| # taz.de -- | |
| 1 Die taz bleibt | |
| Diese Ausgabe ist das Ende vom Anfang. Der Anfang, das waren die | |
| vergangenen drei Jahre, in denen die wochentaz parallel zur gedruckten | |
| täglichen Ausgabe der taz erschien. Wir wussten schon damals, dass diese | |
| Phase enden wird. Jetzt, da die taz von Montag bis Freitag nur noch digital | |
| erscheint, beginnt an vielen Kiosken für die wochentaz etwas Neues. Sie | |
| liegt da, neben der Zeit und dem Freitag, und niemand räumt sie am Montag | |
| versehentlich ins Altpapier. Denn die wochentaz als Printzeitung bleibt. | |
| Nicht aus Nostalgie, sondern aus Überzeugung. | |
| 2 Die Welt ist neu | |
| Annalena Baerbock sitzt auf einer Betonmauer auf dem Dach des Auswärtigen | |
| Amtes. Ihre Beine baumeln, hinter ihr ist der Himmel blau. „Wann kleben Sie | |
| sich auf die Straße, Frau Baerbock?“, fragt die Titelzeile, die über diesem | |
| Foto stand. Die erste wochentaz, die am 12. November 2022 an den Kiosken | |
| und in den Briefkästen lag, fühlt sich drei Jahre später historisch an. Sie | |
| wurde in einer Zeit gemacht, in der klar zu sein schien, dass man von | |
| Politiker*innen Klimaaktivismus erwarten kann – und sich dabei nur die | |
| Frage stellt, in welcher Form. „Wie radikal wird die Zukunft?“, fragten wir | |
| auf der Seite 1 und darin steckte auch eine Spur Hoffnung. Heute klingt die | |
| gleiche Frage nur noch nach Angst. Aber gerade in einer Öffentlichkeit, die | |
| sich ständig selbst überholt, wird das gedruckte Nachdenken zum Akt der | |
| Verlangsamung – und damit zur Form von Widerstand. | |
| 3 Die taz war nie fertig | |
| In einer der Konferenzen dieser Woche wurde die erste Ausgabe der taz | |
| hochgehalten. Sie zeigt einen Clown, der einen Pflasterstein mit der | |
| Aufschrift „taz“ wirft. „Wir wollten eine Selbstdarstellung schreiben“, | |
| steht darin. „Aber die Darstellung blieb stets nichtssagend allgemein, oder | |
| es kamen die verschiedenen Ansätze und Wünsche an die taz heraus, die nicht | |
| immer von allen von uns geteilt wurden.“ Kennen wir. Ist aber auch nicht | |
| schlimm. Die taz war nie fertig – und das ist ihr Prinzip. Seit 1978 steht | |
| sie für das Experiment, für den Versuch, anders zu berichten, anders zu | |
| denken, anders zu wirtschaften. Natürlich auch als Podcast und auf Social | |
| Media. Diese Unruhe ist kein Fehler, sondern ein Motor. | |
| 4 Manches wird besser | |
| In dieser ersten taz-Ausgabe, von der wir nur noch ein einziges Exemplar | |
| haben, schreiben auf der dritten Seite die Frauen unter den | |
| Gründer*innen vom Scheitern an ihren feministischen Ansprüchen. „So sind | |
| bis heute in den Ressorts Internationales und Innenpolitik keine Frauen | |
| vertreten, es klafft also in zwei sehr wichtigen Bereichen der taz für uns | |
| ein riesiges Loch, und die Unterstützung der Männer ist leider nicht der | |
| Rede wert.“ Wenn in dieser Woche drei Chefinnen vom Dienst gemeinsam mit | |
| der Chefredakteurin die Themen der wochentaz planen, dann können wir sagen: | |
| Zumindest hier sind wir weiter. Der Frauenmachtanteil liegt in der taz laut | |
| Zählung der Organisation Pro Quote bei 64,5 Prozent. | |
| 5 Veränderungsmomente sind Wir-Momente | |
| „Ich möchte hier nicht die sentimentale Stimmung zerstören“, sagt eine | |
| Kollegin, als die finale Freitagsausgabe der taz fast im Druck ist und | |
| Chefredakteurin Ulrike Winkelmann mal kurz ergriffen schweigt, wie es sonst | |
| nicht ihre Art ist. In einer allerletzten Printtitelrunde wird diskutiert: | |
| Kann das Wort „Seitanwende“ auf die Seite 1, wenn wir zum Anlass der | |
| sogenannten Seitenwende das Küchenteam der taz vorn auf der Zeitung zeigen? | |
| Auf eine historische Titelseite muss ein Du oder ein Wir, findet eine | |
| Kollegin. Die Zeile wurde dann: „Halt dich an deiner Zeitung fest“. Als | |
| wochentaz-Leser*innen können Sie das weiterhin jede Woche tun. | |
| Luise Strothmann und Matthias Kalle | |
| 18 Oct 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Luise Strothmann | |
| Matthias Kalle | |
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