# taz.de -- „Der Kampf ist nicht das Ziel, sondern der Weg“, sagt Jibril Ra… | |
> Gaza könnte ein Modell für die Zukunft werden. Aber Israel muss sich auch | |
> aus dem Westjordanland zurückziehen | |
taz: Herr Rajoub, die Sicherheitsvorkehrungen mit Blick auf den | |
israelischen Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen werden in enger Kooperation | |
mit den Ägyptern getroffen. Was passiert konkret? | |
Jibril Rajoub: Es gab zunächst eine Roadmap – und anschließend präsentierte | |
Israels Premier Scharon seinen unilateralen Abzugsplan. Gaza ist Teil der | |
ägyptischen nationalen Sicherheit. Wir sind Nachbarn, die Ägypter können | |
nicht ignorieren, was passiert. Das ägyptische Konzept stellt Bedingungen | |
an die beteiligten Seiten. Gegenüber Israel kam die Forderung, den Abzug | |
als Teil der Roadmap umzusetzen. Gegenüber den Palästinensern besteht die | |
Forderung, die Sicherheitskräfte entsprechend ihrer Aufgabenbereiche in | |
drei Abteilungen zu organisieren, die jeweils dem Innenministerium | |
unterstehen. Wir haben sofort positiv reagiert. | |
Verschiedene palästinensische Oppositionsgruppen haben die Rolle der | |
Ägypter verurteilt. Warum? | |
Nun, sagen wir, es gibt Befürchtungen. Denn niemand traut Scharon, niemand | |
glaubt, dass er es ernst meint. | |
Sie auch nicht? | |
Ja. Das liegt auch daran, dass der Plan, den Scharon Bush präsentierte, ein | |
anderer ist, als der, den er in seinem Kabinett verabschiedet hat. | |
Grundsätzlich sind aber alle politischen Fraktionen zufrieden und begrüßen | |
das ägyptische Engagement in diesem Konflikt. | |
Glauben Sie, dass Gaza eine Chance hat? | |
Wir sollten beweisen, dass Gaza ein Modell für die Zukunft ist. Gaza könnte | |
zu einem zweiten Singapur werden nicht zu einem zweiten Kandahar. Wir | |
wünschten uns, dass der Abzug mit der Palästinensischen Autonomiebehörde | |
(PA) koordiniert wird, wir wünschten uns, dass der Abzug Teil umfassender | |
Friedensanstrengungen wäre. Aber wir werden auch ohne das an dem Tag, an | |
dem die Israelis von palästinensischem Land abziehen, nicht in Trauer | |
verfallen. | |
Wie schätzen Sie die Erfolgschancen ein? | |
Es wird funktionieren. Ich bin ganz sicher. | |
Und was dann? | |
Der Ball liegt bei den Israelis. | |
Glauben Sie, dass die Intifada im Westjordanland … | |
Hören Sie auf mit der Intifada! Der Kampf ist nicht das Ziel, sondern der | |
Weg. Wenn die Besatzung in Gaza endet, wird sich die gesamte Atmosphäre | |
ändern. Gaza muss der erste Schritt sein. Wenn sich herausstellen sollte, | |
dass es der letzte ist, dann wird sich nichts ändern. | |
Selbst die Hamas hat Mithilfe angeboten, um für Recht und Ordnung nach dem | |
Abzug zu sorgen. | |
Ich glaube, das ist ein positives Signal, das ermutigt werden sollte. | |
Indem man die Hamas-Aktivisten zu Polizisten macht? | |
Nein. Sie haben zwar das Recht, Teil der politischen Führung zu werden. | |
Aber die Hamas in alle Institutionen zu integrieren, bevor Wahlen | |
abgehalten werden – das wird nicht geschehen. Entsprechend dem Wahlausgang | |
kann dann jeder in der Verwaltung mitmachen. Wenn es eine Koalition gibt, | |
gut. Aber es wird nur eine Führung geben und nur eine Polizeimacht. | |
Warum löst die Fatah nicht die Al-Aksa-Brigaden auf? | |
Das Problem ist die Besatzung. Das Ende der Besatzung oder auch nur der die | |
klare Absicht, die Besatzung zu beenden, wird den gesamten Zorn auf | |
palästinensischer Seite beenden und das Problem von allein lösen. | |
Die letzte Chance zu einem bilateralen Prozess wurde von einem Anschlag der | |
Al-Aksa-Brigaden vereitelt. Diese Gruppe agiert im Namen der | |
palästinensischen Regierung, der Regierungspartei, Fatah. | |
Hören Sie. Es war ein israelischer Soldat, der eine Rakete auf unschuldige | |
palästinensische Demonstranten in Rafach abfeuerte. Wenn die Israelis | |
Palästinenser töten, heißt das dann, dass unser Premierminister Achmad | |
Kurei nicht zu einem angesetzten Treffen gehen sollte? Scharon hat schon | |
immer nach Ausreden gesucht, um keinen Dialog mit den Palästinensern zu | |
führen. | |
Welche Funktion haben die Al-Aksa-Brigaden noch? | |
Wo ist Al-Aksa? | |
Bei der letzten Explosion waren sie in Ashdod. | |
Bitte. Hören Sie auf so zu reden. Wenn bei uns Leute aus dem Untergrund | |
agieren, kann sie niemand daran hindern. Welche Anstrengungen kann die PA | |
unternehmen, wie, wo, wann – auf dem Mond? Hören Sie auf. Was sollen wir | |
tun, wir haben keine Polizei, keine Infrastruktur, wir können uns nicht | |
frei bewegen. | |
Es ging dabei nicht um polizeiliche Maßnahmen, sondern über eine politische | |
Entscheidung. | |
Wir sind zu allem bereit. Sobald es eine politische Vision gibt, können wir | |
kooperieren und zwar in allen Bereichen, die behandelt werden müssen. Aber | |
warum sollten wir heute die Al-Aksa-Brigaden auflösen. Für die Sicherheit | |
der Israelis? Für die Sicherheit der Siedler? Wofür? Wir werden nicht den | |
Fehler wiederholen und unsere Leute verhaften und an Israel ausliefern | |
Die Fatah scheint nicht gerade für Sicherheit zu sorgen? | |
Und warum? Wir haben kürzlich eine Reihe von Polizisten im Westjordanland | |
in Ramallah stationiert. Was passiert? Ein israelischer Jeep kommt, und die | |
Soldaten erniedrigen unsere Polizisten vor den Augen der Leute. In solch | |
einer Situation können wir nicht für Gesetz und Ordnung sorgen. | |
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL | |
7 Jul 2004 | |
## AUTOREN | |
SUSANNE KNAUL | |
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