# taz.de -- Der Mann, der das „fringsen“ erfand und alten Nazis half | |
> Heute vor 25 Jahren starb einer der populärsten Erzbischöfe Kölns: Joseph | |
> Frings. Das offizielle Köln strickt weiter am verklärten Bild eines | |
> sanft-patriarchalen Volkskardinals. Dabei war Frings ein Mann ganz nach | |
> dem Geschmack des heutigen Papstes: dogmatisch der Hierarchie | |
> verpflichtet | |
KÖLN taz ■ Mit einer Kranzniederlegung wird Kölns OB Schramma heute des 25. | |
Todestages von Joseph Kardinal Frings gedenken – und ohne Zweifel eine | |
Lobeshymne auf den Ehrenbürger singen. Dabei wissen die meisten Kölner | |
nicht viel mehr von dem Kirchenmann, als dass er in seiner Silvesterpredigt | |
1946 den Kölnern einen Freibrief zum „Organisieren“ von Kohlen und anderen | |
Dingen des täglichen Bedarfs ausstellte – seitdem als „fringsen“ bezeich… | |
–, obwohl Frings dies im nächsten Satz der Predigt wieder einschränkte. | |
Doch das wird lieber ignoriert, das offizielle Köln strickt munter weiter | |
am verklärten Bild eines sanft-patriarchalen Volkskardinals – ein Bild, das | |
Frings selber sehr behagte. Aber wer war dieser Kardinal nun wirklich? | |
Der 1887 geborene Neußer Fabrikantensohn Richard Joseph Frings nahm 1905 | |
das Studium der Theologie auf, 1942 wurde er zum Kölner Erzbischof ernannt. | |
1943 verurteilte Frings in einem Hirtenbrief die Tötung Geisteskranker, | |
behinderter Kinder und Kriegsgefangener durch die Nazis; ernsthafte | |
Konsequenzen bekam er dafür nicht zu spüren. Der Sorge um die Bedürftigen | |
blieb Frings immer treu, so gab er den entscheidenden Anstoß zur Gründung | |
der Hilfswerke Misereor und Adveniat. | |
Allerdings hatte Frings ganz eigene Vorstellungen davon, wer bedürftig sei. | |
Nach 1945 schwang er sich nicht nur zum Anwalt und Beschützer der unter den | |
Besatzungsmächten „leidenden“ Bevölkerung und der Heimatvertriebenen auf, | |
sondern stellte sich auch vor verurteilte Nazi-Verbrecher. Ein Engagement, | |
das sich später in heftiger Agitation gegen die Anerkennung der | |
Oder-Neiße-Linie fortsetzte. Hier schreckte Frings nicht mal vor der | |
Verunglimpfung polnischer Amtskollegen zurück. | |
## Absolution für Kohlenklau | |
Nichtsdestotrotz war Frings mit Sicherheit ein Mann so ganz nach dem Herzen | |
des derzeitigen Papstes. Beide verbindet ein nach Außen hin offenes, den | |
Kontakt mit Andersdenkenden suchendes Wesen mit einem unnachgiebigen | |
Festhalten an den Dogmen der katholischen Kirche und ihrer Hierarchie. So | |
kritisierte Frings während des zweiten Vatikanischen Konzils (1959-65), | |
dass die Inquisition über dem Kirchenrecht stand, aber nicht etwa um sie | |
abzuschaffen, sondern um sie dem Papst unterzuordnen, dessen bedingungslose | |
Anerkennung als höchste Autorität dem Kölner Kardinal zeitlebens ein | |
Anliegen war. | |
Außerdem war Frings stets um eine stärkere Beteiligung der Laien in der | |
katholischen Kirche bemüht. Was er darunter verstand, sieht man an seiner | |
Unterstützung des berüchtigten Opus Dei bei dessen Ausbreitung in | |
Deutschland. Noch 1975 verwandte sich Frings beim Papst für die rasche | |
Selig- und Heiligsprechung des Ordensgründers Escrivá de Balaguer. Auch in | |
der weltlichen Politik machte Frings sich bemerkbar. Wir verdanken ihm | |
nicht nur die halbherzige Trennung von Staat und Kirche im Grundgesetz und | |
der NRW-Landesverfassung, sondern indirekt auch die staatlich kontrollierte | |
Kirchensteuer. | |
Insgesamt betrachtet ist Joseph Frings eine Figur der jüngeren Geschichte, | |
der man, wie immer man sein Wirken auch bewerten mag, mit der Reduzierung | |
auf eine Absolution fürs Kohlenklauen sicherlich nicht gerecht wird. | |
FLORIAN SCHMIDT | |
17 Dec 2003 | |
## AUTOREN | |
FLORIAN SCHMIDT | |
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