# taz.de -- „Ich habe oft die Haut gewechselt“ | |
> Elia Kazan war Kommunist und wurde Antikommunist. Vor dem „Ausschuss für | |
> unamerikanische Umtriebe“ schwärzte er Kollegen an | |
BERLIN taz ■ Um den roten Teppich machte Elia Kazan einen Bogen. Als der | |
Regisseur am 21. März 1999 den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk | |
entgegennahm, wählte er einen Seiteneingang zum Dorothy Chandler Pavilion. | |
Vor dem Gebäude demonstrierten 250 Menschen gegen die Verleihung, unter | |
ihnen die Drehbuchautoren Bob Lees und Bernard Gordon, deren Namen sich auf | |
jenen schwarzen Listen fanden, an deren Zustandekommen Kazan in den | |
50er-Jahren Anteil hatte. „Er hätte nicht reden müssen“, sagte der damals | |
86 Jahre alte Lees, dessen Kinokarrierre 1952 abbrach. „Er sollte sich | |
entschuldigen.“ Von den geladenen Gästen im Saal stand nicht jeder auf, um | |
Kazan zu applaudieren: Die Schauspieler Nick Nolte und Ed Harris zum | |
Beispiel blieben sitzen, nachdem Martin Scorsese und Robert de Niro die | |
Laudatio gehalten hatten. | |
Es war also eine umstrittene Entscheidung, den Ehren-Oscar für das | |
Lebenswerk an einen Mann zu vergeben, dessen Werk zwar herausragt, in | |
dessen Leben der Opportunismus jedoch eine unrühmliche Rolle spielte. Elia | |
Kazan gehörte von 1934 bis 1936 der Kommunistischen Partei an. Deswegen | |
wurde er anderthalb Jahrzehnte später wie viele andere Filmschaffende auch | |
vor das House Un-American Acitivities Committee (HUAC) zitiert. Dieses | |
Kommitee existierte seit 1938, erlangte Bedeutung aber erst 1947, nachdem | |
mit der Truman-Doktrin offiziell der Kalte Krieg erklärt worden war. Da die | |
Filmindustrie in den 30er- und 40er-Jahren vielen linken europäischen | |
Intellektuellen und Künstlern auf deren Flucht vor den Nazis Asyl bot, | |
witterten der Vorsitzende im Senatsausschuss für unamerikanische Umtriebe, | |
Joseph McCarthy, und seine Gefolgsleute hier besonders große Gefahr. Noch | |
ehe in Ministerien und Bundesbehörden nach Kommunisten gefahndet werden | |
sollte, war Hollywood an der Reihe. | |
Kazan weigerte sich zunächst, Namen zu nennen. Er gab Auskunft über sich, | |
nicht über andere. Doch nachdem er zu einer Unterhaltung mit Edgar Hoover, | |
dem Chef des FBI, und mit Spyros Skouras, dem Präsidenten von 20th Century | |
Fox, gebeten worden war, gab er im Winter 1952 vor dem Kommitee acht | |
(andere Quellen sprechen von elf) Namen von Filmschaffenden preis, die wie | |
er Mitglieder der Kommunistischen Partei gewesen waren. Seine Kooperation | |
begründete er in einer Anzeige in der New York Times. Den Kommunismus | |
bezeichnete er darin als „gefährliche und ausländische Verschwörung“, und | |
die Liberalen drängte er, seinem Beispiel zu folgen. | |
Er hätte sich später von seinem Verhalten distanzieren können. Doch nur | |
selten zeigte er Reue, eher eine sich selbst gewisse Haltung: „Viele Jahre | |
lang hasste ich die Kommunisten. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es | |
richtig gewesen wäre, meine Karriere zu opfern, um ihnen zu helfen.“ In | |
seiner Autobiografie „Elia Kazan: A Life“ schrieb er: „Ich habe in meiner | |
Zeit oft die Haut gewechselt, mehrere Leben gelebt und gewalttätige, | |
brutale Veränderungen erlebt. In der Regel habe ich, was geschehen ist, | |
erst dann verstanden, nachdem es schon geschehen war.“ CRISTINA NORD | |
30 Sep 2003 | |
## AUTOREN | |
CRISTINA NORD | |
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