# taz.de -- Carla Hinrichs im Interview: „Wir müssen dem System unter die Ar… | |
> Die "Letzte Generation" heißt jetzt "Neue Generation". Carla Hinrichs | |
> erklärt, wie und warum sie ein neues Kapitel des Widerstandes aufschlagen | |
> wollen. | |
Bild: Ein Klimaaktivist hat sich im Juli 2023 mit der Handfläche am Asphalt ei… | |
taz: Frau Hinrichs, das taz lab Thema dieses Jahr ist „weitermachen“. Wie | |
will die "Letzte", beziehungsweise die "Neue Generation" 2025 weitermachen? | |
Carla Hinrichs: Weitermachen ist ein guter Punkt. Wenn man sich die | |
Weltsituation anguckt, könnte man auch einfach sagen: "OK, jetzt nicht | |
weitermachen, sondern aufgeben". Wir haben entschieden: Jetzt erst recht | |
weitermachen! Egal, wie schlimm es um uns herum aussieht. | |
Was war der Anlass für die Umstrukturierung und Namensänderung? | |
Die Situation, in der wir eine Katastrophe noch aufhalten können, | |
entspricht einfach nicht mehr der Realität. Wir stecken schon mitten in der | |
Klimakrise. Sie passiert um uns herum. Die Frage ist also nicht mehr, wie | |
können wir das aufhalten, sondern wie können wir damit umgehen? Wir haben | |
gesagt, wenn die Situation sich verwandelt, dann müssen wir uns auch | |
verwandeln. Wir schlagen ein neues Kapitel des Widerstands auf. Und wie in | |
jedem neuen Kapitel ist das, was davor war nicht weg, sondern die | |
Geschichte geht weiter. | |
Wollt ihr jetzt zu sanfteren Methoden übergehen? | |
Die letzte Generation war darauf ausgelegt, einmal ganz laut „Alarm“ zu | |
rufen und allen noch mal klar zumachen: wir sind in einer richtig | |
katastrophalen Situation und wir können nicht wegsehen. Zu verdeutlichen, | |
dass unsere Regierung, so wie sie gerade ist, nicht in der Lage wäre, der | |
Krise zu begegnen. Die Straßenblockaden waren eine ganz klare | |
zielgerichtete Kampagne. Wenn sich die Situation aber verändert und der | |
Feueralarm nicht mehr reicht, sondern das Haus lichterloh brennt, dann | |
müssen wir uns fragen: Wie schaffen wir es, das Feuer zu löschen? Wie | |
kriegen wir die Menschen da raus? An den Aktionen, wie sich auf die Straße | |
zu kleben, konnte nur ein Teil der Gesellschaft teilnehmen Jetzt wollen wir | |
nochmal alle Leute ansprechen und fragen: Wie könnt ihr Teil einer neuen | |
Generation der Demokratie werden? | |
Ist die letzte Generation gescheitert? | |
Nein, ich glaube, dass wir die Menschen wach gerüttelt haben und das hat | |
natürlich gestört. Gleichzeitig haben wir die Dringlichkeit in der | |
Klimakrise zu handeln und das Versagen der Regierung immer wieder auf die | |
Agenda gehoben. Ich sehe die "Letzte Generation" als so erfolgreich an, wie | |
sie sein konnte. Die "Neue Generation" ist nun das nächste Kapitel. | |
Mit einem „Parlament der Menschen“ wollt ihr die Aufmerksamkeit auf das | |
politische Geschehen richten. Was hat es damit auf sich? | |
Unsere Demokratie ist nicht demokratisch genug. Viele ältere Männer sitzen | |
im Bundestag, die meisten sind Juristen und fast alle sind weiß. Wen | |
repräsentiert das denn? Es ist viel zu sehr ein System der Profitinteressen | |
und nicht ein Aushandeln wie wir mit einander leben wollen, wie es | |
eigentlich sein sollte. Lobbys haben unglaublichen Einfluss, und | |
Großkonzernchefs können sich einkaufen. | |
Dem wollen wir jetzt ein demokratischeres Konzept gegenüberstellen: Wir | |
machen unser eigenes Parlament, nämlich das „Parlament der Menschen“. Wir | |
losen eine Gruppe aus, die möglichst repräsentativ für Deutschland ist. Die | |
kommt dann zusammen und erarbeitet ernsthafte Lösungen miteinander. Weil | |
wir nicht die Kontakte aller Menschen in diesem Land haben, ist das beim | |
ersten Mal natürlich nicht ganz repräsentativ. Aber beim nächsten Mal laden | |
wir noch mehr Menschen ein. Wir klopfen an Türen und gehen gezielt auf | |
marginalisierte Gruppen zu. So werden wir mit jedem neuen „Parlament der | |
Menschen“ Schritt für Schritt repräsentativer. | |
Wie oft wird das Parlament stattfinden? | |
Das erste große Parlament der Menschen soll Ende Mai auf der | |
Bundestagswiese stattfinden. Und dann wollen wir es immer wieder | |
einberufen, vielleicht entstehen auch irgendwann lokale Parlamente der | |
Menschen. Und vielleicht organisieren sich Stadtteile als Parlamente der | |
Menschen und vielleicht irgendwann Nachbarschaften. Das ist ein Aufbau, | |
glaube ich, der einen langen Atem braucht. | |
Habt ihr der Parteipolitik und dem Parlamentarismus jetzt abgeschworen? | |
Eine Demokratie kann demokratischer werden und wir können es schaffen, mehr | |
Menschen einzubeziehen, damit wir Lösungen finden, gerade wenn Krisen | |
weiter eskalieren. Gerade habe ich kein Vertrauen darauf, dass das System | |
den Krisen angemessen begegnen kann. Das Vertrauen wurde gerade bei vielen | |
jungen Menschen wirklich extrem verspielt in den letzten Jahren. Gerade | |
wenn man sich anguckt, wie das Parlament weiter nach rechts rutscht, dann | |
haben wir da ein richtiges Problem. Wir müssen als Bürger:innen dem System | |
unter die Arme greifen. | |
"Lohnt sich Klimaaktivismus noch?" Rote Bühne, 9 Uhr. | |
25 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Kim Tadday | |
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