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# taz.de -- Das Leben als Showdown
> In der Performance „back to the present“ füllt Constanza Macras ein altes
> Kaufhaus mit Geschichten vom Ende. Wenn alles zerfällt, hält nur die
> Musik die Sinne noch zusammen
Kaufhäuser sind Orte der Akkumulation und der Verführung. Die alte Hülle
des Kaufhauses Jandorf, das die Choreografin Constanza Macras jetzt mit
ihrer Performance „back to the present“ füllt, gehört zu den ältesten
Warentempeln der Stadt, 1904 an der Brunnenstraße gebaut. Diesem
neoklassischen Ambiente mit breiten Treppen und umlaufenden Galerien, mit
verschwiegenen Winkeln, Vitrinen, Umkleidekabinen und einer Lounge in der
runden Eckbebauung hat Constanza Macras ein Stück auf den architektonischen
Leib und die zerfledderte Haut geschrieben, das wie maßgeschneidert sitzt.
Mit einem wunderbaren Ensemble von 14 Performern, die als Sänger, Tänzer
und Musiker begabt sind, verfolgt sie die Verwandlung des Lebens in Müll.
Denn früher oder später erweist sich hier alles als ein Entsorgungsproblem:
die einst glänzenden Waren, Berge von Kuscheltieren, nicht mehr so
inspirierende Liebhaber, Kulturgüter der Popgeschichte, Avantgarden und
Retrogarden. Das alles wird in „back to the present“ mit einer Lust
weggesungen und weggesteppt, in Showdowns zerlegt, mit schrillen Stimmen
und akrobatischem Körpereinsatz bearbeitet, dass man am Ende kaum noch
weiß, was man alles gesehen und gehört hat. Das Prinzip Kaufhaus, die
Akkumulation und die Verführung, ist bei Constanza Macras in eine
kompositorische Form überführt, die viele Steigerungsmöglichkeiten
beinhaltet.
An den Texten hat Marius von Mayenburg mitgearbeitet: Es sind fast immer
Geschichten von Einzelnen, über das Ende von Beziehungen, den Ort in der
Familie, den Kampf mit dem eigenen Selbstbild, die alle dem roten Faden
folgen: Wie ich geworden bin, was ich bin. In den Erzählungen, überall
verstreut im Gebäude vorgetragen, zerfällt die Welt in enge Perspektiven,
die endlos nebeneinanderher laufen können. Doch daneben führen andere schon
immer ein Drama des Körpers auf, stürzen und rollen verknotet Treppen
herab, zerhauen Stühle und polstern sich mit Stofftieren. Je länger der
Abend dauert, desto heftiger wird die Reibung am Mobiliar, die
Auseinandersetzung mit den Dingen, die absurde und gruselige Bilder
abwirft: Da ist die Welt ein kollektives und planloses Gewusel, ein Kampf
gegen den Sachzwang, ständig über den Kopf des Einzelnen wachsend, aber
doch im Rhythmus durchaus miteinander verwandt. Die größte Nähe und das
größte „Wir-Gefühl“ aber stellt die Performance über die Musik her,
Coverversionen von alten Liedern, die so sentimental verfremdet sind, als
ob zwischen uns und „Yesterday“ schon achtzig Jahre vergangen wären.
„Back to the Present“ ist eine Produktion von Constanza Macras/Dorky Park
und den Sophiensälen. Als Bühnenfassung ist das Stück im Spielplan der
Schaubühne für Februar 2004 angekündigt. Der ironische Seitenblick, der mit
Leichtigkeit all die theoretischen Konzepte, die zwischen Theater und
Performance hin- und hergeschoben werden, einmal quer liest, ist integriert
in die Vielfalt der Perspektiven. Auch an der Volksbühne zeigt man
Interesse an der Choreografin: Am 6. Juli tritt sie im Rahmen der Rollenden
Roadshow Neukölln in einer Modenschau auf.
KATRIN BETTINA MÜLLER
3.–6. Juli und 9.–13. Juli, 20 Uhr, Kaufhaus Jandorf, Brunnenstr. 19–21
3 Jul 2003
## AUTOREN
KATRIN BETTINA MÜLLER
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