Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Es brauchte diese lange Zeit“
> Die Dokumentarfilmerin Marceline Loridan-Ivens über ihre Arbeit in
> Auschwitz-Birkenau, wo sie selbst ein Jahr überleben musste
Auschwitz ist normalerweise keine Filmkulisse. Das mussten selbst
renommierte Regisseure wie Steven Spielberg und Roberto Benigni bei der
Realisierung ihrer Filmprojekte akzeptieren. Marceline Loridan-Ivens,
selbst als Jugendliche ein Jahr nach Auschwitz deportiert und später eine
renommierte Dokumentarfilmerin, hat als 75-Jährige mit „Birkenau und
Rosenfeld“ ihren ersten Spielfilm gedreht und erhielt dafür als erste
Filmemacherin seit langem die Drehgenehmigung im ehemaligen
Vernichtungslager. Montag fand die NRW-Premiere im Filmhaus Köln statt, bei
der die Regisseurin anwesend war. Ab 13. Mai läuft der Film auch in der
Black Box in Düsseldorf.
taz: Madame Loridan-Ivens, wie haben Sie die Verwaltung der Gedenkstätte
dazu überreden können?
Marceline Loridan-Ivens: Ich habe den Leuten gesagt, dass ich auf jeden
Fall hier drehen werde und auch zu radikalen Maßnahmen bereit bin. Ich habe
auch damit gedroht, mich unter dem Schild „Arbeit macht frei“ anzuketten
und mein Recht auf Arbeit hier einzufordern.
Wie kommt es, dass Sie erst nach so langer Zeit diesen Film gemacht haben?
Es brauchte diese lange Zeit. Ich habe die erneute mentale und physische
Konfrontation mit dem Ort des Schreckens gescheut. Als Privatperson ging es
mir wie vielen anderen Überlebenden: Das, was ich durch mein Zeugnis hätte
weitergeben können, erschien mir dermaßen lächerlich im Vergleich zur
erlebten Wirklichkeit, dass ich lieber schweigen wollte.
Was brachte Sie dazu, es dennoch zu tun?
Ich habe meinem Mann als er 1989 starb versprochen, unsere gemeinsame
filmische Arbeit fortzuführen. 1991 reiste ich das erste Mal wieder nach
Auschwitz. In den folgenden Jahren reifte dann die Idee zu diesem Film und
ich kämpfte um seine Finanzierung. Ich wollte mich mit meiner Stimme in den
Chor derer einreihen, die den Mut haben zu sprechen, bevor mit dem
Verschwinden des letzten Überlebenden die Konzentrationslager endgültig in
den Bereich der Historie eintauchen - oder in die Nebel des Vergessens.
Mit ihrem Mann Joris Ivens drehten Sie stets sozialkritische
Dokumentarfilme. Warum wurde es jetzt ein Spielfilm? Wissen Sie, meine
Regale sind übervoll mit den Kassetten von unseren Dokumentarfilmen aus
vier Jahrzehnten, ich wollte etwas anderes machen. Meine Sprache, mein
Ausdrucksmittel ist das Kino. Für „Birkenau und Rosenfeld“ brauchte ich die
Doppelung der Filmemacherin, die ihre eigene Geschichte erzählt, in der
Person der Schauspielerin, die sie verkörpert und ihr Ausdruck verleiht,
eine Doppelung, die nur die Fiktion erlaubt. Ich möchte, dass man an ihr
die Gefühle und Gedanken ablesen kann, die die Ruinen von Birkenau bei
meiner ersten Rückkehr dorthin in mir hervorgerufen haben.
Myriam reagiert zunächst aggressiv auf den deutschen Fotografen Oskar, den
sie in Auschwitz zufällig trifft. Welche Gefühle haben Sie gegenüber den
Deutschen?
Gegenüber älteren Deutschen habe ich zunächst kein gutes Gefühl. Die
Nachkriegsgenerationen aber trifft keine Schuld. Sie haben lediglich die
Pflicht, mit der Geschichte ihres Landes verantwortungsvoll umzugehen.
INTERVIEW: HOLGER ELFES
24 Apr 2004
## AUTOREN
HOLGER ELFES
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.