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# taz.de -- Flüchtlingsdrama in Kongos Bergwäldern
> Die neuen Kämpfe in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu haben bis zu
> 180.000 Menschen in die Flucht getrieben. Ganze Ortschaften von Soldaten
> leer geplündert. Die UN-Blauhelme tun bislang nichts, Hilfe ist kaum
> möglich
BERLIN taz ■ Die Demokratische Republik Kongo erlebt dieser Tage ihr
größtes Flüchtlingsdrama seit dem Amtsantritt der Allparteienregierung im
Sommer 2003, die dem Land eigentlich Frieden bringen sollte. 180.000
Menschen sind nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Human Rights
Watch“ (HRW) in der Region um die Stadt Kanyabayonga in der
ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu auf der Flucht. Sie fliehen vor Kämpfen
zwischen dem lokalen Militär der Provinzregierung in Nord-Kivus Hauptstadt
Goma und den von Kongos Zentralregierung in der Hauptstadt Kinshasa
entsandten Armeeeinheiten. Viele der Vertriebenen harren völlig mittellos
in den Bergwäldern unweit ihrer Heimatdörfer aus.
Die Soldaten aus Kinshasa waren Anfang des Monats von Kongos Präsident
Joseph Kabila entsandt worden, um eine Militärintervention Ruandas
abzuwehren. Stattdessen bekämpfen sie nun die von ruandischstämmigen
Kongolesen geführte Provinzregierung Nord-Kivus und deren Armee. Die Armee
Nord-Kivus wehrte letzte Woche einen Vorstoß der Kabila-Soldaten aus Beni
nach Süden Richtung Goma ab und nahm die 100.000 Einwohner zählende Stadt
Kanyabayonga sowie angrenzende Orte ein. Mittlerweile soll sich die
Frontlinie 25 Kilometer nördlich von Kanyabayonga befinden.
Gestern rief die Provinzregierung in Goma zum Ende der Kämpfe auf. Weitere
Kämpfe werden allerdings aus anderen Teilen Nord-Kivus gemeldet. Die
Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) musste Anfang der Woche zum ersten Mal seit
Jahren ihre Arbeit im Distrikt Masisi westlich von Goma einstellen.
Hilfswerke machen Soldaten aller Parteien für Übergriffe verantwortlich.
„Alle Truppen leben auf Kosten der Bevölkerung“, so Georg Dörken,
Kongo-Verantwortlicher der DWHH. Die meisten Vorwürfe richten sich aber
gegen die Kabila-Soldaten. Sie haben laut HRW beim Rückzug die Kleinstädte
Kayna und Kirumba ausgeplündert und Fliehende ausgeraubt. „Ärzte ohne
Grenzen“ (MSF) musste die Arbeit in der Region einstellen, weil
Kabila-Truppen ihre Autos gestohlen hatten.
„Die Leute fliehen nicht vor dem Krieg, sondern vor disziplinlosen
Elementen der Armee, die Terror verbreiten, statt die Menschen zu
beschützen“, sagte Augustin Njewa, Distriktverwalter von Lubero, wohin die
meisten Vertriebenen gekommen sind. Kanyabayonga und umliegende Ortschaften
seien leer geplündert. Die DWHH schätzt die Zahl der aus dem Kampfgebiet
nach Norden geflohenen Familien auf 25.000 – das sind über 135.000
Menschen. Weitere Flüchtlinge wurden südlich des Kampfgebietes registriert.
Genaue Zahlen gibt es nicht. Die HRW-Zahl von 180.000 sei „aus der Luft
gegriffen“, denn es gebe keine systematische Registrierung der Flüchtlinge,
erklärte Patrick Ulrich von MSF in Goma der taz. „Es kann aber sein, dass
sich viele Leute im Busch verstecken und erst herauskommen, wenn sie sich
sicher fühlen. Sie sammeln sich nicht in Lagern.“
Die Unsicherheit verhindert, dass Helfer die Vertriebenen erreichen können.
Die in Nord-Kivu stationierten UN-Blauhelme aus Indien und Südafrika
rückten erst gestern erstmals in das Kampfgebiet ein. Kritik äußern
Beobachter am UN-Welternährungsprogramm WFP, das aus Kostengründen keine
kurzfristig abrufbaren Lebensmittelvorräte angelegt habe. In UN-Kreisen
wird nun überlegt, „Schutzzonen“ für Vertriebene einzurichten. Dies soll
heute in Goma beraten werden.
DOMINIC JOHNSON
22 Dec 2004
## AUTOREN
DOMINIC JOHNSON
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