiter befeuern. | |
## Legendäre Wutausbrüche | |
Dabei folgte der herbei geschrieben Eskalation immer ein ruhiges und | |
schließlich klärendes Gespräch. Seine Wutausbrüche sind genau so legendär | |
wie seine Fähigkeit, immer schnell zur Konstruktivität zurückzufinden. | |
Viele andere hätten sich vielleicht frustriert und erschöpft auf die | |
Frankfurter Insel zurückgezogen, nicht so kpk, der bei aller Lust an der | |
Polemik immer wieder zur Professionalität zurückfand. Ganz im Dienste | |
seiner Zeitung, seiner taz, die eben von Kommunikation und Verständigung | |
lebt. | |
Kein anderer, wirklich kein anderer, ist damit so nah dran am Herzen der | |
taz. Gerade weil er zu so vielen Themen so leidenschaftliche Standpunkte | |
vertreten hat, konnte er nicht locker lassen, musste zumindest im | |
Mailverkehr Krawall schlagen. Von dieser Nachhaltigkeit, dieser | |
Verbundenheit über all die vielen Jahre sind auch jene KollegInnen tief | |
beeindruckt, die ihn selbst nie persönlich kennengelernt haben, den Mann | |
aus Frankfurt, der so prägend und präsent ist. | |
Diejenigen, die sich aber mal aufgemacht hatten aus dem fernen Berlin bis | |
nach Frankfurt, die erlebten einen Kollegen von großer Liebenswürdigkeit, | |
ein Gourmet, der nach der Arbeit gerne in der Kleinmarkthalle in Frankfurt | |
Fleischwurst essen ging, überhaupt gerne aß und kochte und wann immer er | |
Recherchetermine im Saarland hatte schnell mal über die Grenze huschte, um | |
Gänseleberpastete und Wein einzukaufen. | |
Legendär, wie er über Rolf Linsler, Linke-Chef im Saarland, schrieb, mit | |
dem er sich zum Froschschenkelessen traf und dann erzählte, wie ihm das | |
Fett im Schnorres (Schnurrbart) hängen blieb. In der persönlichen Begegnung | |
durfte jeder erfahren, dass diese rauhe Schale einen ganz anderen, fast | |
zärtlichen Kern beschütze. Einen Mann, der mit seiner Frau Marlu über 30 | |
Jahre zusammen war, die er früh geheiratet hatte, die er jeden Morgen zur | |
Arbeit fuhr und über alles liebte. Einen Kollegen, dem immer auch das Wohl | |
der nächsten Generation am Herzen lag, auch wenn das Generationen-Gap mit | |
den Jahren zwangsläufig wuchs. | |
## Alt werden | |
In seinem Frankfurter Büro soll es nur zwei Mal wirklich laut geworden | |
sein. Im Kern sehr friedliebend sei er gewesen, sagt Heide Platen, mit der | |
er sich von Anbeginn an das Büro geteilt hat. | |
Erst kürzlich hat er einem Kollegen am Telefon erzählt, dass er seine | |
Kolumne "Älter werden" im Frühjahr beenden wollte. Dann wäre er sechzig und | |
könnte nicht mehr über das Älter werden schreiben, denn dann wäre er ja | |
alt. Nach einem kurzen Moment fügte er hinzu: "Vielleicht schreibe ich dann | |
ja eine neue Kolumne - alt sein." | |
Lieber Klaus-Peter, wenn wir dir je wirklich etwas übel nehmen dann das: | |
Dass du dieses Versprechen nicht eingehalten hast. | |
Klaus-Peter ist am Montag im Alter von 59 Jahren gestorben. Er hatte die | |
taz in der Hand. | |
DEINE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN | |
29 Nov 2011 | |
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