| # taz.de -- Politikwissenschaftler über Öko-Krise: „Der ökologische Fußab… | |
| > Grüner Kapitalismus und die Verhaltensänderung von Individuen könnten den | |
| > Planeten nicht retten, sagt Ulrich Brand. Ein Systemwechsel sei | |
| > notwendig. | |
| Bild: „Diese Wünsche müssen wir umbauen“: SUV-Präsentation 2015 in Detro… | |
| taz: Kapitalismuskritik gibt es schon lange. Was hat Sie gerade jetzt dazu | |
| veranlasst in die Debatte einzusteigen? | |
| Ulrich Brand: Wir haben das Buch nicht geschrieben, weil wir den | |
| Kapitalismus kritisieren wollen, sondern weil eine kapitalismuskritische | |
| Perspektive wichtig ist, um die aktuellen Verhältnisse zu verstehen. Wenn | |
| wir über multiple Krisen sprechen, müssen wir einen Gesamtzusammenhang | |
| herstellen und der liegt in der kapitalistischen und imperialen | |
| Produktions- und Lebensweise. | |
| taz: Welchen Stellenwert hat die Klimakrise in [1][Ihrem Buch]? | |
| Brand: Der Ausgangspunkt liegt in der ökologischen Krise. Uns beschäftigt | |
| ihre Dynamik, aber die können wir nur verstehen, wenn wir ihre Ursachen und | |
| Zusammenhänge untersuchen. Sie hat zum Beispiel viel zu tun mit der | |
| autoritären Entwicklung unserer Gesellschaften. Dass sie nicht effektiv | |
| bearbeitet wird, kommt bei den Menschen als Angst, als Ausgrenzung, als | |
| Polarisierung an. [2][Dass Trump „drill baby drill“ schreit] hat mit | |
| fossilistischer Macht zu tun, aber auch mit einer Verteidigung unserer | |
| Lebensweise „at any cost“. | |
| taz: Der grüne Kapitalismus kann den Planeten also nicht retten? | |
| Brand: Genau. Erstmal ist [3][grüner Kapitalismus] wichtig, weil es im | |
| Zentrum um Dekarbonisierung geht. Aber wenn es nicht eingebettet wird in | |
| eine Rücknahme von Wachstum und eine Infragestellung der Machtverhältnisse | |
| dann kann er, ersichtlich an den selbst gesteckten Zielen der | |
| Klimaneutralität, nicht funktionieren. Außerdem docken grüne | |
| Modernisierungsstrategien an die imperiale Lebensweise an. Die | |
| Erfahrungen im Süden – obwohl wir von Partnerschaften sprechen – sind | |
| weiterhin die eines Ausbeutungsverhältnisses. | |
| taz: Was können wir dann tun? | |
| Brand: Die Frage ist, wie wir die Welt denken. Wenn wir immer nur an | |
| Dekarbonisierung denken, dann heißt es: „Wir können ja gar nichts machen. | |
| Die Chinesen sollen mal anfangen.“ Wenn wir aber sagen, Gesellschaften | |
| schreiben sich in die Lebensweisen ein, dann müssen wir überall anfangen. | |
| Die Werbung ist beispielsweise voller Freiheitsversprechen des Automobils. | |
| Menschen auf dem Land wird gesagt, ihr könnt euer Auto nur noch mit | |
| schlechtem Gewissen nutzen und gleichzeitig gibt es bei Reichen den Trend | |
| zum Dritt-SUV. Diese Wünsche müssen wir umbauen. Und wir brauchen eine neue | |
| Weltwirtschaftsordnung. Eine Weltwirtschaftsordnung 2.0, im Anschluss an | |
| die Weltwirtschaftsordnung 1.0 aus den 1970er-Jahren mit der Dynamik der | |
| Dekolonisierung. | |
| taz: Hängt der Wandel letzten Endes am Individuum? | |
| Brand: Ne! Definitiv nicht. Wir denken, dass Gesellschaft und | |
| gesellschaftliche Interessen kollektiv organisiert sind. Die | |
| Nachhaltigkeitsdebatte, inklusive der Metapher des ökologischen | |
| Fußabdrucks, die ja von der fossilen Wirtschaft erfunden wurde, ist eine | |
| Falle. Das ist eine Ansprache, die seit 30 Jahren auf die falsche Fährte | |
| lockt. Es ist wichtig, einen verantwortungsvollen Konsum zu haben. Aber die | |
| gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen verändert werden. Das | |
| Individuum muss bei einer anderen Lebensweise, einer solidarischen, | |
| mitmachen – auch als Beschäftigter oder Beschäftigte. | |
| taz: Heißt ihre Utopie „solidarisches Zusammenleben“? | |
| Brand: Ich würde „normativer Horizont“ sagen. Utopie heißt ja ein nicht | |
| bekannter Ort. Es gibt ja ganz viel Wissen, wie eine Alternative aussehen | |
| kann. Ein normativer Horizont ist zum Beispiel eine fleischbefreite | |
| Gesellschaft. Das heißt, es gibt Sonntagsbraten, der unter hohen Standards | |
| produziert wurde. Wie der Weg dorthin aussieht, das bedarf viel | |
| Kreativität. Das ist ein riesiger Graubereich. | |
| 18 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Vetter | |
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