Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Filmtage sind nicht „Event“ genug
> Die 10. Oldenburger Filmtage boten ein Forum für unbequemes,
> unkommerzielles Kino. Vermutlich zum letzten Mal, da die Nord-Media
> ausgestiegen ist
Die Nachricht verdarb Organisatoren und Publikum heftig die Laune: Bei der
Eröffnungsveranstaltung der 10. Oldenburger Filmtage im Wallkino waren die
Grußworte noch von vorsichtigem Optimismus über die Zukunft der
Veranstaltung geprägt, doch am Tag darauf wurde bekannt, dass die
Nord-Media, die in Niedersachsen und Bremen die Filmfördermittel verteilt,
in Zukunft kleinere Filmfestivals nicht mehr finanziell unterstützen will.
Für die Oldenburger bedeutet dies mit großer Wahrscheinlichkeit das Ende,
denn das ebenfalls in Oldenburg statt findende „Filmfest“ macht viel mehr
her. Statt Parties, Jungstars und amerikanischen Independentfilmern gibt es
bei den Filmtagen ein bewusst unkommerzielles Programm mit Schwerpunkten
wie dem jungen osteuropäischenKino, Hochschulfilmen, experimentellen Werken
zum Thema Film im Film, über die Verfolgung von Homosexuellen im
Nazideutschland oder Kinder- und Jugendfilmen. Sechs Oldenburger
Filminitiativen (unter anderem „RollenWechsel“ für ein „LesBiSchwules
Kino“, das „alternative Studierendenkino“ und das „Kinderkino Roter
Strumpf“) organisieren zusammen diese fünf „Filmtage“, die diesmal
hauptsächlich im städtischen Kulturzentrum PFL stattfanden.
Hier wurde eindeutig nicht Mainstream, sondern das Kino der Außenränder
gezeigt. Reflexion war wichtiger als Emotion, statt Traumfabrik-Produkten
gab es neugierige Blicke in die reale Welt. Das Publikum wirkte
entsprechend ernsthaft und engagiert. Die Entscheidungsträger bei der
Nord-Media mögen recht liegen mit ihrer Einschätzung, dass die Oldenburger
Filmtage wenig Ausstrahlung über die Region hinaus haben. Falsch ist aber
ihr Urteil, es fehle an einem prägnaten Profil. Zum einen wird jedes Jahr
eine Filmemacherin aus einem Filmentwicklungsland vorgestellt. Zum zweiten
bietet das Festival ein Forum für FilmemacherInnen aus dem Weser-Ems-Gebiet
– das ja auch ein entwicklungsfähiger Landstrich ist.
Nach solchen Pointen allerdings ist den Organisatoren des Filmfestes
derzeit nicht zu Mute. Sie beklagen, dass die Verantwortlichen der
Nord-Media zu keinem Zeitpunkt für eine Diskussion über Profile und
Schwerpunkte zur Verfügung gestanden hätten. Die Entscheidungskriterien
seien „völlig unklar“, die personelle Zusammensetzung der zuständigen
Gremien im übrigen geheim. Entsprechend kalt fühlen sich die seit zehn
Jahren aktiven Macher des Festivals abserviert.
Die also vermutlich letzte in Oldenburg porträtierte Filmemacherin war
Bridget Pickering aus Namibia. Sie hat sowohl Dokumentationen wie auch
Spielfilme gemacht: Das sind keine imposanten Kinowerke, sondern kleine,
genau beobachtete Momentaufnahmen aus dem Leben von Frauen im heutigen
Afrika.
Eine Entdeckung war auch der Eröffnungsfilm „Hukkle“ aus Ungarn, der ganz
ohne gesprochene Worte (und somit auch ohne Untertitel) das Leben in einem
Dorf zeichnet, dabei einen alten Mann mit chronischem Schluckauf („Hukkle“)
genauso wichtig nimmt wie die Tiere, dazu surreale und Thriller-Elemente
mischt und mit jeder Einstellung wieder neu überrascht. Ein schönes
Beispiel dafür, dass auch ein radikales, experimentelles Kino unterhaltsam
und originell sein kann.
Das Gleiche gilt für den argentinischen Film „Caja Negra“ : Obwohl er von
den Armen in den Straßen von Buenos Aires erzählt und sein Protagonist ein
auf den ersten Blick abstoßender Mann mit verrenkten Gliedern ist, wird er
von Bild zu Bild schöner, ohne zu beschönigen und erzählt von der Liebe,
ohne zu romantisieren.
Die Organisatoren der Filmtage haben bei der Auswahl einen guten
Filmgeschmack bewiesen. Nur schade, dass sie überhaupt kein Talent zur
Selbstdarstellung haben. Das Wort „Event“ würde wohl nie über ihre Lippen
kommen, und da man bei der Nord-Media die großen, glamourösen
Veranstaltungen liebt, haben sie dort keinen Fürsprecher gefunden.
Dem inzwischen allzu coolen Oldenburger Filmfest würde ein wenig von ihrem
tiefgehenden Interesse am „alternativen“ Kino sicher sehr dienlich sein.
Allerdings waren die Lager schon von Beginn an so hoffnungslos miteinander
verfeindet, dass eine Synthese von Filmfest und Filmtagen – die die Mankos
auf beiden Seiten aufheben würde – so unwahrscheinlich erscheint wie sie
wünschenswert wäre.
Wilfried Hippen
7 Apr 2003
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.