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# taz.de -- Harter Start für Frankreichs Neuen
> Frankreichs neuer Premierminister Lecornu ist an seinem ersten Amtstag
> mit landesweiten Protesten konfrontiert. In mehreren Städten gibt es
> Blockaden und Demonstrationen
Bild: Protestidylle: Polizisten in Toulouse gehen gegen Demonstran*innen vor
Aus Paris Rudolf Balmer
Während in Paris die Regierungsmitglieder der Amtsübergabe zwischen
Frankreichs Ex-Premierminister François Bayrou und seinem [1][von Präsident
Emmanuel Macron ernannten Nachfolger Sébastien Lecornu] beiwohnten,
demonstrierten an unzähligen Orten im Land, vor Schulen und Unternehmen,
auf Straßen und Plätzen viele Tausende unzufriedene Bürger und Bürgerinnen,
vor allem gegen die Sparpolitik. Sie folgten dabei einem seit Wochen auf
sozialen Netzwerken zirkulierenden Appell, [2][an diesem 10. September das
Land zu „blockieren“.]
Die Ringautobahnen um Paris, Rennes und Toulouse wurden vorübergehend von
Demonstrant*innen gesperrt, ebenso eine Autobahn bei Poitiers sowie
eine Ausfahrt in Marseille. Die Zugänge zu rund 180 Mittelschulen wurden
ebenfalls blockiert, einige davon wurden dann nach Konfrontationen zwischen
Jugendlichen und der CRS-Ordnungspolizei geschlossen. In Straßburg wurde
von einer Fahrraddemo berichtet.
Der neue Premierminister Sébastien Lecornu war erst am Dienstag von
Präsident Macron ernannt worden, sein Vorgänger Bayrou hatte zuvor eine
Vertrauensabstimmung am Dienstagabend mit 194 zu 364 Stimmen verloren.
Davor war Lecornu Verteidigungsminister.
In zahlreichen Kommentaren der Medien wird unterstrichen, mit der Wahl
beweise Macron symbolisch, dass er in der Defensive sei. Vor allem aber
gilt Lecornu als Treuester unter den Getreuen des Präsidenten. „Der brave
Soldat Lecornu“, spottet die Zeitung Libération über den neuen Premier.
Der heute 39-Jährige hat bereits eine beachtliche politische Karriere
hinter sich. Er hatte zuerst als konservativer Lokalpolitiker in der
Normandie verschiedene Ämter und galt als Anhänger von Nicolas Sarkozy.
Doch dann verließ er die Partei Les Républicains, um sich der Bewegung En
marche von Emmanuel Macron anzuschließen. Er war von Beginn an, das heißt
ab 2017, Mitglied in allen Regierungen. Zuerst als Staatssekretär, dann als
Minister für Umweltfragen, danach für die Überseegebiete und schließlich ab
2022 Minister der französischen Streitkräfte. In der eher reibungslosen
Zusammenarbeit mit den Militärs hat er sich in der Staatsführung einen
Namen gemacht, blieb aber für die breitere Öffentlichkeit ein
unbeschriebenes Blatt. Er soll jetzt Macrons Sparpläne umsetzen, um die
Französische Staatsverschuldung zu bekämpfen. Dafür sind vor allem
Kürzungen bei Sozialausgaben geplant.
In seiner Eröffnungsrede sprach Lecornu von einer „politischen und
parlamentarischen Krise“, zeigte sich aber zuversichtlich, diese in den
Griff zu bekommen. „Wir schaffen das“, betonte er. Zumindest was die
Proteste betrifft, wurde das noch am selben Tag eingelöst. Fast überall
nämlich griffen die Ordnungskräfte so früh wie möglich ein. Innenminister
Bruno Retailleau hatte dazu 80.000 Angehörige der Polizei und der
Gendarmerie aufgeboten. Er befürchtete Aufruhr oder gar den Beginn eines
Aufstands, denn der Aufruf zu friedlichen Kundgebungen werde von
„linksextremen und ultralinken Gruppen konfisziert und umfunktioniert“,
welche die gewaltsame Auseinandersetzung suchten, so Retailleau.
Die Polizisten sollten vermeiden, dass neuralgische Einrichtungen von
„lebenswichtigem Interesse“ besetzt oder gelähmt würden. So wurden in Par…
rund 1.000 zum Teil maskierte und mit Gasmasken ausgerüstete
Demonstrierende daran gehindert, in den Bahnhof Gare du Nord zu
marschieren. Bei Lyon wurde eine Aktion vor einer Erdölraffinerie gestoppt.
Auch gelang es der Polizei in Paris, an der Porte de la Chapelle die
Errichtung einer Barrikade zu vereiteln und so die wichtigste nördliche
Zufahrt zum Pariser Zentrum offen zu halten. In Clermont-Ferrand versuchten
Demonstrierende vergeblich, den Eingang eines Einkaufszentrums zu sperren.
Noch vor Mittag waren in Frankreich laut Behördenangaben mehr als 200
Personen festgenommen worden.
Dass die Polizei bei ihrem Einsatz nicht immer die Nerven behielt, beweist
ein in den Netzwerken zirkulierendes Video, auf dem zu sehen ist, wie die
linke Abgeordnete Danielle Simonnet von Polizisten der Eingreiftruppe BRAV
mit unnötiger Brutalität aus einem Pariser Café auf die Straße geworfen
wird. Der öffentliche Schienen- und Flugverkehr musste wegen Streiks nur
reduziert werden. Wirklich stillgelegt wurde das wirtschaftliche und
öffentliche Leben in Frankreich nicht. Das verdankt die Staatsführung nicht
zuletzt den 80.000 Ordnungskräften, die neben 30 Hubschraubern und den
üblichen Wasserwerfern auch Drohnen einsetzten, um Ansammlungen schnell
unterbinden zu können.
Ein Programm oder einen gemeinsamen Forderungskatalog der Protestierenden
gibt es nicht. Geeint scheint die Bewegung nur von der Wut, dem ras-le-bol,
auf die Staatsmacht und die Eliten zu sein. Sie wird von linken Parteien
und Organisationen und Gewerkschaften unterstützt, bleibt aber weitgehend
unkontrollierbar, wie vor sieben Jahren die Gelbwesten. Für den 18.
September rufen die Gewerkschaften zu landesweiten Streiks auf.
11 Sep 2025
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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