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# taz.de -- Alles Schöne wird einem genommen
> Weil die Umweltbehörde so bockbeinig ist, macht das Autokino in Billbrook
> im Juli dicht. Ein wehmütiger Nachruf
Das ist das wahre Desaster der hamburgischen Kulturpolitik. Mag Frau
Horáková auch Intendanten und Musikdirektoren im Dutzend verjagen und
Sportkamerad Mettbach St. Pauli mit Gummitierchen zupflastern – geschenkt.
Das gehört zur politischen Folklore dieser Regierung dazu. Aber dass das
Autokino in Billbrook im Juli zumachen soll, ist nicht nur für die Fans von
Star Wars oder ähnlichen Monumentalwerken ein extrem harter Schlag. Auch
die Familienpolitik – „Mehret euch“ – , der sich die CDU doch ansonsten…
zugeneigt erweist, dürfte dadurch empfindlich getroffen werden.
Die Umweltbehörde beharrt auf einer Bodensanierung des Geländes, meldet das
Hamburger Abendblatt, weil das Kino auf einer alten Industriebrache in der
Moorfleeter Straße errichtet wurde und Faulgase an die Oberfläche sickern.
Das ist den Betreibern, dem Starnberger Unternehmen Walter H. Jann, aber zu
teuer. Die Konsequenz: Am 18. Juli wird zum letzten Mal die
Großbildleinwand bespielt. Dann ist Autokino-Schluss in der Hansestadt.
Was gab es sonst für Gründe, freiwillig Billbrook anzusteuern? Ab Juli ist
Schluss mit: Sommerabenden mit der lustigen Konstruktion, dass der Filmton
aus dem Autoradio kam. Nervenkitzel, wenn sich KinobesucherInnen vor der
Abendkasse im Kofferraum versteckt haben und auf diese Weise ganze
Autobesatzungen mit einer einzigen Kinokarte aufs Gelände kamen. Die Pause
mitten im Film, in der alle wie auf Kommando den Zündschlüssel umdrehten,
um die Autoheizung zum Laufen zu bringen und alle, die aufs Klo wollen, in
einer gewaltigen Abgaswolke stehen. Die 50er-Jahre-Nostalgie, manche
brauchen die ja auch, um das Altwerden zu verschmerzen. Die riesige
Leinwand, die sich ins Unendliche zu erweitern schien – vor allem bei
Filmen aus dem SciFi-Spektrum. Der Himmel war unsere Leinwand, und Luke
Skywalker kam irgendwo von der Vega oder vom Sirius.
Stattdessen wird Film jetzt wieder klein geschrieben. film. Programmkinos,
Drängeln im Abaton, Hast du „Bowling for Columbine“ etwa noch nicht
gesehen?, Dauer-Popcornknistern aus der Reihe direkt hinter dem eigenen
Ohr, während Juliette Binoche den englischen Patienten pflegt,
Handyklingeln bei „Goodbye Lenin“, das Sitzen auf den Treppen im Foyer ist
nicht gestattet.
Hamburg braucht ein Autokino. In Billbrook oder anderswo. Sonst macht das
Leben ja überhaupt keinen Spaß mehr. PETER AHRENS
31 May 2003
## AUTOREN
PETER AHRENS
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