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# taz.de -- „Man vergisst die Zeit, wenn man so drin ist“
> BIOGRAFIE Niemand sitzt so lange im Bundestag wie Wolfgang Schäuble.
> Siebziger, Achtziger, Neunziger, heute. Immer? Ein Gespräch über Glück,
> Sucht und die Schwierigkeit aufzuhören
INTERVIEW GEORG LÖWISCH
Wolfgang Schäuble hat ein schlichtes, ein funktional eingerichtetes Zimmer
mit hellen Möbeln. Bundestag und Ministerien, Bonn und Berlin – dieser Mann
hatte viele Büros, da ist es sehr egal, welche Farbe die Kommode hat.
Vierzig Jahre ist er im Parlament. Vier Jahrzehnte. Was ist da die neueste
Griechenlandmeldung, was der Steuerkrach im Deutschlandfunk? Die normale
Tagesdosis?
sonntaz: Herr Schäuble, dieses Jahr werden Sie siebzig Jahre alt. Was wird
sich für Sie persönlich ändern?
Wolfgang Schäuble: Wenig bis gar nichts. Klassische gute Vorsätze musste
ich zum Jahreswechsel nicht fassen, denn im siebzigsten Lebensjahr ergibt
sich das Maßhalten von alleine. Und das Rauchen hab ich schon aufgehört.
Die Politik kosten Sie aber aus?
Politik ist und bleibt spannend. Und ich bin froh, dass ich gesund bin.
1972 waren Sie Finanzbeamter in Freiburg. Hätten Sie weitergemacht, wären
Sie längst Pensionär. Können Sie sich so einen Alltag vorstellen?
Warum nicht? Ich wäre allerdings nicht Steuerbeamter geblieben, ich wollte
eine Anwaltskanzlei eröffnen. Dann hatte ich plötzlich die Möglichkeit,
Bundestagskandidat zu werden.
Ihre Frau hat das einmal erzählt: Eines Abends kam ein Anruf der Jungen
Union. Sie hatten eine Stunde Bedenkzeit für die Entscheidung, ob Sie
Abgeordneter werden wollen.
Meine Frau und ich hatten nicht den Plan, dass ich Berufspolitiker werde.
Sie wäre auch gern in Freiburg geblieben. Aber ich habe der Versuchung
nicht widerstanden.
Warum?
Es muss vom Vater kommen, er war ein paar Jahre im badischen Landtag. Wir
waren drei Brüder – der Älteste ist leider letztes Jahr gestorben. Alle
drei waren politisch engagiert. Mich hat die Politik fasziniert, schon in
der Studienzeit. Wenn Sie Ihre Leidenschaft zum Beruf machen können, dann
ist es schwer zu sagen: Das mach ich nicht. Ich hab’s nicht bereut. Obwohl
wir damals, ich war ja erst dreißig, noch Witze gerissen haben, wie lang
ich es im Bundestag aushalten muss, damit es bis zur Pensionierungsgrenze
reicht. Das hat sich jetzt etwas überholt.
Heute ist der Witz: Schäuble geht in Rente.
Gut. So ist es halt. Aber ich bin nicht in dem Maße abhängig von der
Politik, dass ich ohne sie nicht leben kann. Ich hab das wieder über
Weihnachten gemerkt, da fehlte mir nichts.
Ihr Bruder Thomas, der Landesminister war und längst aus der Politik
ausgestiegen ist, sagt, Sie seien politiksüchtig.
Ich hab das gelesen. Es ist schon wahr: Die Politik ist etwas, was mich
immer schon und immer noch packt. Aber schauen Sie mal, was Sucht betrifft:
Anders als mein Bruder habe ich das Rauchen aufgehört.
Was ist das Hochgefühl in der Politik?
Es gibt Menschen, die wollen nicht mitlaufen, sondern in einer Gruppe
mitentscheiden, wie es läuft. Das fängt oft in der Schule an. Wenn man
Glück hat, wird es später zum Beruf.
Produziert der Körper Glücksstoffe wie bei Sportlern?
Wahrscheinlich schüttet man Adrenalin aus. Man vergisst die Zeit, wenn man
in Diskussionen und Verhandlungen drin ist. Obwohl es auf Dauer viele
Sitzungen gibt, in denen sich der Adrenalinausstoß in Grenzen hält.
Sie sitzen länger im Bundestag als jeder andere Abgeordnete. Politik ist
für Sie endlos, nicht?
Vermutlich werde ich mich, solange ich bei klarem Verstand bin, immer für
Politik interessieren. Politische Ämter aber sind endlich.
Im Parlament können Sie doch so lange bleiben, wie Sie wollen.
Gewählt werden muss man ja schon. Es ist natürlich auch meine Entscheidung.
Ich habe mir in der Vergangenheit immer mal wieder überlegt: Macht es noch
Sinn? 2002 hat mich Stoiber früh bedrängt, in seiner Mannschaft dabei zu
sein. 2005 war es ähnlich. 2009 stellte sich die Frage nicht, weil ich
Minister war.
1990 schoss ein psychisch Kranker auf Sie, seither sitzen Sie im Rollstuhl.
Als es damals darum ging, ob Sie weitermachen mit der Politik, sollen Sie
zu Ihrer Frau gesagt haben, sie könnten jetzt keine zweite große
Veränderung durchmachen. Wurde die Politik für Sie existenziell?
So war es nicht. Meine Frau und meine Kinder hatten Angst, ob ich überhaupt
überlebe. Dann hat Kohl gesagt: „Der kann weiter Minister bleiben.“ Ich lag
dann im Krankenhaus und habe mit meiner Frau überlegt: Was ist die bessere
Option? Was ist nach diesem schweren Einschnitt in meinem Leben der
richtige Weg weiterzumachen? Wo werde ich gebraucht, was macht am meisten
Sinn? Natürlich hat obendrein gerade in der Zeit nach dem Attentat die
Politik manches psychisch leichter gemacht. Und so habe ich weitergemacht.
Politik war Ihre Reha?
Ich kenne einen Maurermeister, der vom Gerüst gefallen ist und aufhören
musste. Finden Sie mal einen neuen Beruf, wenn Sie schon eine Aufgabe
hatten, die Sie fasziniert, die Sie befriedigt, die den Adrenalinausstoß
befördert und die einem das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. Ich hab nicht
zu klagen.
Sie haben sich früher in einem Buch ein Leitmotiv gewählt: den Sagenhelden
Sisyphos, der verdammt ist, einen Felsbrocken den Berg hochzuwuchten – der
immer wieder runterrollt. Wie kamen Sie darauf?
In der Politik ist Gestaltung unter freiheitlichen Bedingungen ein Stück
weit nicht auf ein Endziel bezogen. Es ist der Versuch, Situationen zu
bewältigen oder Dinge in eine Richtung zu bringen. Es geht vorwärts, es
geht rückwärts. Aber das immerwährende Bemühen, den Stein den Berg
heraufzubringen, das ist die Politik.
Trifft das Bild heute auf Sie zu?
Ja. Camus hat geschrieben, dass Sisyphos ein glücklicher Mensch war. Das
bin ich auch.
Albert Camus hat auch geschrieben: „Ein Gesicht, das sich so nahe dem Stein
abmüht, ist selbst bereits Stein.“
Die Politik hat mein Gesicht geprägt, natürlich.
Ist es nicht frustrierend, wenn man nie fertig ist?
Wenn Sie fertig sind, wo sind Sie dann? Auf dem Friedhof.
Das Sisyphos-Bild passt auch zur Eurokrise. Sie schnüren ein Rettungspaket
– und schon reicht es wieder nicht.
Sie dürfen das grundsätzliche Bild nicht auf ein einzelnes politisches
Problem anlegen. Auch nicht auf die europäische Einigung. Da kommen wir
voran. Aber selbst, wenn wir eines Tages Europa geeinigt haben, werden neue
Entwicklungen kommen. Das Regelungsmonopol von Nationalstaaten existiert in
vielen Bereichen nicht mehr. Dem Euro müssen wir hinzufügen, was wir in den
Neunzigern nicht erreicht haben: eine politische Union.
Sie meinen, den Fehler von Maastricht zu korrigieren?
Es war kein Fehler. Es wäre falsch gewesen zu sagen: Ohne die politische
Union machen wir es gar nicht. Jean-Claude Juncker aus Luxemburg hat damals
gesagt: Der Euro wird sich als Vater vieler weiterer Fortschritte
herausstellen, weil er sie erzwingen wird. So ist es jetzt. In Krisen
bewegen wir uns eher voran als in vermeintlich guten Zeiten.
Sie glauben an eine erzwungene europäische Einigung?
Sie kriegen in Europa gar nichts hin, wenn Sie die Menschen nicht von der
Einigung überzeugen. Wir lernen aus Fehlern, und genauso lernen wir aus
Krisen. Wenn eine Lösung für Europa gut ist, ist sie gut für Deutschland,
das wird nun immer deutlicher. Und wenn etwas für Europa schlecht ist, kann
es nicht gut für Deutschland sein.
Die Entscheidung, den Euro auch ohne politische Union einzuführen, geht
maßgeblich auf Helmut Kohl zurück. Was für eine Ironie, dass Sie das jetzt
für ihn reparieren müssen.
Weiterentwickeln. Kohl wollte die politische Union. Er hat sie nicht
gekriegt und stand vor der Entscheidung: Machen wir die Währungsunion
trotzdem oder nicht? Er hat richtig entschieden. Der erste große Ansatz
einer politischen Union ist 1954 in der französischen Nationalversammlung
mit den EVG-Verträgen gescheitert. Deswegen ist man mit der
wirtschaftlichen Integration vorangegangen, weil das die Menschen
akzeptiert haben. Daraus hat sich allmählich Zustimmung zu politischen
Einigungsschritten ergeben. Führung ist notwendig, aber sie bedeutet nicht
befehlen, sondern überzeugen.
Und die geplante Zusammenarbeit in Haushalts- und Steuerfragen? Wird diese
Fiskalunion nicht auch so ein Fels, der wieder runterkullert?
Das ist die derzeit mögliche Form der politischen Union.
Es ist doch überhaupt nicht klar, ob das klappt.
Wahrscheinlich nicht zu hundert Prozent meiner Vorstellungen, denn das
hätte jetzt eine Änderung des Lissabonvertrags bedeutet. Dies war aber
wegen Großbritannien nicht möglich. Aber wir werden viel von dem, was wir
ursprünglich wollten, verwirklicht kriegen – hoffentlich sogar sehr viel.
Das Fiskalpaket wird ermöglichen, dass alle Länder Grenzen für ihre
Haushaltspolitik akzeptieren. Mit Regeln, die notfalls von den
Institutionen erzwungen werden. Und auf eine zukünftige dementsprechende
Vertragsänderung kann man ja auch noch hoffen.
Und für Sondersituationen gibt es dann wieder Ausnahmen.
Wir wollen automatische Sanktionen. Und der Währungskommissar muss das
Recht haben, bei Ländern, die schon in Defizitverfahren drin sind, den
Haushalt zurückzuweisen. Er soll dieselben Rechte bekommen wie der
Wettbewerbskommissar in seinem Bereich. Der kann eine Fusion ja auch
verbieten, ohne dass jemand auf die Idee kommt, dass es die nationale
Souveränität verletzt. Denn so weit haben wir die Souveränität
richtigerweise schon abgegeben.
Was missfällt Ihnen an all den Gipfeln und Ministertreffen?
In Brüssel ist es manchmal langatmig. Wir sind 27 Mitgliedsländer plus
Institutionen. Wenn dann ein jeder spricht, dann können die Stunden
rumgehen, ohne dass man sich so zügig wie gewünscht der Lösung nähert, und
am nächsten Tag öffnen die Märkte. Da kommt dann das Adrenalin. Wenn man
müde wird, kann man auch mal die gute Laune verlieren.
Sie werden scharf?
Es ist eher so, dass ich manchmal – aber selten – am nächsten Tag jemandem
sagen muss: „Hör mal, ich hab nicht dich, sondern die Sitzung gemeint.“
Aber die Finanzminister in Europa kennen sich gut, das kommt mit der
Häufigkeit der Treffen. Da weiß ich, wen ich wie überzeugen kann. Da ist
jeder mal ein wenig müde.
Sie sortieren Ihre Gesichter? Da gibt es den charmanten Schäuble, den
schneidenden …
Ich wirke wahrscheinlich manchmal weniger subtil, weil ich in den Sitzungen
Englisch rede. Ich kann mich da gut verständlich machen, aber für die
linguistischen Feinheiten reicht es nicht immer ganz. Da bin ich nicht so
sanft und elegant wie im Alemannischen.
Das ist eher Ihr Entwarnungsgesicht, wenn Sie in den badischen
Heimatdialekt fallen.
Das Alemannische ist ja eher freundlich. Wenn du da sagscht: „Du Simpel“,
dann meine mir das nit so. Mit meinem Englisch geht das nicht so einfach.
Aber es ist immer noch besser als mit der Simultanübersetzung, da ist mit
Ironie gar nichts zu machen. Da spielen ja auch der Gesichtsausdruck und
die Gestik eine Rolle. Wer in der EU Englisch als eine Art Muttersprache
spricht oder lange im englischsprachigen Raum gelebt hat, der hat da auf
jeden Fall einen Vorteil.
Ihnen wird im Mai der renommierte Karlspreis der Stadt Aachen für
Verdienste um Europa verliehen. Wie wichtig ist so etwas für Sie?
Das ist eine große Ehre.
Kohl und Merkel, Ihre Schicksalsfiguren, haben ihn schon.
Beide haben ihn sehr verdient. Angela Merkel hat ihn für ihren Einsatz für
den Vertrag von Lissabon erhalten, der ja unter der deutschen
Präsidentschaft 2007 aus der Taufe gehoben wurde und der ein wichtiger
Schritt hin zu einem gestärkten Europa war. Und Kohl hat große Verdienste
für die europäische Einigung.
Hört sich entspannt an. Früher wollten Sie überhaupt nicht über Ihren
einstigen Mentor reden.
Über meine persönliche Beziehung zu Helmut Kohl muss ich auch nicht reden,
weil sie beendet ist. Aber das ändert nichts an der Bewertung seiner
Leistung. Ich hab einen erheblichen Teil meiner Laufbahn in einer engen
Verbindung zu ihm zugebracht.
Er war Ihr Vorgesetzter.
Er war nicht mein Vorgesetzter. Als mein Vater noch Landtagsabgeordneter
war, kam einmal der badische Staatspräsident Leo Wohleb zu uns nach
Hornberg im Schwarzwald. Ich hab meinen Vater gefragt: „Ist das dein
Vorgesetzter?“ Da hat er gesagt: „Nein, der wählt nicht mich, ich wähl
den.“ Das ist auch mein demokratisches Verständnis. Wenn mich einer fragt:
„Was macht denn Ihre Chefin?“ Da frage ich: „Wen meinen Sie jetzt?“
Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Angela Merkel?
Gut. Wir kennen uns sehr lange. Ich habe Kohl 1994 in der Entscheidung, sie
zur Umweltministerin zu machen, sehr bestärkt. Und ich hab sie der Partei
1998 als Generalsekretärin vorgeschlagen.
Was ist Merkels liebenswürdigste Seite?
Sie beweist regelmäßig, dass sie einen guten Humor hat. Sie lässt sich
nicht von Eitelkeiten leiten.
Sie trauen der Frau, die Sie 2004 bei der Nominierung des
Unions-Präsidentschaftskandidaten verletzte, als sie Sie erst rankommen und
dann fallen ließ?
Da sie mich nicht für das Amt ins Gespräch gebracht hat, konnte sie mich
auch nicht fallen lassen.
Sie waren gar nicht enttäuscht von ihr?
Nein. Ich muss aber zugeben, dass ich damals die FDP-Position – jeder, aber
nicht Schäuble – nicht verstanden habe.
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hat Sie gerade einen „FDP-Hasser“
genannt.
Früher habe ich gedacht, in meiner Partei würde man mir vorwerfen, ich sei
zu fair zur FDP. In den Neunzigerjahren in Bonn war das Verhältnis in der
Regierungskoalition so eng, da ging nichts zwischen Union und FDP. Was
Herrn Kubickis Äußerung betrifft, so fällt diese auf ihn selbst zurück.
Merkel hätte Sie damals durchsetzen können.
Ich kann mich nicht über sie beklagen. Angela Merkel hat mich 2005 im
Wahljahr früh gefragt, was ich gerne machen würde, und gesagt, sie würde
mich gern in der Regierung haben. Sie könne nicht genau sagen, welches
Ressort, aber ich könnte das erste übernehmen, das die CDU in einer
Koalition bekommen würde.
Hauptsache, Sie kamen nicht auf die Idee, Fraktionschef zu werden.
Ach kommen Sie! Ich war Fraktionsvorsitzender vom November 91 bis ins
Frühjahr 2000. Ich kann nicht vierzig Jahre im Parlament sein und Chef
einer Fraktion, in der viele Mitglieder so alt sind wie meine Kinder. Das
hätte nicht zusammengepasst. Als ich Fraktionsvorsitzender in Bonn unter
Kohl war, war das ein Verhältnis zwischen einem Älteren und einem jungen
Nachkommenden. Angela Merkel ist deutlich jünger als ich.
Ist das eigentlich ein Problem?
Das ist nur noch ein Vorzug, mein Alter schafft Vertrauen.
Noch mal zur Präsidentschaft.
Zu welcher Präsidentschaft?
Zum Amt, das Sie nicht bekommen haben.
Ich bin nicht unglücklich, dass es anders gekommen ist.
Warum? Haben Sie Angst, dass es Ihnen ginge wie Wulff, der es jetzt
vergurkt?
Wir reden ja über 2004. Als mir Richard von Weizsäcker damals sagte: „Sie
müssen das machen“, da war ich geschmeichelt. Trotzdem habe ich zu meiner
Frau gesagt: „Ich weiß nicht, ob wir so glücklich wären, wenn ich das
werden sollte.“ Also gab es auch kein Bedauern, als es anders kam.
Auch nicht darüber, was der Herr Wulff da so alles veranstaltet?
Mein Gefühl ist nicht, dass in dieser Geschichte zu wenig geredet wird.
Deswegen leiste ich dazu keinen Beitrag. Zumal ich ja nicht ganz ohne
Vorprägungen in dieser Debatte bin.
Sie meinen, dass Sie auch schon mal ein Parlament belogen haben? 1999 in
der Spendenaffäre.
Nein, das meine ich nicht. Und ich habe das Parlament nicht angelogen. Ich
habe in einer Debatte auf einen Zwischenruf so reagiert, dass der
unbefangene Zuhörer den Eindruck haben konnte, ich hätte bewusst die
Unwahrheit gesagt. Man fragt sich hinterher selbst, wie so was passieren
kann.
Hans-Christian Ströbele rief, ob Sie nach einer Begegnung mit dem
Waffenhändler Schreiber einen Koffer bekommen hätten, sprich: Spendengeld.
Sie antworteten: „Ohne Koffer“.
Ich hatte dargelegt, dass ich den Mann getroffen habe, bei einem Abend, an
dem es darum ging, für den Wahlkampf um Spenden zu werben. Dann kam der
Zwischenruf: „Mit oder ohne Koffer?“ Und da hab ich reagiert: „Ich hab �…
Aktenkoffer dabeigehabt.“ In dem Moment habe ich nicht gesagt, dass ich von
dem am nächsten Tag eine Parteispende angenommen habe. Dafür habe ich
gebüßt.
Sind Ihre Schicksalsfiguren nicht mehr Politiker, sondern Fondsmanager und
Bankchefs?
Es sind unendlich viele Akteure, das ist wahr. Medien spielen auch mit. Und
alle müssen manchmal feststellen, dass sie nicht so viel Macht haben, wie
sie gerne hätten.
Wie unabhängig sind Sie von anderen Politikern?
Ziemlich. Wenn Sie Minister sind, sind Sie zwar vom Regierungschef
abhängig, denn der schlägt einen vor. Und der schlägt einen auch zur
Entlassung vor. Deswegen sollten Sie loyal sein. Meine Loyalität kann aber
nicht mehr bestritten werden, weil ich sie lange unter Beweis gestellt
habe. Ich muss überhaupt nicht mehr viel beweisen.
Und das genießen Sie jetzt?
Ja, das ist schön.
■ Georg Löwisch, 37, ist Leiter des sonntaz-Ressorts. Spricht ebenfalls
Englisch und Alemannisch
21 Jan 2012
## AUTOREN
GEORG LÖWISCH
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