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# taz.de -- In alle Winde zerstreut
Bild: Foto: Gaby Coldewey
Wenn der Krieg vorbei ist, will ich zurück in die Ukraine. Aber die Kinder
fühlen sich wohl in Deutschland“, sagt Olha Haidamachuk. Seit März lebt die
Ukrainerin mit ihrem Mann und drei Kindern in einem Dorf bei Berlin.
Der Heimatort der 49-Jährigen im Gebiet Luhansk ist russisch besetzt. Die
Stadt Charkiw, in der sie fast dreißig Jahre gelebt hat, steht unter
russischem Dauerbeschuss. Haidamachuk ist außerordentliche Professorin an
der Fakultät für Ukrainistik, Kulturgeschichte und Wissenschaftsgeschichte
der Nationalen Technischen Universität Charkiw. Heute unterrichtet sie nur
noch online. Die Studierenden sind seit 2022 in alle Winde zerstreut.
Ursprünglich stammt Haidamachuk aus dem Bezirk Starobilsk. In Charkiw
studierte sie Ukrainistik, Kulturphilosophie und Philosophische
Anthropologie. Mit Beginn des russischen Großangriffs floh die Familie nach
Krementschuk, kurz darauf zu einer Freundin nach Deutschland. Ihr Mann
hatte sich zwar zur Armee gemeldet, wurde aber aus gesundheitlichen Gründen
abgelehnt. So blieb die Familie zusammen.
Kontakte in die russisch besetzten Gebiete habe sie keine mehr, sagt
Haidamachuk. Doch dann erzählt sie von ihrem jüngeren Bruder. Der lebte
2022 als jung verheirateter Familienvater in Siwerskodonezk, im Westen des
Gebietes Luhansk. Bei Kriegsbeginn war dort alles ruhig. Aber schon bald
wurden die Menschen mit Zügen evakuiert. Ihr Bruder hatte sich gerade ein
Auto gekauft, das er ebenso wenig zurücklassen wollte wie seine Wohnung.
Dann gab es keinen Weg mehr über die Front nach Westen. So kam er nach
Russland, zu Verwandten seiner Frau.
„Das letzte Mal haben wir vor einem Jahr voneinander gehört“, erzählt sie
leise. „Schon sein ukrainischer Nachname kann ihn verdächtig machen. Ich
schreibe auf Facebook über ukrainische Themen. Das kann für ihn gefährlich
sein.“
Kontakte in von Russland kontrollierte Gebiete seien generell
problematisch, sagt Haidamachuk. Denn die Menschen hätten jetzt häufig
russische Telefonnummern. Handys und Chatverläufe würden oft überprüft, da
könnten Verbindungen in die Ukraine verdächtig sein. Ihre Eltern hätten
ihnen im Gebiet Luhansk eine Wohnung vererbt. Wer jetzt darin lebt, ob es
sie überhaupt noch gibt – sie zuckt nur mit den Schultern.
[1][Trumps Gerede über einen Gebietsaustausch hält Haidamachuk für einen
schlechten Scherz]. „Innerhalb international anerkannter Grenzen gehören
alle diese Gebiete dem ukrainischen Volk. Wir haben 2014 kampflos die Krim
verlassen, hat das etwa zu Frieden mit Russland geführt?“. Ein Einfrieren
des Konflikts löse keine Probleme. „Man hätte Putin in Alaska verhaften
sollen, aber man hat ihm den roten Teppich ausgerollt.“ Zu Sowjetzeiten
hieß es scherzhaft: „Wir wurden geboren, um aus Kafka Realität zu machen.“
Jetzt sei Moskau noch weitergegangen mit dem schwarzen Humor, meint
Haidamachuk. „Putin zeigt, dass die Absurdität keine Grenzen mehr kennt.“
Gaby Coldewey
23 Aug 2025
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## AUTOREN
Gaby Coldewey
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