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# taz.de -- Tschetscheniens Präsident Kadyrow: "Wir erledigen sie in wenigen M…
> Für Putin ist er ein Mann des Friedens, für Kritiker ein Mann des
> Terrors. Der Präsident der russischen Teilrepublik, Ramsan Kadyrow, über
> Aufständische, Versöhnung und sein Idol in Moskau.
Bild: Ramsan Kadyrow: "Das Volk ist dankbar."
taz: Herr Kadyrow, Sie haben den Titel "Präsident Tschetscheniens"
abgelegt, da Sie der Meinung sind, in Russland dürfe es nur einen
Präsidenten geben. Wie darf man Sie ansprechen?
Ramsan Kadyrow: Einfach mit Ramsan.
Die österreichische Staatsanwaltschaft wirft Ihnen Beteiligung am Mord an
dem tschetschenischen Oppositionellen Umar Israilow vor, der im Januar 2009
in Wien getötet wurde. Das Gericht will sie nun per Videokonferenz
befragen. Was sagen Sie dazu?
Ich habe mit den Ereignissen in Österreich nichts zu tun. Das wissen alle
sehr gut, die diese Lüge verbreiten. Indem sie den Namen Kadyrow erwähnen,
versuchen sie, eine PR-Kampagne in eigener Sache zu betreiben.
Gibt es die Todesschwadronen und Todeslisten, von denen der österreichische
Grünen-Chef Peter Pilz spricht?
Das ist eine absurde Behauptung! Wenn er die Liste mit den Namen hat, soll
er die doch den Behörden vorlegen. Als Oberhaupt Tschetscheniens möchte ich
mich an die Tschetschenen in Österreich und Europa mit dem Aufruf wenden,
auf solche Propaganda nicht hereinzufallen.
Es existiert keine Liste?
Was kann das für eine Todesliste sein, wenn der Mufti des ehemaligen
Tschetschenien, Bai-Ali Tewsijew, aus Österreich zurückkehrt ist und heute
Imam der zentralen Moschee und Vizebürgermeister von Grosny ist? Hunderte
kehrten heim. Wer solche Gerüchte in die Welt setzt, will nicht zur
Kenntnis nehmen, dass sich Tschetschenien von den beiden Kriegen langsam
erholt und alte Verletzungen verheilen.
Aber in den letzten Monaten häufen sich die Terroranschläge wieder. Auch
Ihr Heimatdorf Zentoroi und das Parlament in Grosny wurden angegriffen.
Wer behauptet, dass der Terror zugenommen hätte?
Der stellvertretende russische Generalstaatsanwalt zum Beispiel, der im
Oktober von 254 Anschlägen seit Jahresbeginn berichtet hat.
Es gab dieses Jahr keinen einzigen Terrorakt. Für mich sind es Satane,
Feinde des Volkes, die versuchen, ihr Unwesen zu treiben. Mein Heimatdorf
Zentoroi ist ein sehr sicherer Ort. Wer reingeht, kommt nicht mehr raus.
Die 12 Todeskandidaten haben wir auf der Stelle vernichtet. Wir erledigen
sie in wenigen Minuten, egal wo sie auftauchen. So war es auch beim
Überfall auf das Parlament. Ein paar Dutzend sind übrig, die werden wir
auch ausschalten. Das können wir gut.
Es gibt also doch Anschläge.
Überall auf der Welt gibt es Terroristen. Nur wenn sie in Russland und
gerade in Tschetschenien auftauchen, ruft das besonderes Interesse hervor.
Und immer ist das mit meinem Namen verknüpft. Schaut her, bei Kadyrow!
Dabei ist es bei uns absolut ruhig.
Wie konnten die Terroristen nach Zentoroi gelangen?
Jeder, der will, kann dorthin. Zentoroi ist frei zugänglich, ohne
verschärfte Sicherheitsvorkehrungen.
Sie haben mehrfach behauptet, Ihnen lägen Beweise vor, dass westliche
Geheimdienste die Terroristen unterstützen, um Russland zu schwächen. Was
sind das für Beweise?
Dazu stehe ich auch heute. Terrorist Nummer eins ist Ahmed Sakajew, der in
London politisches Asyl erhielt.
Sie meinen den Ministerpräsidenten der separatistischen Exilregierung.
Sakajew ist der Kopf der Terroristen, der die Gelder für den Anschlag auf
meinen Vater Ahmed Kadyrow, den ersten Präsidenten Tschetscheniens,
bereitgestellt und auch die Überfälle auf Zentoroi und das Parlament
finanziert hat. Europa kämpft angeblich gegen Terroristen, unseren bietet
es jedoch Schutz. Viele tschetschenische Terroristen können sich in Polen,
Österreich und England frei bewegen.
Die vorgelegten Beweise entsprachen in keinem Fall den internationalen
Standards für ein Auslieferungsverfahren.
Leute, die sich von den Terroristen losgesagt haben, berichteten, dass sie
über Jahre vom georgischen und von westlichen Geheimdiensten ausgebildet
wurden und von ihnen auch mit Stinger-Raketen ausgerüstet wurden. Warum
schicken uns unsere georgischen Brüder unter Führung Saakaschwilis diese
terroristischen Satane ins Land? Saakaschwili, der aufhört zu atmen, wenn
ihm die USA das nicht befehlen. Wenn die USA den Nordkaukasus beherrschen,
können sie noch mehr diktieren.
Warum sollten die USA das tun?
Sie wollen, dass sich Russland nicht sicher fühlt. Früher lief das auch
über die Ukraine, wo heute, Allah sei Dank, wieder normal denkende Leute an
der Führung sind. Der Kaukasus ist Russlands Grenze und eine ganz zentrale
Region. Tausende Beispiele der Infiltration könnte ich noch anführen, ich
möchte aber nicht alle Karten offenlegen.
Der terroristische Untergrund im Nordkaukasus hat sich gespalten in
Islamisten und Separatisten. Was bedeutet das für Tschetschenien?
Für uns hat das keine Bedeutung. Sollen sie sich doch gegenseitig
beschmutzen, das ist nur ein zusätzlicher Beweis, dass es ihnen nicht um
den Menschen geht. Sie wiegeln die Bevölkerung zum Dschihad auf, ihre
eigenen Kinder schicken sie aber nicht in den Krieg. Die leben im Ausland,
studieren an den besten Universitäten. Sollen sie etwa nicht sterben, um
ins Paradies zu kommen?
Sie haben eine Kommission eingerichtet, die die Institution der Blutrache
bekämpfen soll. Zugleich haben Sie Ahmed Sakajew Blutrache geschworen. Wie
ist das zu verstehen?
Nicht ich persönlich habe Sakajew Blutrache geschworen, sondern die
Angehörigen der Terroropfer. Und ob wir es nun wollen oder nicht, die
Blutrache lässt sich aus der Tradition unseres Volkes nicht mir nichts, dir
nichts beseitigen. Sie stammt aus jener Zeit, als es noch keine staatlichen
Rechtsstrukturen gab. Der Rat der Ältesten versammelte sich einmal im Jahr
in der Ebene und sprach Recht. Den Rest des Jahres sollte Blutrache für
Einhaltung der Ordnung sorgen. Daher hat sich die Blutrache bei uns
erhalten, und sie erstreckt sich auch auf die Teufel, die Zentoroi
angegriffen haben.
… und mit denen Ihre Leute kurzen Prozess gemacht haben.
Warum der Spur folgen, wenn man den Bären sieht? Wir können die Blutrache
nicht abschaffen, aber für Versöhnung eintreten. In 153 Konflikten zwischen
306 Sippen ist es uns gelungen. Einige übten Blutrache schon seit hundert
Jahren. Versöhnung im Fall Sakajew ist ausgeschlossen. Er handelt gegen
Islam, Volk und Gesetz.
Dabei wollten Sie ihn doch vor Kurzem noch zur Mitarbeit gewinnen und haben
ihn zur Rückkehr aufgefordert.
Vermutlich waren es Geheimdienste, die ihm die Rückkehr untersagt haben,
vielleicht ist Sakajew auch drogenabhängig. Europa wird Probleme mit diesen
Leuten bekommen, die nicht an ein normales Leben gewöhnt sind. Wir haben
ein Sprichwort: "Wie gut du den Wolf auch fütterst, er schaut trotzdem in
den Wald."
Menschenrechtsgruppen melden immer mehr Überfälle auf amnestierte Rebellen
und unschuldige Personen, die von tschetschenischen Sicherheitskräften
unter der Anschuldigung, Terroristen zu sein oder diesen zu helfen,
festgenommen werden.
Warum sollten die Sicherheitsorgane so etwas tun, zumal ganze Einheiten aus
Amnestierten bestehen? Das würde ich niemals zulassen, weil mein Vater die
Amnestie erkämpfte und mich zum Garanten ernannt hat. Wie kann man so einen
Unsinn über mich schreiben, der jeder Grundlage entbehrt und vor keinem
Gericht standhalten würde!
Die Anschuldigungen richten sich nicht gegen Sie.
Ich würde so etwas nicht dulden. Es gibt bei uns Elemente, die für eine
Kopeke solche Dinge erfinden. Wenn ich schuldig sein sollte, beweisen Sie
es mir! In dem Fall würde ich mich ruhig fühlen und noch mehr den Koran,
die Verfassung und das Gesetz studieren. Ich fürchte nur Allah. Die Hitze
der Hölle werde ich nicht aushalten.
Wie eng ist Ihr Verhältnis zu Moskau? An fast jeder Straßenecke hängen
Porträts von Ihnen, Ihrem Vaters und von Wladimir Putin.
Es wäre schlimm, wenn das Volk diese Porträts zerstören würde. Die
Bevölkerung pflegt sie aber, weil sie uns liebt. Wir sind auf dem richtigen
Weg: Putin/Kadyrow.
Empfinden Sie brüderliche Gefühle für Putin, oder ist es Liebe? Oder ist es
eine Vater-Sohn-Beziehung?
Vater habe ich nur einen und der heißt Ahmed Kadyrow. Putin hat viel für
das tschetschenische Volk getan. Er hat unser Volk gerettet und ihm ein
zweites Leben gegeben. Ich war nach dem Tod meines Vaters in Politik und
Wirtschaft unerfahren, konnte nur mit der Waffe umgehen. Putin hat mir
trotzdem vertraut, und dieses Vertrauen bedeutet mir sehr viel. Daher ist
es nicht falsch, auch von Liebe zu sprechen, wenn auch unter Männern. Ich
verehre diesen Menschen, sehr sogar, und ich werde ihn nie verraten. Er hat
einen männlichen Charakter, die besten menschlichen Eigenheiten und ist ein
ausgezeichneter Staatsmann.
Ist er Ihr Idol?
Ja, mein Idol.
Tschetschenien strebt keine Unabhängigkeit mehr an. Liegt das an Ihrem
Verhältnis zu Putin, oder spielen da weitere Motive eine Rolle?
Unser Volk hat sich in einem Referendum dafür entschieden, das hängt nicht
von Putin oder Kadyrow ab.
Was werden Sie noch unternehmen, um die aufständische Jugend aus den
Wäldern zurückzuholen? Oder ist schon alles getan, was getan werden konnte?
Die Jugend kommt zurück. Es gibt kaum noch junge Leute in den Bergen. Dort
sind nur noch Ratten, die Morde begangen haben. Sie wissen, dass sie keinen
Platz in der Gesellschaft mehr finden.
Wie lange wollen Sie noch an der Spitze Tschetscheniens bleiben? Sind Sie
müde?
Wie kann man müde sein, wenn man für sein Volk Nützliches tut. Das Volk ist
dankbar. Innerhalb von wenigen Tagen habe ich tausende von Verfügungen
erteilt, die auch im Laufe eines Monats erfüllt wurden. 14.000
Tschetschenen habe ich geholfen, ihre Probleme zu lösen.
22 Nov 2010
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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