# taz.de -- Zwischen den Bausteinen | |
> Felix Nussbaums Appell „Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht | |
> sterben“ verhallte in seiner Geburtsstadt Osnabrück jahrelang ungehört. | |
> Den 100. Geburtstag des jüdischen Künstlers allerdings feiert die Stadt | |
> ausgiebig, auch weil sich zeigt: Nussbaum passt bestens in das Konzept | |
> „Friedensstadt“ | |
aus OsnabrückThorsten Stegemann | |
In Osnabrück wurde er am 11. Dezember 1904 geboren, und in der | |
niedersächsischen Provinz verbrachte Felix Nussbaum nach eigenem Bekunden | |
auch eine „glückliche Jugend“. Doch mit den entscheidenden Schaffensphasen | |
des Malers hatte die beschauliche Hansestadt nichts mehr zu tun. Nussbaum | |
studierte in Hamburg und Berlin, zeigte im hauptstädtischen Ambiente seine | |
ersten Ausstellungen und arbeitete schließlich als Stipendiat der | |
Preußischen Akademie der Künste in der Villa Massimo in Rom. | |
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten blieb er zunächst in | |
Italien und emigrierte dann nach Belgien. Im Exil entstanden unter | |
ständiger Lebensgefahr erschütternde Bilder wie „Selbstbildnis mit | |
Judenpass“ (1943) oder „Triumph des Todes“ (1944), auf denen er sein | |
eigenes Schicksal und gleichzeitig das unvorstellbare Leid dokumentierte, | |
das Millionen Opfer des Nazi-Regimes ertragen mussten. Am 31. Juli 1944 | |
wurde Felix Nussbaum zusammen mit seiner Frau Felka Platek nach Auschwitz | |
deportiert und dort ermordet. | |
Der eindringliche Appell, den der Maler an seine Nachwelt gerichtet hatte – | |
„Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben!“ – schien | |
jahrzehntelang ungehört zu verhallen. Von Felix Nussbaum wollte seine um | |
Wiederaufbau und schnelles Vergessen bemühte Heimatstadt ebenso wenig | |
wissen wie von Erich Maria Remarque, dem in Osnabrück geborenen und später | |
emigrierten Autor des Weltbestsellers „Im Westen nichts Neues“. | |
Es dauerte fast dreißig Jahre, bis 1971 die erste Ausstellung mit | |
restaurierten Bildern aus dem Nachlass des Malers veranstaltet wurde. | |
Allerdings fand der Gedanke, dass man vielleicht sogar stolz sein könne, | |
„sich Vaterstadt Nussbaums nennen zu dürfen“, nun eifrige Befürworter. Se… | |
Stararchitekt Daniel Libeskind Osnabrück mit dem 1998 eröffneten | |
Felix-Nussbaum-Haus ein viel beachtetes Wahrzeichen bescherte, gehört der | |
Maler endgültig zu den wichtigsten Imageträgern der selbst ernannten | |
Friedensstadt. Unter diesem Markennamen präsentiert sich Osnabrück als | |
Austragungsort des Westfälischen Friedens von 1648, Sitz der Deutschen | |
Stiftung Friedensforschung und des Kindeshilfswerks terre des hommes, | |
Veranstalter der Osnabrücker Friedensgespräche sowie als kultureller | |
Heimathafen für das Remarque-Zentrum und eben das Felix-Nussbaum-Haus. | |
Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip scheint manchmal selbst ganz erstaunt zu | |
sein, „wie gut sich die Elemente der „Friedensstadt“ zueinander fügen.�… | |
sieht auch Kulturdezernent Reinhard Sliwka so, für den gerade Nussbaum „ein | |
ganz wichtiger Baustein“ im Rahmen der Osnabrücker Selbstdarstellung ist. | |
Rückschläge wie die schnöde Ablehnung der Bewerbung für die | |
„Kulturhauptstadt Europas 2010“, die gar nicht über die niedersächsische | |
Vorauswahl hinauskam, stecken die Betroffenen tapfer weg. Schließlich | |
bietet der 100. Geburtstag des Malers schon wieder ausreichend Gelegenheit, | |
den großen Sohn mitsamt seiner nicht ganz so großen Stadt in den | |
Mittelpunkt zahlreicher kultureller Aktivitäten zu stellen. | |
„Zeit im Blick. Felix Nussbaum und die Moderne“ heißt die imposante | |
Ausstellung in des Malers eigenem Museum. Bis zum 28. März 2005 werden 40 | |
seiner Arbeiten insgesamt 130 Bildern berühmter Zeitgenossen wie Max | |
Liebermann, Käthe Kollwitz, Paul Klee, Otto Dix oder Pablo Picasso | |
gegenübergestellt. Museumsdirektorin Inge Jaehner will Nussbaum auf diese | |
Weise im Umfeld seiner Vorbilder, Weggefährten und Leidensgenossen | |
präsentieren: In vier Etappen soll Nussbaums Frühwerk, der schwierige Weg | |
ins Exil, das Phänomen der endlosen Selbstbetrachtung und schließlich die | |
zunehmende Todesgewissheit mit anderen künstlerischen Herangehensweisen | |
verglichen werden. | |
Jaehner interessiert sich ebenso wie ihre wissenschaftliche Beraterin Rosa | |
von der Schulenburg weniger für werbewirksame Aushängeschilder als für eine | |
ästhetische Standortbestimmung. Nicht das Schicksal des Menschen, sondern | |
die herausragende Leistung des Künstlers Felix Nussbaum steht deshalb im | |
Mittelpunkt der Ausstellung. Von der Schulenburg attestiert Nussbaum zwar | |
keine stilistische Brillanz, gleichwohl sei der Geehrte „ein Meister der | |
figurativen Kunst“ und obendrein ein „großer Kommunikator“ gewesen. Im | |
Kontext der namhaften Kollegen werde besonders deutlich, wie entscheidend | |
der Maler zu einer „Signatur der Moderne“ beigetragen hat. | |
Zwei ambitionierte Theaterprojekte bilden neben Konzerten, Vorträgen und | |
Lesungen das Begleitprogramm zum Jubiläumsjahr. Unter der Leitung des | |
Choreografen Gregor Zöllig zeigt das Tanztheater der Städtischen Bühnen ein | |
Projekt mit dem Titel „Haut. Salz. Körper“: Tanz, bildende Kunst und | |
zeitgenössische Musik verbinden sich zu einer experimentellen Hommage an | |
Felix Nussbaum. In der Osnabrücker Probebühne inszeniert Peter Junk in | |
seinem Stück „Fluchtpunkt Ostende“ fiktive Treffen Nussbaums mit gleich | |
gesinnten Schriftstellern wie dem „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch, | |
Irmgard Keun, Ernst Toller, Joseph Roth und Stefan Zweig. | |
An der Ernsthaftigkeit der künstlerischen Bemühungen ist kaum zu zweifeln, | |
doch das Gesamtkonzept muss sich ein paar Fragen gefallen lassen. Braucht | |
Nussbaums Vermächtnis diese festspielartigen Begleitumstände? Entspricht | |
das politische Problembewusstsein der Veranstalter auch dem der restlichen | |
Bevölkerung? Und wie ist eigentlich Nussbaums 30. Geburtstag in Osnabrück | |
gefeiert worden? Oder der 40.? Oder der 50., den er selbst schon nicht mehr | |
erleben durfte? | |
Weitere Informationen zur Ausstellung unter [1][www.zeit-im-blick.de] | |
8 Dec 2004 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit-im-blick.de | |
## AUTOREN | |
Thorsten Stegemann | |
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