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# taz.de -- Solch eine Welle gab es noch nie
> Weder in Indien noch in Sri Lanka oder Indonesien waren die Behörden auf
> eine Katastrophe dieses Ausmaßes vorbereitet. Entsetzen überall
AUS BANGKOK NICOLA GLASS
Es geschah völlig überraschend gestern Morgen gegen 7.58 Uhr Ortszeit: Das
mächtige Beben brach zunächst über die indonesische Provinz Aceh herein.
„Ich habe nur noch Wassermassen gesehen und zugesehen, dass ich wegkam“,
sagte ein Augenzeuge. Tausende Häuser stürzten ein, viele Menschen flohen
in Panik, Strom- und Telefonleitungen wurden unterbrochen. „Der Boden
wackelte eine ziemlich lange Zeit, das war bestimmt das stärkste Beben in
den letzten 15 Jahren“, mutmaßte Anwohner Yayan Zamzani gegenüber der in
der Hauptstadt Jakarta ansässigen Radiostation El-Shinta.
Das Epizentrum des Bebens lag etwa 150 Kilometer nordwestlich vor der Küste
Sumatras und hatte eine Stärke von 8,9 auf der Richterskala. „Damit ist das
Beben das bislang fünftgrößte seit 1900“, erklärte Julie Martinez vom
US-Erdbebenzentrum in Denver, Colorado. Budi Waluyo vom Amt für
Meteorologie und Geophysik in Jakarta bestätigte außerdem, dass dem großen
Beben etwa zehn Nachbeben gefolgt seien. Außerdem erzeugte das Beben
gigantische Flutwellen, so genannte Tsunamis, die sich bis nach Südindien,
Sri Lanka, Thailand, Malaysia und den Malediven ausweiteten. Allein auf Sri
Lanka starben über 2.000 Menschen. In Südindien seien mehr als 1.000
ertrunken, sagte ein Regierungssprecher gestern in Neu Delhi. Insgeheim
rechnet man jedoch mit noch höheren Zahlen. Viele Unglücksregionen waren
bislang nicht für Hilfskräfte und Armee zugänglich. Im am schwersten von
den Fluten betroffenen südindischen Bundesstaat Tamil Nadu sollen die
Fluten bis zu drei Kilometer ins Landesinnere gekommen sein.
Der indische Premierminister trat gestern sichtlich erschüttert vor die
Kameras. Manmohan Singh sprach in seiner Rede zur Nation vor allem den
Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Unterdessen ist das ganze Ausmaß
der Verluste längst nicht absehbar: Zahlreiche Menschen werden nach wie vor
vermisst, darunter mindestens 400 indische Fischer. „Ich war geschockt, als
ich sah, wie unzählige Fischerboote von den Wellen nach vorn und
zurückgeworfen wurden, so als ob sie aus Papier seien“, berichtet
Augenzeuge P. Ramanamurthy aus dem Nachbarstaat Andhra Pradesh.
Hubschrauber kreisten unaufhörlich über den Unglücksorten, um die Toten zu
bergen und Vermisste zu suchen. Die Krankenhäuser in den Regionen waren
total überfüllt. Mehr als die Hälfte der Küste von Sri Lanka soll von den
Flutwellen betroffen sein. Mindestens eine Million Menschen des
Inselstaates mussten vor Fluten flüchten. Daraufhin rief die srilankische
Regierung den Notstand aus, Präsidentin Chandrika Kumaratunga bat zudem die
internationale Gemeinschaft um Hilfe.
In Indonesien selbst sollen nach Medieninformationen mindestens 1.800
Menschen getötet worden sein. Teils waren die Leichen aus Baumwipfeln
geborgen worden. Die Provinz Aceh und ihre Hauptstadt Banda Aceh waren über
lange Zeit von der Außenwelt abgeschnitten, Informationen über das genaue
Ausmaß der Katastrophe gibt es nach wie vor kaum. Das indonesische Militär
bestätigte im Laufe des Tages, dass es Offizieren nicht gelungen sei, zu an
der Küste gelegenen Armeeposten Verbindung aufzunehmen. Unklar war auch die
Lage auf den Malediven. Es sei der schlimmste Tsunami gewesen, der je die
Inseln heimgesucht habe, so ein Behördensprecher. Das Schicksal von
mehreren hundert Touristen, die sich am Strand aufgehalten hätten, blieb
zunächst ungewiss. Mindestens drei Kinder sollen bei dem verheerenden
Unglück ums Leben gekommen sein.
Schwer betroffen von den Flutwellen war auch der touristische Süden
Thailands: Auf der Ferieninsel Phuket, dem Urlauberort Kho Phi Phi und
anderen Touristenzielen starben nach bisherigen offiziellen Angaben
mindestens 400 Menschen. Nach Medienberichten waren Spaziergänger direkt
vom Strand ins Meer gerissen worden, gegen die bis zu zehn Meter hohen
Wellen waren sie machtlos. Strände wurden völlig überflutet, ganze
Beachresorts und Hotels zerstört. „Wir hatten eine Welle weder gehört noch
gesehen“, so ein österreichischer Urlauber. Dann sei alles sekundenschnell
gegangen: „Überall waren schreiende Menschen.“
Thailands Regierungschef Thaksin Shinawatra hatte angeordnet, die
betroffenen Küstenstreifen zu evakuieren. Auf Phuket und der Insel Phi Phi
ist zwischen Weihnachten und Neujahr touristische Hochsaison. Der
französische Konsul auf Phuket, Paul Chudys, berichtete gestern Nachmittag,
Autos und Motorräder seien von den Wellen weggespült worden, der Flughafen
sei beschädigt. Unterdessen erklärten Polizei und Hilfskräfte in Malaysia,
dass mindestens fünfzehn Menschen in den Fluten starben. Mehrere
zehntausend Anwohner und Urlauber wurden während des Bebens aus Hochhäusern
und Hotels in Penang, Kuala Lumpur und anderen Städten evakuiert.
Deutsche Reiseveranstalter haben unterdessen angegeben, Urlaubern in
Thailand, Sri Lanka oder den Malediven auf Wunsch die Rückkehr zu
ermöglichen. Berichte über mögliche Opferzahlen unter Touristen lagen
zunächst nicht vor. Allerdings ist das Telekommunikationsnetz in vielen
Katastrophengebieten teilweise zusammengebrochen.
27 Dec 2004
## AUTOREN
NICOLA GLASS
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