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# taz.de -- DerWelsistnicht genug
> Wenn die Weltlage drückt, braucht es Fluchten ins Absurde. Eine
> Liebeserklärung an die besten Sommerloch-Tiere der letzten 30 Jahre
Sommeranfang lässt sich nicht kalendarisch, nicht meteorologisch bemessen.
Sommer ist das Gefühl, wenn das Leben für einen Augenblick wieder leicht
wird, wenn gestern nicht zählt, morgen erst recht nicht. Doch wie
abschalten, während auf dem Bildschirm eine Krisenmeldung nach der nächsten
aufleuchtet?
Darf man kurz durchatmen zwischen all den negativen Schlagzeilen? Man darf.
Es kommt wie gerufen: das animalische Ablenkungsmanöver in Krisenzeiten.
Zwei Meter lang, 90 Kilogramm schwer. Mein Wels in der Brandung. Seit
Wochen trägt er mich wie auf Watte durchs Weltgeschehen.
Sommerloch-Tiere waren mal notdürftig aufgebauschte Medienereignisse aus
Mangel an Alternativen, jetzt sind sie sehnsüchtig erwartete
Verschnaufpause fürs Herz.
Man will sich reinlegen in eine Nachrichtenlage der Belanglosigkeit. Sich
nostalgisch zurückversetzen in eine Zeit, in der das ganze Land durch
nichts emotionalisierter war als durch Schwan Petra, der sich am Aasee
hoffnungslos in ein Tretboot verliebte. In der die einzige giftige Debatte,
die um eine ausgebüxte Monokel-Kobra in Herne war. Die „Laptop-Sau“ vom
Teufelssee soll meinen als Nächstes klauen, mein Handy am besten gleich
auch. Kurz den Stecker ziehen, das Gehirn durchlüften. Nachrichten über
„Problembär Bruno“, „Schnappschildkröte Lotti“ und „Brillenkaiman S…
fühlen sich an wie Meeresrauschen und Sonnencreme auf der Haut. Ich will
einen ganzen Zoo voller Sommerloch-Tiere. Ich flüchte vor schlechten
Nachrichten auf dem Rücken von Kuh Yvonne für 100 Tage in den Wald.
Wo ist der Liveticker zur Causa Killer-Wels, der Brennpunkt vom
Brombachsee? Ich fordere lückenlose Aufklärung. War es Polizeigewalt?
Notwehr? Ich brauche alle Informationen, mein Kopf muss voll sein. Fünf
gebissene Badegäste. Drei Schüsse. Strafanzeige. 120 Filetportionen.
Frisches Sommergemüse, Kräuterkartoffeln, Bärlauchsoße, 22,50 Euro. Lea
Fiehler
12 Jul 2025
## AUTOREN
Lea Fiehler
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