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# taz.de -- Neues Buch von "No Logo"-Autorin Klein: Die Naomi-Show
> Naomi Klein stellt ihr neues Werk "Die Schock-Strategie" vor. Die Autorin
> schlägt sich gut - ohne kritische Nachfragen von Moderator und Publikum.
Bild: In Berlin legte Klein einen filmreifen Auftritt hin. Was ihr fehlte, war …
Der Showdown erinnert an das Vorgeplänkel bei einem Boxkampf. "Ladies and
Gentleman. Please give a warm welcome to Naomi Klein", sagt der
Geschäftsführer der Buchhandlung Dussmann ins Mikro und strahlt. Er klingt
dabei ein bisschen wie Michael Buffer, wenn er Henry Maske ankündigt. Naomi
Klein kommt über einen Fahrstuhl in den Präsentationsraum. Sie schreitet
zwischen den Stuhlreihen entlang, strahlt in die Kameras, zieht neckisch
die Augenbraue hoch.
Klein, seit ihrem Bestseller "No Logo" so etwas wie die Superwoman der
Globalisierungskritiker, präsentiert ihr neues Buch "Die Schock-Strategie.
Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus" - und sich selbst.
Etwa 200 Zuschauer drängeln sich im miefigen Untergeschoss der
Buchhandlung. Alte im Anzug sind dabei und Junge mit Hornbrillen. Weil es
zu wenig Stühle gibt, sitzen einige Frauen im Kostüm recht gewagt im
Schneidersitz auf dem Boden. Die meisten im Publikum sehen in ihren
schicken Klamotten eher nicht aus wie die globalisierungskritische
Zielgruppe von Naomi Klein. Jenseits dieser Gruppe hat Kleins Buch viel
Kritik einstecken müssen, wurde teils als Verschwörungstheorie verhöhnt. Es
könnte ein interessanter Abend werden.
Doch was dann kommt, hat mit einem spannenden Schlagabtausch nichts zu tun.
Denn Moderator Johannes Kaiser befragt Naomi Klein wie ein Sportreporter,
der zum ersten Mal sein großes Idol interviewen darf. Er sieht Heribert
Fassbender verblüffend ähnlich.
Gleich zu Beginn stellt er die provokativste Frage des Abends: Warum ist
denn das Buch so dick? Naomi Klein holt aus: Vier Jahre habe sie an dem
Buch gearbeitet, wurde von Rechercheuren unterstützt. Es sei ihr wichtig
gewesen, dass jede Behauptung belegt ist. Letztlich sei das Buch aber 600
Seiten dick, damit es nicht als Verschwörungstheorie abgetan werden könne.
"Hätte ich geahnt, dass das trotzdem passiert, hätte ich mir viel Zeit und
Arbeit sparen können", sagt Naomi Klein und lacht.
Naomi Klein musste gut recherchieren, denn ihre These ist steil:
Kapitalismus funktioniere genauso wie Folter. "Folterer wollen Menschen
brechen - Ökonomen ganze Gesellschaften", sagt Klein. Immer wenn durch
Katastrophen oder Kriege die Menschen eines Landes die Orientierung
verlieren würden, könnten die neoliberalen Wirtschaftsreformer gnadenlos
zuschlagen. Sie drängten den gelähmten Bürgern, die kurzzeitig wehrlos
sind, den Katastrophen-Kapitalismus auf. Dazu gehörten Privatisierung,
Deregulierung und die Abschaffung des Sozialsystems.
Naomi Kleins Buch ist zornig. Auch ihre Worte an diesem Abend sind teils
wütend, aber sie klingen nicht so. Die Kanadierin redet über Elektroschocks
oder Folter im Irak und strahlt dabei. Ihre Zähne sind so weiß wie die
eines Hollywoodstars. Ihr Auftritt ist filmreif, gerade weil er nicht
gespielt wirkt. Naomi Klein wirkt wie das natürliche, fröhlich winkende
Nachbarskind, auch wenn sie 37 Jahre alt ist.
Klein spricht in druckreifen, kurzen, präzisen Sätzen. Man sucht einen
Teleprompter an der Wand, aber den gibt es nicht. Der Neoliberalismus
steckt für Klein überall. Etwa hinter dem Krieg gegen den Irak, der
komplett an Privatfirmen outgesourct worden sei. Sogar der
Untersuchungsbericht über die Sicherheitsfirma Blackwater, die im Irak
willkürlich auf Zivilisten geschossen haben soll, sei outgesourct worden.
"An wen?", fragt Klein und baut eine drehbuchreife Spannungskurve auf: "An
Blackwater natürlich."
Wir in Europa sollten nicht glauben, all das beträfe uns nicht. Auch
deutsche Unternehmen seien am Katastrophen-Kapitalismus beteiligt: "Die
Buchhandlung hier ist zwar schön. Ich finde es toll, dass sie meine Bücher
verkaufen", sagt Klein. "Aber auch Dussmann ist an 'Homeland Security'
beteiligt, betreibt eine private Sicherheitsfirma und ein
Abschiebegefängnis." Naomi Klein scheut keine Kritik, sie geht auf
Konfrontationskurs. Dem Publikum gefällt das.
Spätestens jetzt hätte auch Moderator Kaiser Kritik üben können. Denn Klein
lässt bei ihrer Argumentation einige Punkte unter den Tisch fallen: dass
die Lebenserwartung und das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen seit den
70er-Jahren gestiegen sind. Dass die UN von weniger Hunger und besserer
Bildung berichtet. Dass Folter als schreckliches Mittel der Machterhaltung
in Regimen auf der ganzen Welt eingesetzt wird - ganz unabhängig von ihrer
Wirtschaftsform. Aber das Publikum darf keine Fragen stellen und der
Moderator beschränkt sich darauf, zustimmend zu nicken und übernimmt ohne
Scheu Kleins Wortschöpfungen wie "Katastrophen-Kapitalismus".
Man hätte Naomi Klein einen ebenbürtigen Gegner gewünscht. Dann wäre es ein
spannender Kampf geworden.
16 Oct 2007
## AUTOREN
Nicole Basel
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