# taz.de -- taz🐾thema: Luft nach oben | |
> Das Theater hat mit dem Rückgang der Zuschauer*innenzahlen zu kämpfen. | |
> Spannendes geschieht zum Teil auf kleineren Bühnen. Ein Ausblick auf die | |
> Theater-Spielzeit 2025/26 | |
Bild: Ist akut bedroht: Das Chemnitzer Schauspielhaus soll abgerissen und an de… | |
Von René Hamann | |
Das Theater steht unter Beobachtung, unter Druck, und das nicht nur zu | |
Unrecht. Es hat sich wie große Teile der Politik zu sehr von den Realitäten | |
der Menschen entfernt und sich in höchst eigene Blasen verwandelt, könnte | |
man etwas profan und oberflächlich sagen. Nicht nur die Zusehendenzahlen | |
gehen zurück. Auch die Relevanz im Kulturdiskurs, der ohnehin brüchig und | |
fragmentiert ist, ist rückläufig. Dazu fehlt es vielerorts an neuen | |
Visionen; vieles ist more of the same. | |
Spannendes geschieht eher an den Rändern des Betriebs, teilweise auf Bühnen | |
in der Provinz. Welche Theaterhäuser haben im vergangenen Jahr für | |
Aufmerksamkeit gesorgt und wie? Und was machen diese Häuser jetzt? Die Neue | |
Bühne Senftenberg in Brandenburg ist so ein Fall. Und ein klassischer von | |
einer- wie andererseits: Einerseits war das Theater unter dem Intendanten | |
Daniel Ris sehr erfolgreich, und zwar sowohl beim Publikum als auch bei der | |
Kritik. Erstaunlich! Doch andererseits ist diese Zeit jetzt schon wieder | |
abgelaufen; Ris muss seinen Hut nehmen. Die Gründe liegen weitgehend im | |
Dunkeln; und dieses Dunkel könnte einen ideologisch-politischen Hintergrund | |
haben. Schließlich dräut nicht nur in Senftenberg der Riesen-Backlash durch | |
die AfD. | |
Um den taz-Korrespondenten Michael Bartsch zu zitieren, der hier allerdings | |
für nachtkritik.de tätig war: „Ris gelang es in den drei Jahren, in | |
gewisser Weise an den kritisch-anspruchsvollen Ruf anzuknüpfen, den das | |
1946 gegründete Theater der Bergarbeiter in der DDR genoss. Er ist | |
verknüpft mit vielen großen Namen wie Annekathrin Bürger, Ulrich Thein, | |
Armin Mueller-Stahl, Frank Castorf, Michael Thalheimer oder B. K. | |
Tragelehn.“ | |
Erst Tragelehn, dann Gehen. Tragisch. Im neuen, vielleicht letzten Programm | |
unter Ris steht allerhand Klassisches wie „Der zerbrochene Krug“ von Kleist | |
unter der Regie von Karin Hoffmann (Premiere am 11. Oktober) bis | |
Selbstkonzipiertes wie „Späti Paradies“ von Juliane Hendes (hier ist der 6. | |
Dezember das Datum, das man sich merken muss). Auch wer lange nichts mehr | |
von Felicia Zeller, der einstigen Dramatikerinnenhoffnung, gesehen hat, | |
kommt auf seine oder ihre Kosten: „Bier für Frauen“ läuft am 31. Dezember | |
zur Premiere auf (interessante Daten, auch). Das offensichtlich Politische | |
wird mit „Die Welle“ abgehandelt, das kommt dann erst im April 2026. | |
Bedroht ist auch das Chemnitzer Schauspielhaus, aber eher aus | |
stadtplanerischen und architektonischen Gründen. Es soll nämlich abgerissen | |
und versetzt werden, versetzt in eine räumliche Umgebung, die dem Theater, | |
folgt man einigen Stimmen, eher schaden werden als nützen, weil es dann | |
eher randständig werden wird. Das Programm des Hauses lässt sich davon | |
nicht weiter beeindrucken; hier herrscht noch Grundsätzliches und | |
Animalisches: So kann man sich die Theaterfassungen von „Farm der Tiere“ | |
(Premiere am 26. 9.), „Moby Dick“ (14. 10.), „Die Eisbärin“ (1. 11.) o… | |
„Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (21. 11.) anschauen; am Ende gibt es | |
noch „Das Dschungelbuch“ (13. 6. 26). Tierisch, allzu tierisch geht es also | |
zu. Inwiefern auch „Prima Facie“ von Suzie Miller mit Tieren zu tun hat, | |
muss man selbst herausfinden, und zwar am 22. 11. | |
Und wer tritt das Erbe des im Juli verstorbenen Claus Peymann an? Am BE, | |
dem Berliner Ensemble in der Hauptstadt, versucht sich Oliver Riese schon | |
seit einigen Jahren in Sachen Intendanz; an Premieren gibt es unter | |
anderem. „Ein wenig Licht. Und diese Ruhe“ von Sibylle Berg (5. 12.) und | |
„Sturm auf Berlin“ von Marie Schwesinger, fast passend am 7. Mai 2026. | |
Im Schauspielhaus Bochum, ehemalige Peymann-Wirkstätte, 2022 „Theater des | |
Jahres“ liegt die Intendanz bei Johan Simons. „Wir sammeln mit unseren | |
Produktionen verschiedenste Möglichkeiten von Zukunft und erforschen, wie | |
wir sie gestalten können, nehmen Katastrophen in den Blick, bieten | |
Anleitungen zum Widerstand und zocken, was das Zeug hält“, heißt es auf | |
deren Webseite. Zum Beispiel in „Catarina oder Von der Schönheit, | |
Faschisten zu töten“ von Tiago Rodrigues (7. 2. 26) oder in „Die | |
Gehaltserhöhung“ von George Perec am 21. 2. 26. Würde ich hingehen. | |
Der ebenfalls dieses Jahr verstorbene Robert Wilson indes wird auch | |
fürderhin als Geist noch so manche deutsche Bühne heimsuchen. Nicht nur im | |
Thalia Hamburg, wo er einst sehr erfolgreich agierte. Dort versucht man | |
sich aber erst mal erneut an Shakespeare („Was ihr wollt“, 19. 9., Regie: | |
Anne Lenk; dasselbe Stück in anderer Aufführung gibt es auch am BE), aber | |
auch an zeitgemäßeren Autoren wie Rainald Goetz (Premiere „Baracke“ am 21. | |
3. 26) oder Mareike Fallwickl, deren Roman „Die Wut, die bleibt“ von | |
Jorinde Dröse auf die Bühne gebracht wird. Premiere wird am 15. Oktober | |
gefeiert. | |
Wie wäre es eigentlich, ganz zeitgemäß bis zukunftssicher, mit | |
Klimatheater? Schließlich gibt es ja auch schon „Eco Fiction“. Viel Angebot | |
von den Bühnen ist da nicht. Okay, es gibt „Atlas“ am Schauspielhaus | |
Hamburg, noch immer im Programm, und „Ufer des Verschwindens„ (zuletzt im | |
Theater unterm Dach, Berlin), das in diese Richtung lief. Auch in Sachen | |
KI-Theater ist noch viel Luft nach oben. | |
30 Aug 2025 | |
## AUTOREN | |
René Hamann | |
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