# taz.de -- „Eine parteiliche Auftragsarbeit“ | |
> Angehörige von Diktaturopfern in Argentinien zeigen sich entsetzt über | |
> den Bericht des von DaimlerChrysler eingesetzten Völkerrechtlers | |
> Christian Tomuschat. Der Bericht negiert jede Verstrickung des Konzerns | |
> in die Verbrechen der Diktatur | |
AUS BUENOS AIRES INGO MALCHER | |
Auf heftige Kritik seitens ehemaliger entführter Mercedes-Arbeiter und | |
deren Angehöriger ist der von dem Berliner Völkerrechtler Christian | |
Tomuschat am Montag in Stuttgart vorgestellte Bericht über die | |
Verstrickungen von Mercedes-Benz in die Verbrechen des argentinischen | |
Militärregimes (1976–1983) gestoßen. „Der Bericht ist eine parteiliche | |
Auftragsarbeit“, sagte Ramón Segovia, Sprecher der ehemals entführten | |
Mercedes-Arbeiter, der den Bericht von einem Freund per Fax geschickt | |
bekam. | |
Tomuschat kommt in seiner Untersuchung über die Verstrickungen von Mercedes | |
in die Verbrechen der Diktatur zu dem Schluss, dass sich der Konzern nichts | |
zu Schulden habe kommen lassen (s. taz von gestern). Während der | |
argentinischen Militärdiktatur wurden 18 Mitglieder des unabhängigen | |
Betriebsrats von Mercedes-Benz entführt, 15 davon wurden von den Militärs | |
ermordet. Die Gruppe der ehemals entführten Mercedes-Arbeiter wirft dem | |
Konzern vor, mit den Militärs zusammengearbeitet zu haben. | |
Dafür haben sie und die Journalistin Gaby Weber in jahrelanger Kleinarbeit | |
Beweise gesammelt, die Tomuschat ignoriere, meint Segovia. Auch Tomuschats | |
juristische Interpretationen führten bei den ehemals inhaftierten Arbeitern | |
zu Unverständnis. So stellt Tomuschat fest, dass Mercedes-Benz Argentina | |
gegenüber dem argentinischen Geheimdienst den Arbeiter Esteban Reimer als | |
Agitator beschuldigt hat. Am 5. Januar 1977 wurde Reimer entführt und | |
später ermordet. Weil aber Mercedes-Benz erst nach Reimers Entführung | |
Bilder und Adresse Reimers an die Militärs weitergegeben habe, ist das für | |
Tomuschat keinerlei Beleg für Anstiftung zum Mord. | |
Auch die taz wird in Tomuschats Bericht kritisiert. Am 30. Juli 2002 | |
berichtete die Journalistin Gaby Weber von den Wahrheitstribunalen in La | |
Plata. Sie schildert die Aussage von Pablo Cueva, ehemaliger Justiziar bei | |
Mercedes-Benz Argentina. Cueva bekundete vor Gericht, Mercedes-Benz | |
Argentina habe jährlich Sachspenden in Höhe von zwei Millionen US-Dollar an | |
die Polizeireviere in der Nähe des Werks verteilt. So habe die Firma | |
medizinische Geräte zur Behandlung von Frühgeburten der Armeekaserne Campo | |
de Mayo geschenkt. Wohlgemerkt: nicht an das Militärhospital, sondern an | |
die Kaserne. Dort waren während der Diktatur Schwangere gefangen, die | |
Geburt wurde künstlich eingeleitet. Danach wurden die Mütter ermordet, die | |
Babys Militärs übergeben. Vor argentinischen Gerichten sind zahlreiche | |
Verfahren wegen Babyraubs in der Sache anhängig. | |
In seinem Bericht kommt Tomuschat zu dem Schluss, dass Mercedes-Benz | |
unmöglich medizinische Geräte der Kaserne geschenkt haben kann. Der Grund: | |
In den Firmen-Archiven gebe es dazu keine Hinweise. Zudem habe Tomuschat | |
mit dem heutigen Direktor des Militärhospitals gesprochen, der erklärt | |
habe, dass spontane Spenden an das Hospital nicht möglich seien. Die | |
Aussage Cuevas nimmt Tomuschat nicht zur Kenntnis. | |
10 Dec 2003 | |
## AUTOREN | |
INGO MALCHER | |
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