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# taz.de -- Ein grüner Polizist im Gespräch: „Im Notfall Türen eintreten“
> Jan-Denis Wulff ist bei den Grünen und Polizist. Er erzählt, wie er zu
> seiner Berufung kam und warum wir eine progressivere Sicherheitspolitik
> jenseits von AfD und Union brauchen.
Bild: Jan-Denis Wulff ist Polizist und bei den Grünen, wodurch er sich oft in …
taz lab: Wie sind Sie eigentlich zur Polizei gekommen?
Jan-Denis Wulff: Ich habe eine Ausbildung zum Erzieher gemacht und mein
Anerkennungsjahr in einer Jugendschutzstelle in Essen absolviert, in der
Kinder landen, die aus ihren Familien geholt werden müssen. Da gab es
Situationen, in denen wir häusliche Gewalt beobachteten. Wir standen vor
geschlossenen Türen und mussten auf die Polizei warten. Ich war 22 und
konnte nichts tun. Ich wollte mich nicht hilflos fühlen, sondern im Notfall
Türen eintreten können, also bin ich selbst zur Polizei gegangen. Es war
die beste Entscheidung meines Lebens.
Wie kam es zur Politik?
Aus demselben Grund. Ich habe gemerkt, ich kann nicht so wirken, wie ich
mir das vorstelle.
Befinden Sie sich in einer Doppelrolle als Polizist und Politiker?
Jeden Tag, auch jetzt. Unser Gespräch könnte bei den Grünen gut ankommen,
bei der Polizei aber nicht so. In anderen Medien ist es andersrum. Es ist
eine Doppelrolle, weil ich nicht bei der CDU bin. Da wird immer eine
polizeikonservative Richtung vertreten. Ich bin Polizist durch und durch,
aber ich stehe für einen progressiven Ansatz, wie viele in der Polizei.
Welche Resonanz bekommen Sie aus Ihrem Arbeitsumfeld?
Natürlich gab es Kritik, als ich verkündet habe, dass ich für die Grünen
kandidiere. Aber ich habe auch das Gegenteil erlebt. Ich bekomme viele
positive Nachrichten von Polizist*innen aus ganz Deutschland.
Was halten Sie von den Vorwürfen, es gäbe strukturellen Rassismus bei der
Polizei?
Wir haben eine sehr rechtschaffende Polizei. Das würde ich immer vertreten.
Aber natürlich gibt es Probleme. Wir haben es lange nicht gewagt, die
Polizeistrukturen zu kritisieren.
Was tun Sie als Politiker gegen die Misstände, die Ihnen selbst auffallen?
Darüber sprechen, informieren. Sich öffentlich z.B. gegen gewisse
Gewerkschaftler stellen, die nur eine konservative politische Meinung
vertreten und dabei so tun, als würden sie für uns alle sprechen. Es gibt
eine andere Seite in der Polizei und dafür will ich stehen.
Existiert racial profiling?
Ja, weniger weil Polizist*innen Rassisten sind, sondern eher weil die
Sicherheitsbehörden kaputtgespart wurden. Um Sicherheitsfehler vorzubeugen
braucht es mehr Investitionen. Wenn ich auf einer Veranstaltung mit zu
wenigen Kräften bin und unter Stress nur eine handvoll der Besucher
kontrollieren kann, verfällt man leichter in rassistische Muster. Hier hat
die Politik die Verantwortung, die Polizei mit dem auszustatten, was wir
benötigen, statt uns alleine zu lassen.
Konkret heißt das?
Zum Beispiel haben wir keine Ausbildung darin, wie wir mit Menschen in
psychischer Ausnahmesituation umgehen müssen. Allerdings ist in diesen
Situationen der Schusswaffengebrauch am größten. In Aschaffenburg haben wir
gesehen, wo wir Nachholbedarf in diesem Bereich haben. Ganz besonders in
der Kommunikation zwischen den Behörden. Dafür kann man keine Flüchtlinge
verantwortlich machen.
Was sind die nächsten Schritte für Sie?
Wir brauchen ein neues Sicherheitskonzept. Ich möchte der CDU und AfD die
Deutungshoheit in der Debatte entreißen. Die Menschen haben Angst.
Progressive Parteien müssen sich dem Thema Sicherheit mehr widmen.
Prävention, Ausstattung der Sicherheitsbehörden, europäische Zusammenarbeit
- aber vor allem brauchen wir einen breiteren Sicherheitsbegriff. Es sind
soziale Probleme, die zu Kriminalität führen können. Und das hat die
aktuelle Sicherheitspolitik nicht im Blick. Dort hinterlässt die Union eine
Lücke. Und die wollen wir als Grüne füllen.
Wird es denn unter der neuen Regierung eine Veränderung in der
Sicherheitspolitik geben?
Merz hat gezeigt, was seine Idee von Sicherheit ist: Alleingänge und
Abkapselung von europäischen Partnern. Dafür kriegt er von rechts eine
ausgestreckte Hand. Die Probleme werden nicht angegangen, sie verstecken
sich hinter der Migrationsdebatte und nutzen Sündenböcke. Umso wichtiger
ist es, in der Opposition dagegen zu halten.
Im neuen [1][ZDF Magazin Royale] wird ein Sicherheitsfehler bei der
Einreise 16 afghanischer Frauen aufgedeckt, der angeblich bei der Polizei
lag und wohl vermeidbar war. Nun stellt der Moderator Jan Böhmermann in den
Raum, dass die Intention dahinterstecken könnte, das Aufnahmeprogramm
afghanischer Migrant*innen zu sabotieren. Was steckt dahinter?
Natürlich passieren auch in der Bundespolizei Fehler - wie überall, wo
Menschen arbeiten - aber ich bin überzeugt, dass der überwiegende Teil
meiner Kolleginnen und Kollegen einen pflichtbewussten Job machen und dafür
danke ich ihnen sehr. Anders muss man die Rolle von Manuel Ostermann
bewerten. Er fällt zunehmend damit auf, seine Position als Gewerkschafter
auszunutzen, um im Namen der ganzen Polizei die politischen Botschaften
seiner Partei, der CDU, zu verbreiten. Die Gewerkschaften sollten um die
Belange der Kolleg*innen kämpfen und sich nicht als politisches Sprachrohr
einzelner Parteien verstehen.
Jan-Denis Wulff wird auf dem [2][tazlab] zu dem Thema „[3][Polizei trifft
Politik]" zu hören sein. Tickets gibt es unter [4][tazlab.de/tickets].
4 Apr 2025
## LINKS
[1] https://www.zdf.de/shows/zdf-magazin-royale-102?staffel=2025
[2] /taz-lab-2025-weiter/machen/!v=2f2702df-3697-433e-9d1d-48f733c77d1c/
[3] /programm/2025/tazlab2025/de/events/1624.html
[4] http://tazlab.de/tickets
## AUTOREN
Wilma Johannssen
Kim Tadday
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