Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- dvdesk: Leichen purzeln ins Bild
Bild: „Steppenwolf“ (Kasachstan 2024, Regie: Adilkhan Yerzhanov). Das Media…
In Kasachstan – kein Brennpunkt des Weltkinos – werden vermutlich auch
heitere Filme gedreht. „Steppenwolf“ von Adilkhan Yerzhanov (Buch und
Regie) ist keiner von ihnen. Gleich zu Beginn setzt es ein
Hermann-Hesse-Zitat, „Steppenwolf“ ist aber keine Verfilmung des Buchs, es
geht nur um eine Anlehnung an den Titel und die Titelfigur. „Im Auftrag des
Ministeriums für Kultur und Sport“ steht im sehr kurzen Geldgeber-Vorspann,
auch das „Nationale Zentrum zur Förderung des Kinos“ hat wacker
unterstützt. Dem Tourismusbüro des Landes jedoch sitzt der Schreck ganz
sicher tief in den Knochen.
Weit ist die Steppe, weit und öde und kahl, in der Ferne auch Seen, nicht
weniger öde, auch Berge, nicht weniger kahl, mal zieht Nebel auf, und in
diesem Nebel, am Tag wie in der Nacht, in dieser gottverlassenen Steppe und
Endzeitwelt, vor Seen und Bergen, ist der Mensch dem Menschen ein Wolf. Die
Polizei hat sich inmitten der Steppe in einer Art Fort gegen das Außen
verschanzt. Dann ein Überfall durch eine Horde von Gangstern. Vielleicht
haben sich auch die Gangster verschanzt und es ist die Polizei, die sie
überfällt. Es ist egal, denn hier kämpft nicht Gut gegen Böse, es sind
allesamt Finstermänner, Waffe im Anschlag, die mehr brüten als sprechen,
aber ausgiebig Blutbäder nehmen.
Der Held (Berik Aytzhanov), nur zum Beispiel, ist ein Folterexperte und
Verhörspezialist. Gleich zu Beginn säbelt er Finger ab, mit einem
Metallventilator. Wäre jede Leiche, die er produziert, wie einst bei Karl
May eine Kerbe am Lauf des Gewehrs, dann würde der Platz weit vor Ende des
Films knapp. Dieser Held hat einen Namen, Brajyuk, auch eine
Familienvorgeschichte zieht er sich wie manch andere Wunde noch zu.
Manchmal tanzt er ein bisschen. Oder lacht ohne Anlass. Er tötet und tötet
und niemandes Leben, das eigene ganz zuletzt, ist ihm einen Pfifferling
wert.
Jedoch ist da Tamara (Anna Starchenko). Schwer lädiert, kann kaum mit der
Sprache heraus, halb- oder dreiviertelverrückt. Ihr Sohn ist verschwunden,
gerade saß er noch auf der Schaukel, nun ist er weg. Als Spielzeug und
Fetischobjekt blieb einzig der Zauberwürfel zurück. In ihrem Auftrag und
gemeinsam mit ihr macht sich Brajyuk nun auf die Suche nach dem Kind. Weiß
der Teufel, was ihn dabei motiviert. Kaum das versprochene Geld. Die Moral
ganz sicher nicht. Auch an der Frau oder an Sex mit ihr scheint er nicht
interessiert. Am besten begreift man diese kasachische Steppe als Hölle, in
der es keine Motive gibt für das, was Menschen in ihr tun oder lassen.
Regisseur Adilkhan Yerzhanov hat offenkundig viele Western gesehen. Auf
John Fords „The Searchers“ spielt er eindeutig an, ein großer Teil des
Motivarsenals ist aus Filmen von Sergio Leone und noch härterem,
postklassischem Spaghetti-Western entlehnt. Immer wieder wird durch Türen
und Fenster nach draußen geblickt, vom Dunkel ins Licht, ohne dass das
Blicke ins Offene wären. In aller Ruhe fährt die Kamera regelmäßig zur
Seite. Aber nicht zur Exploration von unerwarteten Dingen, die kasachische
Steppe bleibt so öde und leer, wie sie es war, immerhin purzelt
gelegentlich eine Leiche ins Bild.
Schon ein bisschen viel des Bösen das alles. Auch kann sich der Film nicht
wirklich entscheiden, ob er reine Allegorie sein oder doch ein Stück
Wirklichkeit einfangen will. Aber so oder so gewinnt er in seiner
Unnachgiebigkeit, in der Überzeugtheit vom eigenen Tun, nach und nach doch
einige Wucht. Auch sind die ewige Steppe und die baumlose Öde, und das
Töten darin, und Feuer und Schüsse und Funkenflug in der Nacht im großen
Finale recht eindrucksvoll anzusehen. Und ganz und gar trostlos endet es
immerhin nicht. Ekkehard Knörer
17 Jul 2025
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.