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# taz.de -- Video der Woche: Das war's
> Wie ist das beim Sterben? Lässt man da noch mal sein Leben Revue
> passieren? Illustrator Steve Cutts liefert in seinem Clip "In the Fall"
> den Schnelldurchlauf einer normalen Existenz.
Bild: Gleich beginnt das Ende.
Hochhäuser in einer grauen Großstadt. Ein kleiner Mann mit Glatze und Anzug
gießt hoch oben auf dem Dach seine sechs Pflänzchen. Eine überdimensionale
Bananenschale liegt ihm im Weg. Der Zuschauer weiß natürlich, was gleich
passieren wird. Die Figur steht nahe am Abgrund, schlittert über die gelbe
Schale, rutscht aus, verliert den Halt und fällt vom Dach.
“In the Fall“ was übersetzt soviel heißt wie “im Fallen“ ist ein knapp
zweiminütiger Animationsfilm des Londoner Grafikers Steve Cutts. “Fall“ ist
aber ebenso das englische Wort für Herbst. Auch der könnte mit dem Titel
gemeint sein, denn die Figur im Mini-Film steckt im Herbst ihres Lebens,
also im fortgeschrittenen Alter.
Im freien Fall geschieht der Figur genau das, was typischerweise kurz vor
dem Sterben passieren soll: Buchstäblich wie ein Film, so sagt man, soll
sich das eigene Leben nochmal vor dem geistige Auge abspielen. “Hier sind
die besten Momente“ steht im Vorspann seiner Lebenszusammenfassung. Der
Film beginnt.
Innerhalb weniger Sekunden verstreichen die Jahre, die man auf dem Kalender
im Hintergrund erkennen kann: Als Kind spielt die Filmfigur mit einem
Roboter, sie lernt Fahrrad fahren, wird eingeschult. Dann kommt die erste
Freundin, der erste Rausch, der erste Sex – Schulabschluss. Frau gefunden,
Hochzeit, Scheidung, nächste Frau. Verschiedene Jobs, Karriere. Das Haar
wird lichter.
Irgendwann aber stagniert die Existenz. Die Jahre verstreichen, aber nichts
ändert sich mehr, außer die Anzüge, die Frisur und die Aktenstapel. Alles
dreht sich um den Job, keine anderen Erinnerungen bestimmen den Rest des
Lebensfilms. Aus einem Lächeln wird ein trauriger Blick. Irgendwann sitzt
der Protagonist nur noch da und hofft, dass sein langweiliges Dasein
vorübergeht, schreit vor Wut, legt den Kopf auf den Tisch und resigniert.
Als der Film vorbei ist, schaut das Männchen erst verdutzt und skeptisch,
dann zuckt es mit den Schultern. Es lehnt sich zurück, lächelt, zündet sich
eine Zigarette an und lässt sich ganz entspannt fallen. Vielleicht hat die
Figur den Eindruck, dass es gar nicht so schlimm ist, dass sie jetzt stirbt
- weil ihr Leben gerade sowieso nichts mehr bietet. Wenn sich die Blende
schließt, hört der Zuschauer den Aufprall.
Aus dem Video lassen sich mindestens zwei Schlüsse ziehen. Erstens: Man
sollte niemals den Alltag im Büro als wichtigsten Lebensinhalt hinnehmen
und daran nichts mehr verändern wollen - stattdessen mehr Freude ins Leben
bringen, genießen, Wagnisse eingehen. Der zweite Schluss: Niemals auf dem
Dach eines Hochhauses Blumen gießen. Vor allem nicht, wenn dort
Bananenschalen herumliegen.
Ein Lied, das dieselbe Thematik aufgreift, ist [1][Manfred Mustermann von
der Münchner HipHop-Gruppe Blumentopf]. Hier heißt es am Ende “Vor meinen
Augen zieht nochmal mein ganzes Leben vorbei, ich wollte so vieles machen
und hatte so wenig Zeit.“ Wer will sich am Ende schon vorwerfen, sein Leben
mit etwas vertrödelt zu haben, was ihm keinen Spaß gemacht hat?
19 Aug 2011
## LINKS
[1] http://tinysong.com/HGcg
## AUTOREN
Frank Seibert
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