# taz.de -- Die Stadt als Organismus | |
> Mit dem Blick den Raum erobern: Die Ausstellung „New York in the Forties“ | |
> im Bauhaus-Archiv zeigt, wie Andreas Feininger aus Architektur und | |
> Menschenmassen seine Fotografien komponierte | |
VON CILLI POGODDA | |
So hatte man New York vorher noch nie gesehen. Ein riesiger, dampfender | |
Organismus, der vor allem in die Höhe wuchs. In den Vierzigerjahren | |
eröffnete Andreas Feininger mit seinen Fotografien einen neuen Blick auf | |
die Metropole. Bis heute verblüffen dabei vor allem die bemerkenswerten | |
Größenverhältnisse. Er interessierte sich für das Kleine im Großen, für d… | |
Verhältnis von Einzelheit und Gesamtheit. Um dies besser herausarbeiten zu | |
können, entwickelte Feininger eigens große Teleobjektive mit langer | |
Brennweite, die ganz neue Perspektiven ermöglichten. So konnte er weite | |
Entfernungen überbrücken und dabei mit viel Tiefenschärfe entlegene Details | |
festhalten. Das Ergebnis ist ein bemerkenswert dichtes und aufgeräumtes | |
Bild des Urbanen, das derzeit in der Ausstellung „New York in the Forties“ | |
im Bauhaus-Archiv zu sehen ist. | |
Feininger war ein Pionier auf allen Ebenen. Die Geschichte der Fotografie | |
wäre ohne ihn eine andere. Obwohl er darin nicht ausgebildet worden war, | |
machte er sich das Medium vollkommen zu eigen. Er passte die Fototechnik | |
seinen Ansprüchen an und prägte sie sowohl technisch als auch ästhetisch. | |
Seine Kenntnisse hielt er in Büchern fest, die noch heute zur | |
Grundausrüstung vieler Fotografen gehören. Obwohl seine Bilder in großer | |
Zahl publiziert wurden, galt er eher als Erfinder und Fotojournalist denn | |
als Künstler. Die Person Feininger blieb dem Publikum weitgehend verborgen, | |
war vor allem Fotografen ein Begriff. | |
Er war der älteste Sohn des Malers Lyonel Feininger und wurde 1906 in Paris | |
als amerikanischer Staatsbürger geboren, weil die Familie des Vaters | |
bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in die USA emigriert war. Nachdem er | |
Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht hatte, flüchtete Feininger vor | |
dem Nationalsozialismus erst nach Paris, dann nach Schweden und später nach | |
New York. Dort landete er schließlich als Pressefotograf beim Life | |
Magazine, wo er im Laufe der Zeit 346 Fotoreportagen veröffentlichte. Er | |
blieb in New York, bis er 1999 starb. | |
Im Bauhaus-Archiv hängen seine großformatigen Bilder nun dicht gedrängt an | |
Stellwänden, die enge Gassen bilden. In dieser Anordnung setzen sich die | |
Raumverhältnisse aus den Bildern fort. Feininger verlegte seine Blickpunkte | |
nach oben, fotografierte gerne von Gebäuden aus. So überblickte er das | |
Häusermeer und holte es gleichzeitig ganz nah heran. Wolkenkratzer drängen | |
sich auf seinen Fotografien aneinander und bilden verschachtelte | |
Häuserschluchten, zwischen denen sich, bis in weite Ferne sichtbar, | |
Kolonnen winziger Autos schlängeln. | |
Trotz eines verblüffenden Detailreichtums herrschen klare, sorgsam | |
komponierte Formen und plastische Tiefe. Obwohl die Bildkompositionen sehr | |
sachlich wirken, beeindrucken sie auch durch eine subtile Subjektivität. | |
Diese ergibt sich vor allem aus den sorgsam gewählten Blickwinkeln. | |
Feininger hatte ein sehr präzises Auge für architektonische Strukturen. Die | |
Fotografie war seine Leidenschaft, aber studiert hatte er Architektur und | |
seinen Blick dafür unter anderem im Bauhaus und bei Le Corbusier in Paris | |
geschärft. Auf seinen New-York-Bildern setzte er ihn um, rückte Flächen und | |
Linien in den Mittelpunkt, untersuchte, wie sie sich mit dem Blickwinkel | |
verändern und formen. Nicht nur Häuser wurden zu Motiven, sondern auch | |
deren Beziehungen zueinander. Die windschiefen Backsteinhäuschen an der | |
Rückseite des Rockefeller Centers zum Beispiel wirken vor dessen blanker | |
Kulisse wie kleine Persönlichkeiten. | |
Trotz all der statischen Architektur wirkt Feiningers New York immer | |
beeindruckend organisch. Besonders stark wird dieser Eindruck durch sein | |
Spiel mit den Wetterbedingungen. Licht-und-Schatten-Spiele beleben seine | |
Stadtansichten, die bisweilen scharfe und komplexe Muster auf die Gebäude | |
zeichnen. Wolken und Nebel greifen in die Konstruktionen ein, verhüllen und | |
separieren. Lichtreflexe lösen Konturen auf, regennasse Straßen spiegeln | |
das Sonnenlicht und werden zu leuchtenden Adern. Feiningers New York ist | |
eine fast mystisch erscheinende Synthese aus Architektur und Leben. | |
Feiningers gestalterischer Kosmos war klar umgrenzt, er experimentierte | |
immer nur in ganz bestimmte Richtungen. Doch dies tat er mit absoluter | |
Gründlichkeit. Vor allem die Verbindung von technischem Erfindergeist und | |
bildgestalterischer Perfektion, von visionärem Formalismus und präzisem | |
Formgefühl sind bezeichnend. Sein Lebenswerk ist geprägt von einer | |
fruchtbaren Verschmelzung verschiedener Disziplinen, und seine | |
New-York-Bilder markieren dabei einen Höhepunkt. | |
Bis 18. 5. „Andreas Feininger – New York in the Forties“. Bauhaus-Archiv, | |
Klingelhöferstr. 14, Mi.–Mo. 10–17 Uhr | |
7 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
CILLI POGODDA | |
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