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# taz.de -- Eskalation in der Elfenbeinküste
> Nach dem Tod von neun Franzosen bei Luftangriffen der ivorischen
> Regierung zerstören französische Blauhelmsoldaten die ivorische
> Luftwaffe. In Abidjan kommt es zu antifranzösischen Ausschreitungen.
> Politische Machtverhältnisse sind unklar
VON DOMINIC JOHNSON
Der neue Krieg in der Elfenbeinküste weitet sich aus, und jetzt werden auch
noch die internationalen Eingreiftruppen in dem westafrikanischen Land
gegen die laufende Offensive der Regierungsstreitkräfte aktiv. Französische
Infanteristen zerstörten am Samstag in der Hauptstadt Yamoussoukro die zwei
russischen Bomber der ivorischen Luftwaffe, mit denen das Militär von
Präsident Laurent Gbagbo seit Donnerstag täglich Luftangriffe auf den von
Rebellen gehaltenen Norden des Landes fliegt. Fluguntauglich wurden auch
sechs Hubschrauber gemacht.
Zuvor hatten die beiden Sukhoi-25-Bomber eine Stellung der französischen
Eingreiftruppen in der Rebellenhauptstadt Bouake angegriffen und neun
Franzosen sowie einen US-Amerikanier getötet. 30 weitere Franzosen waren
verletzt worden. Insgesamt forderten die Luftangriffe nach UN-Angaben
bisher mindestens 20 Todesopfer.
Das Eingreifen der Franzosen, die mit 4.000 Mann die quer durch die
Elfenbeinküste verlaufende Waffenstillstandslinie samt Pufferzone zwischen
Regierungs- und Rebellengebiet zusammen mit 6.000 UN-Blauhelmen überwachen,
führte zu einer Explosion der Gewalt in der größten ivorischen Stadt
Abidjan, Sitz der Regierung Gbagbo. Gbagbo-treue „patriotische“ Milizen
gingen in Abidjan auf die Straße mit der Parole, Franzosen zu jagen, und
drangen in Häuser ein. Französische Schulen wurden angezündet.
Mit Warnschüssen aus Hubschraubern verhinderten die französischen Soldaten
einen Sturm auf den internationalen Flughafen. Bereits in den vergangenen
Tagen hatten die Milizen in Abidjan die Sitze der wichtigsten
Oppositionsparteien und Oppositionszeitungen angezündet. Mindestens zwei
UN-Fahrzeuge wurden ebenfalls von ihnen zerstört.
Frankreichs Präsident Jacques Chirac beorderte am Samstag 300 zusätzliche
Soldaten und drei Mirage-Kampfflugzeuge in die Elfenbeinküste. Auf Antrag
der früheren Kolonialmacht beschäftigte sich der UN-Sicherheitsrat mit der
Eskalation.
In einer Erklärung bekräftigten die 15 Ratsmitglieder in der Nacht zu
gestern, dass die französischen Truppen das Recht haben, alle
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Kämpfe zwischen ivorischen
Regierungstruppen und Rebellen zu unterbinden.
Marokkanische UN-Blauhelme stoppten derweil im Zentrum des Landes
Regierungstruppen, die die Pufferzone Richtung Rebellengebiet überqueren
wollten. Gerüchten zufolge soll es Regierungssoldaten trotzdem gelungen
sein, auf Schleichwegen die Umgebung der Rebellenhauptstadt Bouake zu
infiltrieren. Die Rebellenführung rechnet mit einem Großangriff.
Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo berief einen Krisengipfel in der
nigerianischen Hauptstadt Abuja ein, um eine diplomatische Lösung des
Konflikts zu finden. Die afrikanische Diplomatie will nach wie vor das im
Juli geschlossene Friedensabkommen „Accra III“ umsetzen, das eine Reihe von
politischen Reformen, die Demobilisierung der Rebellen und Milizen und
freie Wahlen 2005 vorsieht. Der Zusammenbruch des in diesem Abkommen
vorgesehenen Zeitplans hatte zum Bruch der amtierenden Allparteienregierung
der Elfenbeinküste und den neuen Kriegsausbruch geführt.
Unklar ist aber, ob es in der Elfenbeinküste noch Partner für
Friedensprozess gibt. Rebellenchef Guillaume Soro sagte, die Zeit für
Verhandlungen sei vorbei. Wer auf Regierungsseite das Sagen hat, ist nicht
sicher. Mehreren afrikanischen Präsidenten soll es nicht gelungen sein,
ihren Amtskollegen Gbagbo ans Telefon zu bekommen: Es machen Gerüchte über
einen vollzogenen oder laufenden Militärputsch in Abidjan die Runde.
Menschenrechtler und internationale Beobachter riefen die internationalen
Truppen in der Elfenbeinküste dazu auf, den Schutz von Zivilisten zur
Priorität zu machen. „Frankreich und die UNO müssen ihr Mandat erfüllen,
das Leben von Zivilisten zu schützen“, sagte Mike McGovern, Afrikadirektor
der „International Crisis Group“. „In Ruanda waren Franzosen und UNO
präsent und ließen einen Völkermord zu. Wenn in der Elfenbeinküste den
Kämpfen nicht Einhalt geboten wird, könnten wir nicht nur weitere zivile
Opfer, sondern ethnische Säuberungen sehen.“
8 Nov 2004
## AUTOREN
DOMINIC JOHNSON
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