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# taz.de -- Private Akkon-Hochschule: Disziplinierung oder Diskriminierung?
> Studierende mit Migrationsgeschichte klagen über das Prüfungsamt der
> Akkon-Hochschule. Ein Professor schaltet sich ein – am Ende wird ihm
> gekündigt.
Bild: Jennifer Jin-Ah Noack und Kenan Engin
Berlin taz | Die private [1][Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften] in
Berlin schreibt über sich selbst, man setze sich „für die Werte der
Weltoffenheit und der Chancengleichheit aller Menschen ein – unabhängig von
ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, ihrem Geschlecht, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrem Alter oder einer möglichen Behinderung“. Im
universitären Alltag scheint das jedoch nicht immer zu gelingen, wie der
Fall von Kenan Engin zeigt.
Träger der kleinen, staatlich anerkannten Fachhochschule in Tempelhof mit
nur knapp 1.300 Studierenden und rund 70 Mitarbeitenden ist die
Johanniter-Unfall-Hilfe. 2018 holte die Akkon Hochschule den
kurdischstämmigen Politikwissenschaftler Kenan Engin als Professor für den
Studiengang Soziale Arbeit nach Berlin. Damals war er der einzige
nichtdeutsche von 17 Professor*innen.
Im Sommer 2023, erzählt Engin, hätten ihm einige Studierende mit
Migrationsgeschichte erzählt, dass sie sich von einem bestimmten
Mitarbeiter des Prüfungsamts „anders behandelt“, schlecht benotet und
aufgrund ihrer Herkunft unfair behandelt fühlten. „Ich habe einige
Rückmeldungen von immer den gleichen Leuten mit Migrationsgeschichte
bekommen, die Probleme mit ihm haben, das kann kein Zufall sein“, so Engin
zur taz. „Meiner Meinung nach hatte das mit dem Migrationshintergrund zu
tun.“
Jennifer Jin-Ah Noack ist eine angehende Absolventin, die ebenfalls meist
als nicht-deutsch gelesen wird. Seit einem schlimmen Unfall war sie nicht
mehr schmerzfrei, was auch das Arbeiten am Computer erschwert. Deshalb
beantragte sie bei besagtem Mitarbeiter des Prüfungsamts eine
„Prüfungsformanpassung“. Über ein Jahr lang wartete sie auf eine
Rückmeldung, dann wurde ihr Antrag abgelehnt. Bei einem Telefonat soll der
Mitarbeiter wiederholt ableistische Kommentare gemacht haben.
## Keine Entschuldigung
Noack beschwerte sich beim Studiengangsleiter und schaltete den
Diversitätsbeauftragten der Universität ein. Der regte eine Entschuldigung
des Mitarbeiters an, die jedoch bis heute nicht erfolgt ist. „Ich sollte
nochmal einen Antrag schreiben und alles genau beschreiben“, berichtet
Noack. „Dass die mich nach meiner konkreten Behinderung fragen, verletzt
meine Rechte als behinderte, studierende Person. Das sind intime
Informationen und ist retraumatisierend.“
Der Mitarbeiter des Prüfungsamts soll auch Engin gegenüber mehrfach
angezweifelt haben, dass Studierende mit Migrationshintergrund eine gute
Arbeit wirklich selbst geschrieben hätten. Eine von Professor Engin mit gut
benotete Arbeit einer palästinensischen Studentin wurde vom Prüfungsamt
sogar kurzerhand für ungültig erklärt.
Engin suchte daraufhin das Gespräch mit dem Mitarbeiter des Prüfungsamts,
im Beisein des Diversitätsbeauftragten. Das Gespräch selbst verlief
einigermaßen harmonisch, erinnert er sich, aber im September 2023 wurde er
dann von der Hochschulleitung zu einem Personalgespräch eingeladen – dem
ersten in fünf Jahren.
Dort seien angebliche Pflichtverletzungen thematisiert worden, die Engin
hätte besser machen können. Engin thematisierte gegenüber der
Hochschulleitung auch die aus seiner Sicht erfolgte Andersbehandlung von
internationalen Studierenden und prangerte Racial Profiling an: Menschen
mit Migrationshintergrund würden immer etwas falsch machen und könnten
keine richtige Arbeit schreiben – und wenn doch, werde ein Plagiat
vermutet, kritisierte der Professor.
Es wurde ihm gegenüber kundgetan, dass es keinen Rassismus an der
Hochschule gebe oder je gegeben hätte. Professor Engin soll daraufhin mit
fristloser Kündigung gedroht und „Betriebsfriedensstörung“ vorgeworfen
worden sein. So ist der Gesprächsverlauf in einer Stellungnahme der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) schriftlich festgehalten.
## Massiv unter Druck gesetzt
Ein halbes Jahr später, am 15. April 2024, wurde Engin erneut zu einem
Personalgespräch geladen. Diesmal hatte die Hochschulleitung einen
Aufhebungsvertrag vorbereitet: noch fünf Monate Gehalt, eine Abfindung und
ein gutes Zeugnis. Engin soll vom Geschäftsführer und vom Präsidenten
Andreas Bock massiv unter Druck gesetzt worden sein, den Aufhebungsvertrag
zu unterzeichnen.
„Was passiert, wenn der Vertrag nicht angenommen wird?“, zitiert die ADS
aus Engins Gesprächsprotokoll. „Offen gesagt: Wir können dich jetzt nicht
kündigen, werden dich dann weiterbeschäftigen, aber werden Maßnahmen
ergreifen, die dich nicht glücklich machen werden. Das betrifft zum
Beispiel die Frage der Studiengangsleitung, wir werden die genannten Punkte
abmahnen, zukünftig sehr engmaschig mit Arbeitsanweisungen und
entsprechenden Kontrollen arbeiten.“
Engin erinnert sich an eine eisige Stimmung während des Gesprächs, er habe
sich in dunkle Zeiten zurückversetzt gefühlt. „Ich habe gesagt, ich möchte
weiterhin an der Hochschule arbeiten, weil ich der Meinung bin, dass ich
bisher alles richtig gemacht habe“, so Engin, der den Aufhebungsvertrag
schließlich nicht annahm.
Daraufhin griff die Hochschulleitung zu den angedrohten Maßnahmen: Engin
wurde per E-Mail freigestellt und sollte auf dienstliche Kommunikationen
verzichten. Ihm wurde die Studiengangsleitung entzogen, er wurde aus dem
Lehrbetrieb herausgenommen und seine Lehrveranstaltungen wurden gestrichen.
Dafür sollte er nun täglich seine Arbeitszeiten aufschreiben und dem
Präsidenten monatlich vorlegen. Sein dienstlicher E-Mail-Account wurde ihm
abgenommen.
## „Der einzige Prof, der mir geholfen hat“
Studierende seines Studiengangs starteten daraufhin eine Petition, in der
sie seinen Verbleib an der Hochschule fordern. „Über die Jahre hinweg
konnte Herr Prof. Dr. Kenan Engin immer wieder zum Ausdruck bringen, wie
wichtig wir Studis ihm sind und mit welcher Leidenschaft und Hingebung er
seinen Beruf ausübt“, heißt es dort. „Der einzige Prof, der mir geholfen
hat, war Herr Engin. Und der sollte jetzt gefeuert werden. Das fand ich
halt lächerlich“, beschreibt Jennifer Noack ihre Motivation. Doch trotz
Widerstands auch des Betriebsrats wird Engin schließlich am 29. Juli 2024
außerordentlich gekündigt.
Die Hochschule selbst betont in einer schriftlichen Stellungnahme, die
Kündigung habe „mit den von Professor Engin erhobenen unberechtigten
Vorwürfen rein gar nichts zu tun“. Vielmehr habe sie sich zu der Kündigung
gezwungen gesehen, „da er wiederholt und in erheblichem Umfang gegen seine
arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat“. Welche genau, bleibt
allerdings unklar. Für das Scheitern einer einvernehmlichen Lösung macht
die Hochschule allein Kenan Engin verantwortlich.
Der wehrt sich mit einer öffentlichen Stellungnahme. Die Vorwürfe gegen ihn
entbehrten jeder Grundlage, schrieb Engin am 15. November 2024. „Es ist
bedauerlich, dass die Hochschule in ihrer Erklärung nicht auf die im
öffentlichen Raum geäußerten Anschuldigungen in Bezug auf Rassismus,
Diskriminierung und Mobbing eingegangen ist“, so Engin, der eine
Untersuchung durch eine neutrale, öffentliche Stelle fordert.
Der Fall beginnt, Wellen zu schlagen. Über 1.300 internationale
Wissenschaftler*innen unterzeichneten eine weitere Petition gegen die
Maßnahmen der Hochschule. Politiker*innen der Linken und Grünen
wendeten sich an den Berliner Senat, diverse Medien berichteten über den
Fall. Die Akkon Hochschule ging dagegen mit Unterlassungsklagen vor, teils
erfolgreich.
Eine weitere Petition vom April dieses Jahres verlangt ebenfalls eine
unabhängige Untersuchung zur transparenten Aufklärung der Vorwürfe. Doch
die Hochschule hat lediglich eine Kanzlei beauftragt, um die
Diskriminierungsvorwürfe zu prüfen. Das Ergebnis: Die Anwält*innen
können keinen Anfangsverdacht hinsichtlich der Diskriminierung von
Studierenden erkennen. Allerdings haben sie weder mit den Studierenden noch
mit Professor Engin gesprochen.
## Keine gute Werbung
Für die Hochschule ist die Affäre keine gute Werbung. Mehrere
Mitarbeiter*innen sollen bereits gekündigt haben. Nun sind die
Gerichte dran: Am 11. Juni werden ganze sieben Kündigungen der Hochschule
gegen Engin verhandelt. Engin hat seinerseits die Hochschule wegen
Rassismus, Diskriminierung, Mobbing, Rufschädigung und Verletzung der
Persönlichkeitsrechte auf 80.000 Euro verklagt.
„Im Grunde genommen könnte ich sagen, mir ist alles egal“, schildert Engin
seine Lage. „Aber das möchte ich nicht, denn man kann Menschen nicht so
behandeln.“ Über solch ein Verhalten einer Hochschule sollte diskutiert
werden, findet er. Und hofft, dass die Hochschule sich doch noch einsichtig
zeigt und eine unabhängige Untersuchung durchführt. „Es geht mir um
Gerechtigkeit und dass man Gesicht gegen ungerechte Behandlung zeigt.“
Jennifer Noack wirft der Hochschule Tokenismus vor, also dass Menschen mit
Migrationsgeschichte dort lediglich eine Alibifunktion haben, um Kritik an
diskriminierenden Machtverhältnissen abzuwehren. „Ich fände wichtig, dass
sie lernen, was wirkliche Diversität ist“, sagt sie. „Im Gleichstellungsamt
sollte eine Person sitzen, die tatsächlich Erfahrung mit Diskriminierung
oder Behinderung hat, und nicht ein weiterer alter weißer Mann.“
2 Jun 2025
## LINKS
[1] https://www.akkon-hochschule.de/
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Hochschule
Diskriminierung
Migrationshintergrund
Diskriminierung
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