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# taz.de -- Dollars, Öl und Söldner
VON FRANÇOIS MISSER UND DOMINIC JOHNSON
Simon Mann hat eine englische Bilderbuchkarriere hinter sich. Schüler im
Elite-Internat Eton, Miltärausbildung in der Elite-Akademie Sandhurst,
Dienst im Elite-Regiment „Scots Guards“, Aufstieg in der Elite-Kampfeinheit
SAS. Risikofreudig, aus gutem Hause, geschäftstüchtig – der 51-Jährige ist
ideal für komplizierte Unternehmungen in instabilen Teilen der Welt. Nun
ist es mit der schönen Karriere vorbei. Morgen soll ausgerechnet in
Simbabwe, dem Land des Briten-Hassers Robert Mugabe, ein Gericht gegen Mann
eine Gefängnisstrafe verhängen – wegen Putschversuchs in Äquatorialguinea.
Das ist der bisherige Höhepunkt einer Affäre, die die undurchsichtige Welt
der Rohstoff- und Söldnerwirtschaft in Afrika durcheinander gewirbelt hat
(siehe Kasten). Neben dem Prozess gegen Mann und 66 weitere Beschuldigte
gibt es einen zweiten in Äquatorialguinea selbst, wo Hauptangeklagter der
einstige südafrikanische Söldner Nick Du Toit ist. Dessen Prozess ist
derzeit unterbrochen, während die äquatorialguineischen Behörden in
Südafrika herausfinden wollen, wer alles hinter dem Putschversuch stand.
Besonders interessieren sich die Äquatorialguineer für Mark Thatcher, Sohn
der einstigen Premierministerin von Großbritannien, der als Unternehmer in
Kapstadt lebt. Am 25. August verhaftet, kam er am 3. September aufgrund
einer Kautionszahlung seiner Mutter aus dem Hausarrest frei, und am 22.
September soll er vor einem Untersuchungsrichter in Kapstadt einem
Ermittlerteam aus Äquatorialguinea Rede und Antwort stehen. „Scratcher“, so
lautet sein Spitzname, soll 275.000 Dollar zur Finanzierung des
Putschversuches gezahlt haben.
Die Geschichte des gescheiterten Putsches von Äquatorialguinea ist ein
Sittengemälde der neuen afrikanischen Gründerzeit, einer Ära schwacher
Staaten, privatisierter Kriege und immenser Gier nach Rohstoffen. Je nach
Kolonialvergangenheit und auswärtigen Einflüssen sind die Akteure
unterschiedlich, aber die Charaktere sind ähnlich. In diesem Fall spielt
die unfreiwillige Hauptrolle ein gewisser neureicher Sektor des englischen
Establishments, dem Geldverdienen wichtiger ist als Ehre und Tradition und
für den die 80er-Jahre unter Margaret Thatcher die politisch-kulturelle
Glanzzeit darstellten; im eigenen Land haben diese Leute die Politik
mittlerweile New Labour überlassen, aber über Londons globalisierte Finanz-
und Rohstoffmärkte üben sie nach wie vor international Einfluss aus. Auf
der anderen Seite vor Ort stehen schillernde Händler, politische
Glücksritter und skrupellose Abenteurer.
Wer in Afrika heute schnelles Geld verdienen will, ist in Äquatorialguinea
richtig. Der Kleinstaat mit gerade mal einer Million Einwohner ist in den
letzten Jahren dank seiner großen ölreichen Territorialgewässer zum
drittgrößten Ölproduzenten Schwarzafrikas hinter Nigeria und Angola
aufgestiegen und genießt eine der höchsten Wirtschaftswachstumsraten der
Welt. Doch die Mehrheit der Bevölkerung lebt nach wie vor in Armut.
Präsident Obiang ist ein Familienherrscher, der 1979 seinen Onkel per
Putsch ablöste, Oppositionelle verfolgt und bis heute wichtige
Regierungsposten mit Verwandten besetzt.
Über 3.000 US-Amerikaner arbeiten heute in dem Land, dessen Hauptstadt
Malabo von Texas aus direkt angeflogen wird. Die Sicherung der Ölvorkommen
im Golf von Guinea, in dessen Herz Äquatorialguinea liegt, ist eine
Priorität der US-Afrikapolitik, und die wichtigsten Ölkonzerne dort kommen
aus den USA: ExxonMobil, Amerada Hess, Marathon. Ein Großteil der
Öleinnahmen des Landes wandert, enthüllte ein US-Senatsbericht im Juli,
über Joint Ventures der drei Konzerne auf über 60 äquatorialguineische
Konten bei der Washingtoner Riggs Bank. Seit 1995 seien dies hunderte von
Millionen Dollar gewesen. Geschäftsführer der zuständigen
Tochtergesellschaft „Riggs Investment Management“ ist nach Angaben der
US-Organisation „Texans For Public Justice“ Jonathan Bush, Onkel des
US-Präsidenten.
Wer in einem solchen Land putschen will, ist mit Simon Mann gut bedient.
Mann war 1993 einer der Gründer der berühmtesten Söldnertruppe Afrikas,
„Executive Outcomes“ aus Südafrika. Diese stellte arbeitslose ehemalige
Elitekämpfer der Apartheid-Armee mit Erfahrungen aus Buschkriegen in Angola
und Namibia ein, um Privatunternehmen in Bürgerkriegsgebieten zu schützen.
Der erste Auftrag von EO war der Schutz angolanischer Ölfelder gegen
Angolas Unita-Rebellen – ein Deal, den ein einstiger Kollege Manns aus
SAS-Zeiten einfädelte, Tony Buckingham. Mann und seinen EO-Kollegen gehörte
auch die Diamantenfirma „Diamond Works“, die in Angola und später in Sierra
Leone nach Edelsteinen grub – geschützt von EO.
Seit der Auflösung von „Executive Outcomes“ 1998 im Rahmen des Verbotes von
Söldnertum in Südafrika ist Öl eines der wichtigsten neuen Geschäftsfelder
der alten Söldnerführer. Buckingham hat eine eigene Ölfirma, „Heritage
Oil“. Und „Diamond Works“ hat eine Ölfiliale, „Gulf of Guinea Petreole…
Corporation“ (GGPC). Die erwarb im Februar 2004 in Gabun eine
Tiefseekonzession zur Ölsuche – Gabun streitet sich mit Äquatorialguinea um
seine Seegrenzen und damit um das Öl unter dem Meeresboden.
Dass es für Äquatorialguinea Putschvorbereitungen gab, war kein Geheimnis.
Schon im Sommer 2003 hatte eine Truppe ehemaliger EO-Söldner für einige
Tage im benachbarten São Tomé die Macht ergriffen, wo auch gerade ein
Ölboom beginnt. Südafrikanischen Medien zufolge redeten ehemalige Söldner
Anfang 2004 in ihren Stammkneipen darüber, dass sie bald wieder im Golf von
Guinea „angeln“ gehen würden. Im Februar, so die Anklage in Malabo, reisten
Simon Mann und der südafrikanische Söldnerveteran Nick Du Toit gemeinsam
nach Simbabwe, um Waffen zu kaufen – die staatliche simbabwische
Waffenfirma ist nicht sehr wählerisch, was ihre Kunden angeht. Zuvor soll
Mann 5 Millionen Dollar von Eli Calil erhalten haben, einem libanesischen
Ölhändler mit Geschäftsinteressen in Nigeria.
Du Toit war ein wichtiger Partner. Der Südafrikaner hatte 2003 in
Äquatorialguinea mit Verwandten von Präsident Obiang eine Fischereifirma
gegründet. Außerdem bildete seine „Logo Logistics“ Äquatorialguineas
Streitkräfte aus.
Noch andere Ehemalige von Executive Outcomes sollen mitgemacht haben.
Genannt wird Greg Wales, reicher Londoner Geschäftsmann und einstiger
Vertreter von EO in Somalia. Wales soll weitere britische Konservative
angeworben haben: Greg Hart, Berater des einstigen britischen
Verteidigungsministers Michael Portillo; Jeffrey Archer, windiger
Geschäftsmann und Bestsellerautor; und schließlich Mark Thatcher. Die
komplette Liste der Putschfinanzierer, die so genannte „Wonga List“, soll
Manns Buchhalter James Kershaw halten. Der 24-jährige Brite arbeitet seit
Manns Verhaftung mit Südafrikas Polizei zusammen.
Nun ist nicht bewiesen, ob das alles stimmt. Die Aussagen Du Toits in
Malabo wurden vermutlich unter Folter erzwungen. Zahlreiche Details in
britischen und südafrikanischen Zeitungen beruhen auf ungenannten Quellen.
Mark Thatchers Beteiligung, die Simon Mann in einem aus dem Gefängnis
geschickten Brief an seinen Anwalt nahe legte, wurde von Du Toit
bestritten. Nicht einmal die Existenz der „Wonga List“ ist gesichert.
„Jetzt zerfleischen sich Thatchers Freunde gegenseitig“, titelte die
südafrikanische Sunday Times.
In Londoner Branchenkreisen wird spekuliert, dass der Putsch gestorben war,
bevor er je ausgeführt werden konnte. Die in Äquatorialguinea aktiven
US-Ölkonzerne hätten von dem Putschversuch vorab erfahren und für ihr
Stillschweigen das Angebot bekamen, von den neuen Machthabern verbesserte
Geschäftsbedingungen zu kriegen. Stattdessen hätten sie Präsident Obiang
informiert und so ihre Geschäftsbedingungen verbessert. Für diese Version
spricht, dass „Marathon“ seither die Genehmigung für ein zuvor abgelehntes
Projekt zum Bau einer Flüssiggasanlage in Äquatorialguinea bekommen hat.
Eine andere, noch gerissenere Spekulation lautet, dass die Ölfirmen nur so
taten, als wolle jemand Obiang stürzen – damit der ihnen geschäftlich
entgegenkomme.
Putsch oder nicht – eine Schlüsselrolle beim Auffliegen der Affäre spielte
Südafrika. Dessen Regierung gab Simbabwe und Äquatorialguinea die
entscheidenen Tipps, die im März die Festnahmen der Söldner ermöglichten.
Das hat sich gelohnt: Die südafrikanische Ölfirma Petro SA soll nun drei
Konzessionen in Äquatorialguinea an der Grenze zu Kamerun bekommen.
Und dass die Familie Obiang vor kurzem in Kapstadt zwei Villen gekauft hat,
ist sicher auch kein Zufall. Die palastähnliche Thatcher-Villa im gleichen
Viertel hingegen steht seit dieser Woche zum Verkauf.
9 Sep 2004
## AUTOREN
FRANÇOIS MISSER / DOMINIC JOHNSON
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