# taz.de -- Höflichkeit und Hierarchien: „Wer in der taz siezt, ist kein:e t… | |
> Sie-Form in der taz? Pfui Teufel! Unsere Autorin hat sich umgehört, wie | |
> es tazler*innen und andere Medienhäuser mit der Höflichkeitsform auf | |
> der Arbeit halten. | |
Bild: Du oder Sie? Den richtigen Ton zu finden, ist nicht immer leicht | |
[1][Aus der taz] | Als ich das erste Mal in den taz-Kosmos – besser: in die | |
taz-Familie – eintrat, war sogar die Geschäftsführung mit mir sofort per | |
Du. Das mag für eine junge Frau wie mich eher ungewöhnlich sein, mit | |
älteren Kolleg:innen in die persönliche Du-Form zu gehen. Aber, so die | |
Geschäftsführerin Aline Lüllmann: „In der taz werden alle geduzt. Einfach | |
so.“ | |
Moment mal: Habe ich mich hier in ein Familienessen oder WG-Treffen | |
verirrt? Nicht nur mich irritierte die erste Begegnung mit der Du-Kultur. | |
Auch Marketing-Praktikant Elias war kurz verdutzt ob der | |
Selbstverständlichkeit, mit der in seiner ersten Redaktionssitzung alle | |
beim Vornamen genannt wurden. | |
## Einmal durch die Duz-Waschstraße | |
Unter meinesgleichen, an der Uni oder in der Freizeit, ist ja das Du | |
üblich. Wer duzt, gehört dazu. Wer aber in der taz nach dem zweiten Tag | |
noch siezt, wird kritisch beäugt. Das Du als eine Art Eignungstest der | |
Kumpel-Kollegialität? Vielleicht ein Maulwurf der FAZ? | |
Natürlich wird das nicht unterstellt, obgleich es seltsam ist, wenn nach | |
Tag zwei das Du noch nicht fest im Sprachgebrauch verankert ist, so | |
behauptet es Simone Schmollack, die Leiterin der Meinungsredaktion: „Wer in | |
der taz siezt, ist kein:e tazler:in oder hat den ersten Tag. Am zweiten | |
passiert das schon nicht mehr.“ Auch ich wurde, wenngleich milde, in die | |
Schranken gewiesen, als ich einen Kollegen aus der Kulturredaktion | |
versehentlich siezte. | |
Die Gewöhnung an das Duzen kommt aber rasch. Einmal durch die | |
Duz-Waschstraße gezogen, geht sogar beim ein oder anderen Telefonat das Sie | |
flöten. | |
## Kuscheln vs. Kollegialität | |
Wo bleibt da der Respekt vor Menschen, die eben schon lange im Job sind, | |
kompetent durch und durch? | |
Aber, das weiß ich, Respekt sollte man vor jeder Person haben, ob nun Du | |
oder Sie. Ein respektvolles Miteinander ist das A und O, bestätigt auch die | |
Geschäftsführerin. Sie befürwortet die Du-Atmosphäre, den persönlichen | |
Touch und die Vertrautheit im Umgang miteinander. Ein Siezen mache alles | |
steifer und unentspannter, setzt Kollegin Simone hinzu. | |
Das Go-to-Argument: Hierarchielosigkeit. Aber ist das wirklich so | |
hierarchielos? Ein Du – und das Von-oben-herab ist weg? Sollen überhaupt | |
alle Hierarchien futsch werden? | |
## Big Boss bleibt Big Boss | |
Dem Wirtschaftswissenschaftler Thomas Breyer-Mayländer zufolge, der die | |
Duz-Kultur in Unternehmen untersuchte, lässt sie Hierarchien allerdings nur | |
flacher erscheinen und versteckt bestehende Machtverhältnisse. Häufig | |
bleibt Big Boss trotz Du Big Boss. | |
Das Du ist freilich nicht überall geläufig. Wobei, so hörte ich von älteren | |
Kollegen, die taz sei Ende der siebziger Jahre schon bei Gründung ein | |
Start-up von heute gewesen: Alles sollte fast freundschaftlich sein, also | |
per Du. | |
Das ist bis heute nicht in allen Medienhäusern so: In der FAZ, hörte ich, | |
wird eher selten geduzt, in Sportressorts eher geduzt. Und bei der Zeit | |
gibt es noch die klassisch-hanseatische Form der verbindlichen Anrede: | |
„Wilma, würden Sie …“ Klingt gespreizt, hat aber seinen eigenen Charme. | |
So oder so: Das Du hat in der taz identitäts- und kulturstiftendes Format. | |
Darüber herrscht Einigkeit im Haus. Bestrebungen nach der Sie-Form hätten | |
abteilungsübergreifend eh keine Chance. | |
6 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wilma Johannssen | |
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