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# taz.de -- Melanie, 50, Berlin
Obwohl es kontrovers klingt, ist der Winter für mich einfacher als die
anderen Jahreszeiten. Das liegt daran, dass es in dieser Zeit mehr
Anlaufstellen für obdachlose Menschen gibt. Im Sommer dagegen sind die
Plätze begrenzter, die Konkurrenz ist groß. Jedes Jahr erscheint der
Kältehilfewegweiser der Berliner Kältehilfe, wo alle Notunterkünfte
aufgelistet sind.
Um der Kälte zu entkommen, kann man sich in Übernachtungsstätten,
Nachtcafés und Tagesstätten aufhalten. Jede Unterkunft hat ihre Zeiten. Ich
bin zum Beispiel tagsüber beim Unterschlupf e. V., beim Frauentreffpunkt
Sophie oder bei Evas Haltestelle. Zum Schlafen gehe ich in
Übernachtungsstätten, entweder in der Petersburger Straße oder in der
Tieckstraße. Die Plätze sind beschränkt. Ich habe nur wenige Wochen einen
Platz, dann muss ich die Unterkunft wechseln. Bei der Suche nach einem
neuen Platz hilft mir oftmals die Leitung der Einrichtung. Ich halte mich
inzwischen nur noch in Fraueneinrichtungen auf. Hier fühle ich mich wohler
und sicherer als in gemischten Unterkünften, wo oft Alkohol und Drogen im
Spiel sind. Ich brauche meine Ruhe. Außerdem bin ich lesbisch und habe mit
Männern so gut wie nichts zu tun.
In den Einrichtungen kann ich täglich duschen und ein- bis zweimal die
Woche meine Kleidung waschen. Außerdem habe ich oftmals Internetzugang, den
ich für ein paar Stunden am Tag nutzen kann. Man muss nur gut auf seine
Sachen aufpassen, weil hier oft geklaut wird: Ich trage meine immer bei
mir.
Ich komme ursprünglich aus Wiesbaden. Dort habe ich Gewalt erfahren und bin
eines Nachts geflohen. Bevor ich nach Berlin kam, lebte ich einige Zeit in
einem Zelt in Hamburg. Manchmal kamen betrunkene Männer, die nachts daran
rüttelten oder versuchten, es zu öffnen. Ich rief dann ganz laut: „Haut
jetzt endlich ab“, dann ließen sie mich meistens in Ruhe. Die Straße kann
gefährlich sein – auch für Männer, aber besonders für Frauen. Am besten
findet man als Frau Schutz vor [1][Gewalt] in Fraueneinrichtungen.
Ich besitze eine negative Schufa – durch meine Flucht aus der Wohnung sind
Schulden entstanden. Es ist schwierig für mich, eine Wohnung zu finden. Ich
wünsche mir, dass ich geradeaus gehen kann und irgendwann eine feste Bleibe
finde. Lisette Habig
15 Nov 2025
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## AUTOREN
Lisette Habig
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