| # taz.de -- Die DDR ist eine Baustelle | |
| > In Wolfgang Beckers Wettbewerbsbeitrag „Good Bye, Lenin!“ wird der | |
| > sozialistische Osten Deutschlands neu erfunden – damit die regimetreue | |
| > Mama nur keinen Herzinfarkt kriegt. Bald hat die Groteske jedoch eine | |
| > reichlich rührselige Schlagseite – leider! | |
| von DANIEL HAUFLER | |
| „Good Bye, Lenin!“ hätte eine wundervoll grotesker Film werden können. Ein | |
| Film über eine Blümchentapeten-DDR, die einfach nie untergehen wird, und | |
| die süße Macht von Coca-Cola, die schon Billy Wilder einst feierte. An | |
| originellen Wendungen fehlt es in Wolfgang Beckers Wendegeschichte | |
| jedenfalls nicht: | |
| Im Herbst 1989 bricht ein Frau auf offener Straße zusammen, als sie sieht, | |
| wie ihr 21-jähriger Sohn Alex bei einer Friedensdemonstration geschlagen | |
| wird. Während sie im Koma liegt, tritt Erich Honecker zurück, fällt die | |
| Mauer und die Marktwirtschaft erorbert den Osten; Alex verliert seinen Job, | |
| findet einen neuen und verliebt sich in die Krankenschwester, die seine | |
| Mutter pflegt; seine Schwester Ariane schmeißt die alten Pressspanmöbel | |
| weg, gibt das Studium auf, um bei Burger King zu arbeiten, und taucht | |
| plötzlich mit einem westdeutschen Freund auf. | |
| Als kaum einer mehr damit rechnet, wacht die Mutter im Krankenhaus auf. Ihr | |
| Herz ist schwach. Also soll die Familie ihr jegliche Aufregung ersparen, | |
| obwohl sonst ja nichts mehr ist, wie es einmal war. Da hat Alex eine Idee: | |
| Seine Mutter darf nicht erfahren, dass die DDR untergegangen ist. Bevor sie | |
| also nach Hause kommt, richten Ariane und Alex das Zimmer der Mutter wieder | |
| so her, wie es vor der Wende ausgesehen hat. Sie füllen neue | |
| Westlebensmittel in alte Ostverpackungen um und selbst die „Aktuelle | |
| Kamera“ soll ihre Mutter von ihrem Krankenlager gucken können – pünktlich | |
| um halb acht per Video eingespielt, mit Nachrichten vom Vorjahr. | |
| Der Plan zwingt Alex und Ariane allerdings zu immer absurderen Lügen: Mal | |
| erweist sich Coca-Cola als originäres Ostprodukt, um ein Werbetransparent | |
| am Nachbarhaus zu erklären, dann wird Westdeutschen Asyl gewährt, um die | |
| vielen Westautos zu erklären, die ihre Mutter vom Fenster aus sieht. | |
| Grotesker Höhepunkt ist ein gefakter Bericht der „Aktuellen Kamera“, in dem | |
| der ehemalige Kosmonaut Sigmund Jähn zum neuen Staatsratsvorsitzenden der | |
| SED erklärt wird – der flugs die Wiedervereinigung mit dem | |
| zusammengebrochenen Westen ausruft. | |
| Solche Szenen erinnern an die Komik von Leander Haußmanns „Sonnenallee“. | |
| Während dieser Film aber schlicht als Nummernkabarett angelegt ist, sind in | |
| „Goodbye Lenin“ die skurrilen Einfälle mit der tragischen Kranken- und | |
| Liebesleid-Geschichte der Mutter verbunden: Ihr Mann floh in den Westen, | |
| doch sie brachte es nicht fertig, einen Ausreiseantrag zu stellen, um ihm | |
| zu folgen. Er schickte Liebesbriefe, sie landete einige Monate in der | |
| Klapse. Solche Passagen sind zu allem Überfluss mit schwer rührseliger | |
| Musik unterlegt. Derart schwer angeschlagen, wird man dann wieder vom | |
| nächsten polterten Gag getroffen. Becker schafft es nicht seine Geschichte | |
| in der Balance zu halten zwischen Komik und bitterem Ernst – in „Das Leben | |
| ist eine Baustelle“ gelang ihm dieses Kunststück erheblich besser. | |
| Das ist aber nicht das einzige Problem seines Films. Denn: So originell die | |
| Pointen oft sind, so langweilig ist der Film fotografiert. Das fängt schon | |
| an mit den historischen Bildern zu Beginn: Alexanderplatz mit Weltzeituhr, | |
| Karl-Marx-Allee mit stalinistischen Prachtbauten, Palast der Republik und | |
| Lenindenkmal. DDR-Klischeebilder wie aus der Wochenschau. Das soll | |
| womöglich ironisch auf seine Geschichte einstimmen – aber auch im späteren | |
| Verlauf des Films bebildert Becker seine Tragikkömodie so erwartbar wie | |
| eine Folge von „Polizeiruf 110“. Diese Biederkeit können nicht einmal die | |
| hervorragende SchauspielerInnen vergessen machen, von denen besonders | |
| Kathrin Saß und Daniel Brühl brillieren. | |
| Am Ende fragt man sich schon, ob dieser Film nicht besser um einen Goldenen | |
| Bambi als um den Goldenen Bären konkurrieren sollte. | |
| Heute, 9.30 Uhr Royal Palast, 20 Uhr International | |
| 10 Feb 2003 | |
| ## AUTOREN | |
| DANIEL HAUFLER | |
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