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# taz.de -- Verfrühte Herbstdepression
> Krise ist ein großes Wort, aber beim entkernten Meister von 2024 weist
> schon vieles darauf hin. Die TSG Hoffenheim war beim 2:1-Sieg in jeder
> Hinsicht überlegen. Leverkusen hat viele Spieler mit Potenzial
> eingekauft, doch ein Zukunftsplan fehlt
Bild: Es läuft selten so konstruktiv zusammen wie hier bei Jarell Quansah
Aus Leverkusen Daniel Theweleit
Etliche Sekunden verstrichen, bevor Mark Flekken ein paar erste Worte als
neuer Krisenerklärer von Bayer Leverkusen über die Lippen kamen. Diese
Rolle ist dem aus Brentford zu Bayer Leverkusen gewechselten Torhüter wenig
vertraut, und wahrscheinlich hat er auch nicht damit gerechnet, schon so
früh im Spieljahr Erklärungen für eine Leistung liefern zu müssen, die in
dieser enttäuschenden Ausprägung fast alle Beobachter überraschte. Krise
mag ein großer Begriff sein für die Umstände dieser 1:2-Niederlage des
Meisters von 2024 zum Saisonauftakt gegen die TSG Hoffenheim. Aber die
sichtbaren Symptome erinnerten schon sehr stark an dieses klassische
Fußballphänomen des andauernden Misserfolgs, das eigentlich meist später in
der Saison die ersten Klubs ereilt.
Es sei „nicht alles schlecht“ gewesen, sagte Flekken also, der aber auch
„definitiv nicht viel Gutes“ an der Leistung der entkernten ehemaligen
Supermannschaft erkennen konnte. Manche im Publikum gingen mangels Hoffnung
auf den Ausgleich schon Minuten vor dem Abpfiff nach Hause. Andere pfiffen
und der harte Kern der Anhänger spendete tröstenden Applaus wie inmitten
einer dieser Bundesligadepressionen, die sonst eher im Herbst aufkommen.
Aber der Schmerz, der bislang eher eine Ahnung war, ist voll ausgebrochen
an diesem Tag. Alle Anwesenden mussten einer bitteren Realität ins Gesicht
schauen: Ohne die zu anderen Vereinen gewechselten Florian Wirtz, Granit
Xhaka, Jonathan Tah, Lukas Hrádecký, Jeremie Frimpong und Xabi Alonso
erinnert dieses Team nur noch sehr entfernt an die größte Zeit der
Klubgeschichte, die erst vor wenigen Wochen zu Ende gegangen ist.
Dem Team fehlte ein fußballerisches Konzept, und dass ein Neu-Leverkusener
wie Flekken ohne Kenntnisse der Vergangenheit vor die Mikrofone treten
musste, illustriert den Mangel an gestandenen Persönlichkeiten, der sich
gerade auftut. Ein weiterer Anführer ist der neue Kapitän Robert Andrich,
dessen Spiel ohne die hochveranlagten Kollegen der vergangenen beiden Jahre
deutlich weniger überzeugend wirkte. „Viel Neues und alles Drum und Dran.
Aber das ist jetzt auch keine Ausrede“, erklärte Andrich. Die in allen
Mannschaftsteilen überlegenen Hoffenheimer waren mit sieben Neuzugängen
angetreten, während in Leverkusens Startelf nur drei neue Spieler standen.
Offensiv war Bayer 04 abgesehen von einigen Chancen nach Ecken und
Freistößen vollständig harmlos und hinten passierten schlimme Fehler. Nicht
zuletzt dem Toptalent Jarell Quansah, der vom FC Liverpool kam.
Eventuell ist Besserung zu erwarten, wenn der erfahrene, vorerst aber noch
angeschlagene Verteidiger Loïc Badé, der in der vergangenen Woche vom FC
Sevilla unter Vertrag genommen wurde, spielen kann. Dringend wird auch die
Rückkehr von Exequiel Palacios herbeigesehnt, außerdem wird an der
Verpflichtung des argentinischen Mittelfeldspielers Ezequiel Fernández
gearbeitet, der im Moment beim saudischen Klub Al-Qadsiah unter Vertrag
steht. Und ein Transfer von Eliesse Ben Seghir von der AS Monaco könnte
ebenfalls noch bevorstehen. Am Ende wird der gewaltige Kaderumbruch bis zu
200 Millionen Euro gekostet haben. Aber ein homogenes Gebilde ist bisher
nicht einmal in Ansätzen sichtbar.
Es sei „nicht unerwartet“, dass diese Umwälzungen nicht sofort zum Erfolg
führen, sagte Trainer Erik ten Hag und erklärte: „Ich weiß aus meiner
Erfahrung: Das dauert. Wir brauchen jeden Tag, und wir müssen sehr hart
arbeiten.“ Aber ein wenig mehr Tempo im Entwicklungsprozess hätten sie sich
schon gewünscht. Der Sportchef Simon Rolfes hatte noch in der vergangenen
Woche davon erzählt, nach einer gewissen „Trägheit“ am Ende der Vorsaison
„wieder eine große Dynamik im Kader“ zu erkennen, und gesagt: „Es wird um
die Plätze im Team und um die Rollen innerhalb der Gruppe gekämpft. Viele
Spieler versuchen, ihre neuen Freiräume zu nutzen.“
Offenbar hat Rolfes sehr viel Qualität und Potenzial eingekauft, auf der
Ebene einer neuen Struktur weist das Team aber noch gewaltige Defizite auf.
Und der Trainer wirkte auch ein wenig mitgenommen nach diesem Tag der
Ernüchterung, als er sagte: „Ich kann nicht sagen, wie viel Geduld wir
haben müssen. Es ist einfach so: Manchmal klickt es.“ Das klingt mehr nach
Hoffnung als nach einem wirklich klaren Zukunftsplan.
25 Aug 2025
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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