# taz.de -- Als Dr. Garang die Fronten wechselte | |
> 1983 schickte Sudans Regierung einen Offizier aus. Er sollte eine | |
> Meuterei niederschlagen, doch er wurde ihr Chef. Nun wird er | |
> Vizepräsident | |
NAIROBI taz ■ Dr. John Garang de Mabior ist eine imposante Gestalt. Seine | |
Statur sehr hoch, typisch für das Dinka-Volk des Südsudan. Aber anders als | |
die meisten Dinka ist Garang nicht dünn, sondern kräftig. In den letzten | |
zwei Jahren, in denen er als Diplomat in Kenia am Verhandlungstisch saß | |
statt als Rebellenführer im Sudan im Busch, hat er viele Kilo zugenommen. | |
Wenig ist bekannt über das Leben des 59-jährigen studierten Agrarökonomen, | |
der die letzten 20 Jahre lang Militärstrategien ausdachte. „Es ist | |
schwierig, mit ihm warm zu werden“, meint der britische Journalist und | |
Sudankenner Peter Moszynski. „Garang strahlt eine Kälte aus, die jedem das | |
Gefühl gibt, er sei über die anderen erhaben.“ | |
Als 1983 im Südsudan der Krieg begann, der jetzt zu Ende geht, war Garang | |
Offizier in Sudans Regierungsarmee. Er bekam den Auftrag, eine Meuterei von | |
500 südsudanesischen Soldaten niederzuschlagen. Aber statt den Soldaten | |
eine Lektion zu erteilen, schloss Garang sich ihnen an, übernahm die | |
Führung und erklärte der Regierung den Krieg. | |
Geboren wurde Garang 1945 in einer christlichen Familie in der | |
südsudanesischen Provinz Jonglei. Auf Sekundarunterricht in Tansania folgte | |
ein Studium am Grinell College in Iowa in den USA. Diese Zeit nennt Garang | |
gern die prägende Zeit seines Lebens. Zurück in Afrika, bekam er 1967 eine | |
Stellung an der Universität von Daressalam in Tansania. Da schloss er sich | |
der „University Students African Revolutionary Front“ an, einem | |
Zusammenschluss linker Intellektueller. Viele dieser 68er sind heute in | |
ihren Ländern an der Macht, zum Beispiel Ugandas heutiger Präsident Yoweri | |
Museveni, mit dem Garang seit der Studienzeit eng befreundet ist. | |
Zunächst aber kehrte Garang 1970 zurück nach Sudan und schloss sich der | |
Anyanya-Bewegung an, der ersten Rebellion des Südsudan. 1972 endete diese | |
Rebellion mit einem Friedensabkommen, das dem Südsudan Autonomie gewährte. | |
Die meisten Anyanya-Rebellen bekamen Positionen in Sudans Armee, auch | |
Garang. Innerhalb von vier Jahren war er Bataillonskommandant und wurde zum | |
Training in die USA geschickt: Nach Fort Benning in Georgia, wo übrigens | |
auch Sudans heutiger Präsident Omar el-Beshir ausgebildet wurde. | |
Dann das Jahr 1983, als Garang die Fronten wechselte. Er gründete zusammen | |
mit Kerubino Bol die Rebellenbewegung SPLA. Er kämpfe, „um die | |
Nordsudanesen zu befreien“, sagte er damals. „Genauso wie Khartum mein | |
Territorium fordert, fordere ich Khartum.“ Ein Jahr später startete die | |
damalige Regierung Friedensverhandlungen. Garang sollte Vizepräsident des | |
Sudan werden. Er schlug das Angebot aus. Jetzt, 20 Jahre später, bekommt er | |
dieses Amt doch noch. | |
Es ist eine rätselhafte Karriere, und ähnlich rätselhaft ist die SPLA | |
insgesamt. In zwei Jahrzehnten hat sie sich vom Marxismus zum Christentum | |
gewandt. Dieser Umschwung brachte ihr Geld von christlichen | |
Fundamentalisten in den USA. Ob die SPLA Unabhängigkeit für den Süden | |
wollte oder Autonomie plus Machtbeteiligung im ganzen Land, war nie klar. | |
Dass Garang nur Autonomie wollte, war bekannt, aber andere SPLA-Führer wie | |
Mitgründer Bol, Lam Akol oder Riek Machar wollten die Unabhängigkeit. Sie | |
verließen die SPLA, gründeten eigene Gruppen – und schlossen viel früher | |
als Garang Frieden mit Khartum. | |
Das Ergebnis: Die Südsudanesen bekämpften sich gegenseitig. Erst Ende | |
letzten Jahres musste Garang erneut einen SPLA-internen Putschversuch von | |
Offizieren abwehren, die lieber Unabhängigkeit für den Süden als den | |
jetzigen Friedensvertrag wollen – geführt von der Nummer zwei der | |
Organisation, Salva Kirr Mayardit. | |
Garang führt die SPLA diktatorisch und duldet keine abweichende Meinung. | |
Lange Zeit wurden die Menschenrechte im SPLA-Gebiet mit Füßen getreten. Ein | |
ehemaliger Professor an der Universität von Juba erzählt: „Ich war Berater | |
von Garang. Als ich Garang einmal widersprach, wurde ich nach zwei Wochen | |
Militärausbildung an die Front verfrachtet. Innerhalb eines Monats hatte | |
ich ein Bein verloren.“ | |
„Er war immer ein verschlossener Mann“, bilanziert Peter Verney, | |
Herausgeber des SPLA-nahen Londoner Rundbriefes Sudan Update. „Aber jetzt | |
sehe ich einen Garang, der offener erscheint, ein Politiker wird, | |
vielleicht sogar ein Staatsmann. Oder ist das nur gute PR?“ | |
ILONA EVELEENS | |
10 Jan 2005 | |
## AUTOREN | |
ILONA EVELEENS | |
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