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# taz.de -- Ein kommunistischer Dandy
> In den Sechzigerjahren stets auf der haardünnen Linie zwischen
> Staatsfeind und Staatsdichter, inbesondere aber ein großer Lyriker: Zum
> Tod von Peter Hacks
Peter Hacks hat sich seit den Anfängen seiner Laufbahn in den denkbar
größten Gegensatz zu seinen literarischen Zeitgenossen (vor allem der
Gruppe 47) gesetzt. In einer eigenartig künstlichen, „postmodernen“ Wendung
orientierte er sich, der 1928 in Breslau geboren wurde und im Ruhrgebiet
aufwuchs, spätestens seit der Emigration in die DDR 1955 an
vorbürgerlichen, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Mustern der Dichter-
und Intellektuellenvita. Diese Orientierung bestimmte sein Leben und sein
Werk.
Hacks beurteilte die Mächte seiner Zeit danach, ob sie sich auf der Höhe
„der Idee“ (seiner eigenen Vorurteile) befanden. Publizistisch geltend
gemachte politische Vernunft hat den kommunistischen Dandy nie
interessiert. Die oft provokant und sichtlich gern öffentlich geäußerten
politischen Ansichten des bekennenden Stalinisten und Ulbricht-Verehrers
sind von einem methodisch konsequenten Irrsinn geleitet, den man vielleicht
am besten als eine Manifestation des politschen Surrealismus verstehen
sollte. Obwohl er sich als Staatsdichter der DDR sah, als Honeckers
Voltaire, war Peter Hacks nicht nur eine durch und durch unbürgerliche
Erscheinung, sondern auch eine gründlich undeutsche. Nicht das Bergwerk ist
das Bild seiner Seele; sein Vorbild war der Artist auf dem Hochseil.
Peter Hacks’ große Zeit auf der haardünnen Linie zwischen Staatsfeind und
Staatsdichter waren die frühen Sechzigerjahre, in denen sich die Dichter
mit kritisch-solidarischen Zeitstücken in die Staatsgeschäfte der DDR
einmischten. Wie es damals wirklich zuging, ist für Hacks’ Antipoden Heiner
Müller und sein Stück „Die Umsiedlerin“ besser dokumentiert als für die
ebenfalls sehr tragikomischen Possen, die man höheren staatlichen Orts auch
um Hacks’ gleichzeitiges Drama „Die Sorgen und die Macht“ getrieben hat.
Hacks kam mit einigen Demütigungen davon, „Die Sorgen und die Macht“ und
die zeitkritische Komödie „Moritz Tassow“ wurden von den Spielplänen
gestrichen.
In Folge schrieb er eine lange Reihe formal vollkommener, mit süßester
Sprachmusik, schnellen, witzigen Dialogen, theatergerechten und für den
Schauspieler lohnenden Figuren verschwenderisch ausgestatteter Ideen- und
Staatskomödien. Das einzige seiner Stücke jedoch, das seit Mitte der
Siebziger auch international ein großer Bühnenerfolg ist, ist frei von den
Fesseln der Staats- und Ideenkomödie: In „Ein Gespräch im Hause Stein über
den abwesenden Herrn von Goethe“ geht es um Wirkliches, um das in die
modernen Geschlechterverhältnisse eingebaute erotische Tauziehen.
Zu sich selbst aber und zu einem angemessenen Thema kommt Hacks’ Genie in
seiner Lyrik. Peter Hacks’ „Gesammelte Gedichte“ ist eins der
vollkommensten Bücher der deutschen Literatur. Wer in dieses Buch einmal
hineinschaut, wird es nie mehr vergessen. Der „Wechsel der Töne“ zwischen
Komik, hohem Ton, resignierter Zartheit, Grobianismus, zwischen den
Versmaßen, Gattungen und Stilen ist von vollkommener Freiheit, Frechheit
und Eleganz. Hacks konnte alles. Die erotische Rollenlyrik bleibt einem
dabei am intensivsten im Gedächtnis. Es bedurfte offenbar eines so wenig
vernünftigen Gegenstands wie der Liebe, um den Schöpfer der sozialistischen
Vernunftkomödie auf das Niveau seines Talents zu bringen.
Seine Nebenwerke – Lyrik, Essays, Kinderbücher – werden dem Werk dieses
großen sozialistischen Postmodernen ins Elysium der
literaturgeschichtlichen Erinnerung hinüberhelfen. Am Donnerstag ist Peter
Hacks nach langer Krankheit im Alter von 75 Jahren in Berlin gestorben.
STEPHAN WACKWITZ
30 Aug 2003
## AUTOREN
STEPHAN WACKWITZ
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