Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Werminator schlägt zu
> Österreich hat einen neuen Sporthelden: Werner Schlager,
> Überraschungsweltmeister im Tischtennis
PARIS taz ■ Eigentlich war Werner Schlager schon ausgeschieden. 6:10
lautete im Viertelfinale der Tischtennis-WM der Rückstand gegen Wang Liqin.
Vier Matchbälle im sechsten Satz für den Weltmeister aus China. Doch der
Niederösterreicher spielte seine Trumpfkarte aus: „Bin ich down, liebe ich
es zu spielen. Erst wenn ich schon weg zu sein scheine, bin ich zu 100
Prozent konzentriert.“ Schlager gelangen plötzlich perfekte Schläge, er
glich zum 10:10 aus und gewann danach diesen wie den nächsten Durchgang.
Auch Olympiasieger Kong Linghui konnte im Halbfinale von Paris gegen den
30-Jährigen einen Matchball nicht nutzen. Ein drittes Mal feierten die über
10.000 Zuschauer im Palais Omnisport den mental stärksten Spieler („Der
Kopf ist wichtiger als körperliche Fitness“) mit stehenden Ovationen, als
sich Schlager dann durch ein 4:2 über den südkoreanischen Außenseiter Joo
Se Hyuk in einem der besten WM-Endspiele aller Zeiten zum Weltmeister
kürte.
Die Alpenrepublik hat einen neuen Volkshelden. Nach dem „Herminator“ auf
Skiern heißt der neue österreichische Export-Schlager „Werminator“. Schon
am Sonntagmittag wurde im Fernsehen „Starmania“, die österreichische
Ausgabe der „Superstars“, wegen des Halbfinales abgesetzt. Nach dem WM-Sieg
räumte manches Blatt die Titel- und produzierte Sonderseiten über den neuen
Weltranglistenersten, der Timo Boll ablöst. Der bereits in der zweiten
Runde ausgeschiedene Hesse vom TTV Gönnern rutschte hinter den Chinesen Ma
Lin auf Platz drei ab. „Ein Traum, den ich noch nicht realisiert habe“,
bemerkte die bisherige Nummer sechs.
Die meist unspektakuläre Spielweise des Computerfreaks charakterisierte ein
Experte in Paris etwas überspitzt als „perfekte Mangelverwaltung“. Einen
tödlichen Schlag besitzt Schlager nicht, noch am gefährlichsten sind seine
Aufschläge. Das geniale Händchen eines Timo Boll fehlt ihm. Der Topmann des
SVS Niederösterreich versucht, den kleinen Zelluloidball möglichst lange im
Spiel zu halten – und das macht er „sehr, sehr clever“. Der 23-jährige J…
der als Weltranglisten-61. sensationell ins Finale einzog, tippt sich bei
diesen Worten an die Schläfe, um den größten Vorzug seines Bezwingers zu
unterstreichen. Der ahnte nach einer „glücklichen Auslosung, die mir einige
unangenehme Chinesen ersparte“, dass nun im Finale seine Stunde geschlagen
hatte. „Ich wusste, dass mir der Koreaner liegt. Mein Mannschaftskamerad
Chen Weixing, mit dem ich täglich trainiere, spielt nahezu wie Joo:
defensiv, aber mit Angriffsschlägen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich
musste die Bälle nur mal kurz, mal lang halten“, sagte Schlager.
„Werner ist ein Pokerface. In den wichtigsten Bällen ist er einfach da –
und ärgert sich, wenn ich den nächsten dann einfach verhau’ “, berichtet
Doppelpartner Karl Jindrak schmunzelnd. Perfekte Analyse statt geniale
Spielkunst lautet Schlagers Erfolgsrezept. Wie akribisch er ist, zeigt sich
bei seinem Hobby: Freunde berät der Weltcup-Dritte in allen Computerfragen.
Durch den größten Erfolg seines Aushängeschilds, das dem Tischtennis in der
Alpenrepublik über den Status von „kleinen Ballschiebern“ hinaushalf,
erhofft sich der österreichische Verband einen Aufschwung. Doch auch wenn
der „Werminator“ gewiss kein Kind von Traurigkeit ist – in mancher Nacht
soll er bis in die Puppen in einer Disco getanzt und gebechert haben –,
will er nicht alles mitmachen. „Zu Karl Moik geh i sicher need“, kündigt
der neue Weltmeister an.
Der Vergleich Europa – Asien endete in Paris 3:17, was die Medaillen
anlangt. China holte in allen Wettbewerben – angeführt von Wang Nan, die
nach 1999 und 2001 ihren Einzel-Hattrick perfekt machte und im Palais
Omnisport auch das Doppel mit Einzel-Finalgegnerin Zhang Yining und das
Mixed mit Ma Lin gewann – Gold und Silber. Ausgerechnet in der
Königsdisziplin patzten die Besten der rund 5.000 chinesischen
Tischtennis-Profis. Schlager wollte das Duell der Kontinente nicht so hoch
hängen wie die Zuschauer, die jeden Punkt gegen die Asiaten frenetisch
feierten. „Das nächste Mal gewinnt vielleicht einer aus dem Kongo“,
scherzte der Wolf im Schafspelz, der den Chinesen im Jahr des Schafes ein
Schnippchen geschlagen hatte, angesichts der Leistungsdichte bei den
Herren. „In China ist der Druck auf die Spieler viel höher als bei mir. Der
Zuschnitt auf das Duell Europa – Asien missfällt mir. Das sind
hervorragende Sportler, auf die wir nicht neidisch zu sein brauchen. Wir
müssen eben auch solche Bedingungen schaffen, um super Spieler zu
bekommen.“ HARTMUT METZ
27 May 2003
## AUTOREN
HARTMUT METZ
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.